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# taz.de -- Ausstellung im Jüdischen Museum: Wie der Golem nach Kreuzberg kam
> Das Jüdische Museum widmet dem legendären Lehm-Mann eine Schau. Zur
> Langen Nacht der Museen gibt es eine Preview.
Bild: Noch einer: Chip des israelischen Großrechners „Golem Aleph“
Wie er in die Welt kam, der Golem, dieses monströse Wesen aus belebter
Erde, weiß heute niemand mehr so genau. Schon im Talmud scheinen Motive
angelegt zu sein, im Mittelalter kursierten etliche Erzählungen über den
aus der formenden Hand jüdischer Gelehrter entstandenen Halbmenschen. Erst
im Laufe der Jahrhunderte verdichtete sich die Legende um die Person des
Prager Rabbis Löw, und noch später schließlich gerann die Geschichte vom
Golem zum Mythos. Die deutsche Romantik bemächtigte sich des Motivs – mit
antisemitischen Zügen – und Anfang des 20. Jahrhunderts gelangte der
Lehm-Mann zu Weltruhm: mit Gustav Meyrinks phantastischem Roman „Der Golem“
und Paul Wegeners Stummfilm „Der Golem, wie er in die Welt kam“.
Nun kommt der Golem auch nach Berlin: Am 22. September eröffnet im
Jüdischen Museum in Kreuzberg eine Ausstellung, und schon an diesem Samstag
gibt es einen Vorgeschmack darauf im Rahmen der Langen Nacht der Museen.
Unter anderem wird der Wegener-Film gezeigt und live vom Silent-Film-DJ
D’dread vertont – „ein psychoakustisches Erlebnis in der Golem-Lounge“,…
das Museum verspricht.
Die Idee, sich mit dieser wohl bekanntesten jüdischen Legende
auseinanderzusetzen, hat Peter Schäfer mitgebracht, der 2014 die Leitung
des Jüdischen Museums von W. Michael Blumenthal übernahm. Der Judaist
Schäfer hatte als Professor an der Princeton University einen über viele
Jahre sehr erfolgreichen Kurs für Studierende aller Fächer entwickelt, aus
dem nicht nur wissenschaftliche Arbeiten, sondern auch literarische Stücke
und sogar musikalische Kompositionen hervorgingen. Für ihn erfülle sich mit
der Ausstellung „ein persönlicher Traum“, schreibt Schäfer im Vorwort zum
Ausstellungskatalog.
In den im mittelalterlichen Prag angesiedelten Erzählungen erweckt Rabbi
Löw den Golem durch ein kabbalistisches Ritual zum Leben, weil er einen
starken Helfer braucht: Immer wieder wird die jüdische Gemeinde des
Ritualmords bezichtigt, und der Golem kontrolliert fortan verdächtige
Personen, die versuchen, Kinderleichen in verleumderischer Absicht in der
Judengasse abzulegen. Manchmal fegt er auch nur die Synagoge. Ein anderes
Motiv ist das des Kontrollverlusts: Wer dem Golem die falschen Befehle
gibt, erntet Chaos – Goethe verarbeitete das Motiv im „Zauberlehrling“.
## Roboter, Cyborg, Replikant
Aber hat uns das heute noch etwas zu sagen? Offenbar ja: „Die Ausstellung
beginnt thematisch in der Gegenwart“, erklärt Kuratorin Martina Lüdicke.
„Sie sagt den Besuchern: Ihr kennt alle den Golem, aber wisst es vielleicht
nicht.“ Der künstliche Helfer, der außer Kontrolle geraten kann, ist als
Roboter, Cyborg oder Replikant auch dem modernen kulturellen Vokabular fest
eingeschrieben. Im Jüdischen Museum werden ganz aktuelle Videos zu sehen
sein, eine Simpsons-Folge etwa, in der ein veritabler Golem erschaffen
wird, oder „Humans“, das US-Remake einer schwedischen Serie, in der
artifizielle Menschen eigene Emotionen und Wünsche entwickeln. Und an einer
interaktiven Station wird kollektiv an einer „Minecraft“-Version des
Museums gewerkelt: Denn auch zum Inventar der bei jungen Menschen so
beliebten virtuellen Klötzewelten gehören „Golems“.
Als sündhafte menschliche Anmaßung wurde die Erschaffung des Golems in der
jüdischen Kultur übrigens nicht verstanden, sagt Martina Lüdicke: „Es ging
dabei gar nicht so sehr um das Geschöpf selbst, sondern um den Prozess, mit
dem man sich näher zur göttlichen Kraft begab und eine Art Transzendenz
herstellte.“ Ein Teil der Exponate sind denn auch historische und
zeitgenössische Werke bildender Künstler, die diesen Prozess auf ihre Weise
interpretieren.
Im Katalog zur Ausstellung werden diese Werke dann auf zum Teil
überraschende, ja provokante Weise kommentiert – etwa wenn der
US-amerikanische Schriftsteller und Aktivist Marc Estrin auf einem Gemälde
von Fritz Ascher („Der Golem“, 1916) einen Anklang an die gewaltigen
Befestigungsanlagen entdeckt, mit denen sich Israel heute umgibt. Netanjahu
wird für Estrin zum „verführten Rabbi“ – und die Mauer zum modernen Gol…
26 Aug 2016
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Ausstellung
Schwerpunkt Künstliche Intelligenz
Jüdisches Museum Berlin
Jüdisches Museum Berlin
Synagoge
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