# taz.de -- Tabubruch bei Olympia: Über Blut reden | |
> Die Menstruation ist ein Tabuthema. Eine chinesische Schwimmerin setzt | |
> sich darüber hinweg und avanciert zum Internet-Star. | |
Bild: Hat Bronze und Respekt für einen Tabubruch gewonnen: die chinesische Sch… | |
„Ich habe Schmerzen, weil ich gestern meine Periode bekam“, erzählte die | |
chinesische Schwimmerin Fu Yuahui am vergangenen Sonntag einer Reporterin. | |
„Deswegen fühle ich mich schwach und müde.“ Nach ihrem Rennen hatte sich | |
die Schwimmerin immer wieder mit gequältem Gesichtsausdruck an die Seite | |
gefasst und in gebückter Haltung die Worte schmerzverzerrt herausgepresst. | |
Im Netz erntet für ihre couragierten Worte großen Beifall. | |
Frauen, die in der Öffentlichkeit über ihre Menstruation sprechen, sind | |
kaum zu finden. Sportlerinnen zögern mit Hormonen und Pillen ihre Periode | |
hinaus, um bei sportlichen Wettkämpfen nicht beeinträchtigt zu werden. Die | |
ehemalige britische Tennisspielerin Annabel Croft beklagte bereits 2015 das | |
letzte Tabu im Frauensport. „Frauen leiden im Stillen“, sagte sie der BBC. | |
Mediziner stellten mehrfach fest, dass die Tagesform von Sportlerinnen auch | |
von ihrem Menstruationszyklus abhängt. | |
Doch auch im gesellschaftlichen Diskurs wird das Thema verschwiegen. Bis | |
heute wird die Menstruation nicht als das wahrgenommen, was sie ist: Etwas | |
Normales. Blut an der Kleidung wird aber oftmals als etwas Ekliges | |
betrachtet, für das sich Frauen in der Öffentlichkeit schämen müssten. | |
Bereits die Tampon- und Bindenwerbung suggeriert, dass die Periode in aller | |
Stille überstanden werden müsse; mit weißen Laken und unbefleckter | |
Kleidung. Dann kann ein glücklicher Alltag gelebt werden, in dem Freunde, | |
Bekannte und Arbeitskollegen nichts vom stillen Leiden mitbekommen. | |
Nach dem Interview der Chinesin suchten auf Weibo – einem chinesischen | |
sozialen Netzwerk – bereits mehr als 500.000 Menschen nach dem Hashtag „Fu | |
Yuanhui Periode“. Nur zwei Prozent der Chinesinnen benutzen regelmäßig | |
Tampons, da sie Angst vor dem Verlust ihrer Jungfräulichkeit haben. In | |
China gilt sie als hoher gesellschaftlicher Wert, deren Integrität nicht | |
verletzt werden darf. | |
## Gefahr für die Jungfräulichkeit | |
Tampons betrachten viele als größte Gefahr für die Jungfräulichkeit. Die | |
Aufklärung diesbezüglich ist besonders in China gering, in Läden und | |
Apotheken sind sie schwer zu finden. Dass eine Chinesin nun den weltweiten | |
Diskurs lostritt, ist deshalb umso überraschender. Fu Yuanhui setzt nicht | |
nur über ein Tabu hinweg, sondern über die gesellschaftlichen Standards | |
ihres Heimatlandes. | |
Doch auch in Europa findet eine offene und vorurteilsfreie Diskussion nicht | |
statt. Während Sexualität und Geschlechteridentitäten offen diskutiert | |
werden, kommt die Menstruation aus der „Schmuddelecke“ nicht heraus: Sie | |
wird vollständig tabuisiert. „Der Fakt, dass Fu Yuanhui das Thema | |
aufbrachte, öffnet die Tür für öffentliche Diskussionen“, stellte die | |
28-jährige CNN-Journalisten Vivian Kam fest. Auch in der westlichen Welt. | |
Bei Twitter erntet Fu Yuahui dafür unter [1][#fuyuanhui] großen Beifall. | |
Eine chinesische Firma mit Geschäftssinn reagierte umgehend. Sie will nun | |
im großen Stil Tampons produzieren und noch in diesem Monat mit dem Verkauf | |
beginnen. | |
Fu Yuanhui hat etwas Großes und Beeindruckendes geleistet, jetzt heißt es, | |
diese Möglichkeit zu nutzen. Eine aufgeklärte und offene Gesellschaft | |
sollte nicht vor der Normalität und etwas Blut zurückschrecken. | |
16 Aug 2016 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/search?q=%23fuyuanhui&src=typd | |
## AUTOREN | |
Sören Haberlandt | |
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