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# taz.de -- Der „Guardian“ zur Merkel-Nachfolge: Wie auf Droge
> Könnte der nächste CDU-Kanzler Jens Spahn heißen? Der britische
> „Guardian“ setzt dieses Gerücht in die Welt – und beweist damit seinen
> Sinn für Humor.
Bild: Von Ehrgeiz getrieben: Der Staatssekretär strebt nach Höherem
Die Briten besitzen einen feinen Sinn für Ironie. „Der Mann, der Merkel
ersetzen könnte“, so überschrieb die britische Zeitung Guardian jetzt ein
Porträt über Jens Spahn. Besser hätte man die hochtrabenden Ambitionen des
CDU-Politikers, dem der Ehrgeiz aus allen Poren trieft, kaum karikieren
können.
Der 36-jährige Staatssekretär im Finanzministerium strebt unverkennbar nach
Höherem. Kaum ein Tag vergeht, an dem Spahn nicht mit einer neuen
plakativen Forderung auf sich aufmerksam macht. Mal will er das Rentenalter
anheben, mal tritt er für Steuersenkungen ein, mal für ein
„Familienwahlrecht“, mit dem Eltern für ihre minderjährigen Kinder
mitwählen dürften. Und kaum eine Woche vergeht, in der er nicht in
irgendeiner Talkshow sitzt oder sich per Gastbeitrag in einer Zeitung
persönlich zu Wort meldet. Es wirkt, als würde er seine politischen
Vorstöße im Minutentakt planen und formulieren.
Spahn war der erste führender Politiker seiner Partei, der als
CDU-Präsidiumsmitglied in der Flüchtlingsfrage von Merkel abrückte und
Verständnis für CSU-Chef Horst Seehofer zeigte. Er gab sogar ein Buch
heraus, in dem er von einem angeblichem „Staatsversagen“ in der
Flüchtlingspolitik sprach, und er macht Merkels Kurs für das Erstarken der
AfD verantwortlich.
Damit setzt er sich so weit von der Bundeskanzlerin ab, dass es beinahe
schon illoyal wirkt – aber eben nur fast. Denn Jens Spahn möchte in der CDU
ja noch etwas werden. In einer konsensorientierten Partei wie der CDU macht
sich der offene Affront da nicht so gut.
Themen wie nationale Identität und die Sorge vor dem politischen Islam
trieben viele Menschen um, sagte er mal dem Spiegel. Spahns Antwort darauf
lautet, der AfD auf diesem Feld entgegenzukommen. Für einen Dialog mit
Pegida zeigte er sich offen, die Antifa setzte er dagegen auf Twitter
einmal forsch mit der NPD gleich.
## Ängste und Ressentiments
Vor allem aber profiliert er sich wie kein anderer CDU-Politiker auf dem
Rücken der muslimischen Minderheit. Wie seine Parteifreundin Julia Klöckner
macht er sich schon lange für ein symbolträchtiges Burka-Verbot stark.
Gezielt greift er Ängste und Ressentiments auf, die nicht nur in seiner
konservativen Heimat kursieren – sein Wahlkreis ist das tiefkatholische
Münsterland –, sondern auch in urbanen, vermeintlich „progressiven“
Milieus.
Gerne gibt Spahn dabei den besorgten Schwulen. So beklagte er sich über
„dumme Sprüche“, die er von Migranten hören müsse, wenn er mit seinem
Freund durch Berlin gehe. Als seine Parteifreundin, die saarländische
Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, einen dummen Spruch machte,
indem sie die Homo-Ehe mit Inzucht unter Verwandten und der Vielehe
verglich, reagierte er dagegen ausgesprochen konziliant. Zuletzt beschwerte
er sich in einem Interview über „arabische Muskelmachos“, die in seinem
Fitnessstudio in Badehose duschen würden – als ob das ausgeprägte
Schamgefühl mancher muslimischer Männer ein ernsthaftes Ärgernis wäre.
Seine populistischen Forderungen paart Spahn mit progressiven Ansichten auf
anderen gesellschaftspolitischen Feldern: Er setzt sich für die Homo-Ehe
und eine schwarz-grüne Koalition ein. Auch den Muslimen in Deutschland rief
er einmal zu, sie sollten sich schleunigst zur Homo-Ehe bekennen: „Legt den
Turbo ein!“ Seiner eigenen Partei gegenüber ist er gnädiger: Da forderte er
„Respekt und Toleranz“ für die Gegner der Ehe für alle. Und aus Parteirä…
stimmte er 2012 im Bundestag noch selbst gegen deren Einführung.
Mit Blick auf die AfD sagte Spahn einmal, Populismus sei „wie eine Droge.
Die Dosis muss immer höher werden, die Forderungen immer abgedrehter, damit
es noch wirkt.“ Das könne nicht der Weg der CDU sein. Es wäre schön, wenn
Spahn sich gelegentlich wieder an diese Einsicht erinnern würde.
Als Talkshow-Dauergast ist Spahn auf dem besten Wege, CDU-Innenpolitiker
Wolfgang Bosbach zu beerben, der sich langsam verabschiedet. Im Fernsehen
sind rechte „Parteirebellen“ wie Bosbach, Heinz Buschkowsky oder Boris
Palmer, die sich populistisch vom Kurs ihrer jeweiligen Parteien absetzen,
gern gesehen. Zum Kanzler taugt Jens Spahn, der öfter mal wie auf Speed
wirkt, aber gerade deshalb nicht. Fragt sich nur, wer das Gerücht in die
Welt gesetzt hat, er käme dafür infrage. Es steht zu befürchten, dass er es
selber war.
29 Aug 2016
## AUTOREN
Daniel Bax
## TAGS
Kanzlerkandidatur
Schwerpunkt AfD
Populismus
CDU
Jens Spahn
Jens Spahn
Schwerpunkt Angela Merkel
Burka
Recep Tayyip Erdoğan
Jens Spahn
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