# taz.de -- Olympianacht in Rio: Ein Tag im Sinne des DOSB | |
> Kristina Vogel gewinnt im Bahnrad-Sprint auch ohne Sattel, Fabian | |
> Hambüchen brilliert am Reck. Der Star der Nacht ist aber eine | |
> US-Turnerin. | |
Bild: Hinsetzen ist nicht: Kristina Vogel nach ihrem Bahnrad-Sprint | |
Wettkampf der letzten Nacht: In einem unfassbaren Krimi setzt sich das | |
brasilianische Duo Alison/Bruno auf dem Sand des Maracanazinho durch und | |
steht im Beach-Volleyball-Finale. Die beiden Publikumslieblinge vergeben im | |
zweiten Satz vier Matchbälle und verlieren diesen noch. Sie befreien sich | |
aber von dem psychologischen Druck und siegen in der Verlängerung des | |
dritten Satzes mit ihrem insgesamt sechsten Matchball. Alison fällt weinend | |
vor Freude in den Sand, Bruno rastet aus, die Copa Cabana steht Kopf. | |
Spannender ging's nicht. | |
Athletin der letzten Nacht: Was heißt hier „der letzten Nacht“? Sie ist die | |
Königin der diesjährigen Spiele: US-Turnerin Simone Biles. Am frühen Abend | |
erturnte sich die 19-jährige zehnfach-Weltmeisterin am Boden auf famose | |
Weise ihre vierte Goldmedaille von Rio (dazu Bronze am Schwebebalken). | |
Einfach unerreichbar! Für die anderen bleibt da nur der Titel der Herzen. | |
Zum Beispiel natürlich für Fabian Hambüchen, seines Zeichens Liebling der | |
deutschen Medien und händeringend gesuchte Star-Figur des deutschen | |
Olympiakaders. Nach Bronze in Peking und Silber in London gelingt dem | |
“Turnfloh“ endlich die “große Vollendung“. Gold am seinem Lieblingsger… | |
dem Reck – noch dazu in seinem vielleicht letzten großen Wettbewerb. Alles, | |
was eine “Meister der Herzen“-Story braucht. | |
Unglücksrabe der letzten Nacht: Andressa Cavalari Machry. Beim | |
Olympia-Heimspiel im Land des Zauberfußballs scheitert Brasiliens Nummer 17 | |
mit dem entscheidenden Elfmeter links halbhoch an Schwedens starker Torfrau | |
Hedvig Lindahl. Der Favorit ist raus (3:4 n.E.) und nicht nur die fünffache | |
Weltfußballerin Marta Vieira da Silva verdrückt dicke Krokodilstränen. Ein | |
weiteres Mal nach 2014 bleibt die Sehnsucht von 70.000 Fans im | |
Maracana-Stadion ungestillt. Nicht gerade wenig für die Schultern einer | |
Spielerin. | |
Drama der letzten Nacht: Zu Beginn der zweiten Runde des Bahnrad-Sprints | |
führt die 25-jährige Kristina Vogel mit 1:0. Auch wenn es die alten | |
Stehversuche kaum noch gibt, ist es das typische zögerliche Abtasten. Es | |
regiert die Vorsicht davor, sich nicht übertölpeln zu lassen, der Wunsch, | |
die beste Position bis zum Ende zu halten. Dann zieht die Deutsche aus der | |
Führungsposition den Sprint an, setzt sich sehr früh ab. Ihre Kontrahentin, | |
Ex-Weltmeisterin Rebecca James, beißt sich heran, droht Vogel auf der | |
Ziellinie abzufangen. Die investiert noch einmal alles. Kurz vor dem Ziel | |
bricht ihr Sattel ab, sie verliert den Halt, denkt bereits: “Ich habe | |
verloren. Jetzt nur nicht auf die Fresse fallen. Du musst noch in die | |
dritte Runde.“ Dann die unglaubliche Gewissheit: Es hat irgendwie gereicht. | |
Vier Tausendstelsekunden. “Was für ein Drama und was für eine grandiose | |
Geschichte“, krächzt auch ein fast stimmloser Kommentator ins ARD-Mikro. | |
Schlussfolgerung der letzten Nacht: Endlich mal wieder ein Abend im Sinne | |
des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB). Keine Mätzchen oder | |
Totalausfälle, kein skandalisiertes Händchenhalten beim Zieleinlauf oder | |
Pfeifen beim Hymnentanz. Einfach mal kein „Hobbysport“ mehr. Nichts da, | |
olympisches „dabei sein ist alles“. Endlich mal wieder Handfestes, | |
Lorbeeren: Hambüchen, Vogel. Dazu noch zwei Mal Historisches: Sowohl die | |
deutschen Fußballfrauen als auch das Beach-Volleyball-Duo Laura Ludwig/Kira | |
Walkenhorst greifen erstmals in einem olympischen Finale nach der | |
Goldmedaille, haben die silberne sicher. DOSB-Präsi Alfons Hörmann macht | |
mit Thomas Bach die Nacht durch! | |
Und sonst? Man mag es kaum glauben, aber es gibt tatsächlich Dinge, die von | |
noch größerer Beständigkeit sind als der Abwärtstrend des Deutschen | |
Schwimmverbandes. Etwa die Langeweile beim olympischen Tischtennis. Während | |
sich die chinesischen TopspielerInnen in den Einzelkategorien noch mächtig | |
gegenseitig Konkurrenz machen können, ist die Lage in den Team-Wettkämpfen | |
eine einzige Absurdität. Ganze zwei Einzelspiele verloren chinesische | |
Tischtennismannschaften insgesamt (!) seit Einführung der Team-Wettbewerbe | |
2008. | |
Die Damen gewannen bislang sogar jedes ihrer 12 Spiele mit 3:0 Sätzen. So | |
auch das Finale gegen Deutschland. Knappe 70 Minuten, 9:1 Sätze. Zack. | |
“Mehr als ein Finale gegen China kann man nicht verlangen“, konstatierte | |
ARD-Reporter Michael Kreutz mit einer Resignation, die beim Deutschen | |
Leichtathletik-Verband (DLV) wohl als peinliche Ehrgeizlosigkeit gegeißelt | |
worden wäre. Das Finale der chinesischen Männer am Mittwoch gegen Japan | |
verspricht also Hochspannung. | |
17 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Fabian Rasem | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
Turnen | |
Radsport | |
Radsport | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Olympiasiegerin Kristina Vogel: Kampf zurück ins Leben | |
Die Bahnradolympiasiegerin Kristina Vogel, die nach einem Trainingsunfall | |
querschnittsgelähmt ist, stellt sich zum ersten Mal der versammelten | |
Presse. | |
Bahnrad-EM in Berlin: Strampeln auf Holz | |
Bei der Meisterschaft wird Werbung für eine Sportart gemacht, bei der nur | |
wenige Fans noch durchblicken. Ein Blick auf und hinter die Planken. | |
Exjugos bei Olympia in Rio: Bällebad Balkan | |
Ob Basketball, Wasserball, Handball: Keine K.o-Runde kommt ohne Teams und | |
Kerle aus Exjugoslawien aus – wie immer. | |
Kolumne Liebeserklärung: Timo Boll lässt jucken | |
Weltcupgewinner, wiederholter Weltranglistenerster und Fahnenträger des | |
deutschen Olympiateams: Boll spielt so gut wie nie zuvor. | |
Deutscher Boxer im Halbfinale: Harutyunyan will Gold für Hamburg | |
Artem Harutyunyan hat armenische Wurzeln. Im Halbfinale trifft er auf | |
Collazo Sotomayor. Der tritt ausgerechnet für Aserbaidschan an. | |
Olympianacht in Rio: Alles beim Alten | |
Japanische Athletinnen bringen ihre Gegnerinnen zu Fall. China gewinnt im | |
Tischtennis. Das US-Team ist im Basketball-Halbfinale. | |
Wandel des olympischen Frauenbildes: Kraft und Glitzer | |
Als Frauen 1928 erstmals olympisch turnten, sah das noch fluffig aus. Heute | |
werden Sportlerinnen wie Simone Biles „Kraftpaket“ genannt. | |
Kolumne B-Note: Wenn Blicke töten könnten | |
Kristina Vogel, Thüringerin mit kirgisischen Wurzeln, gewinnt Gold. Weil | |
die Bahnradfahrerin ihre Gegnerin schon vor dem Start hypnotisiert. | |
Tabubruch bei Olympia: Über Blut reden | |
Die Menstruation ist ein Tabuthema. Eine chinesische Schwimmerin setzt sich | |
darüber hinweg und avanciert zum Internet-Star. | |
Kolumne Riologie: Es herrscht tatsächlich Eiszeit | |
Klimaanlagen beherrschen die Brasilianer nicht. In Rio sind die Räume so | |
kalt, dass unser Autor nur noch Sportarten im Freien besucht. | |
Olympianacht in Rio: Pinguine do Brasil | |
Eine nasse Tartanbahn wird kreativ umgenutzt, Brasilien hat mit da Silva | |
seinen Goldjungen und Usain Bolt kann Siegerehrung. |