# taz.de -- Neues Album der Punk-Band Pup: Aufschlagen leicht gemacht | |
> Pup's Album „The Dream Is Over“ verkehrt den Titel in sein Gegenteil. Die | |
> Songs der kanadischen Band wehren sich gegen die eigene Anspannung. | |
Bild: „The Dream Is Over“ befasst sich selbstironisch-konstruktiv mit Schic… | |
Was einen nicht umbringt, macht einen härter“ – diese etwas abgedroschene | |
Redensart erlebt auf dem aktuellen Album der kanadischen Punk-Band Pup | |
gerade ihr Revival. „Pup“ steht für „Pathetic Use of Potential“ – f�… | |
erbärmliche Nutzung von Talent also. Der Name der aus Toronto stammenden | |
Band zeugt von (Selbst-)Ironie, gerade in Anbetracht der Tatsache, dass | |
Sänger Stefan Babcock, Schlagzeuger Zack Mykula, Bassist Nestor Chumak und | |
Gitarrist Steve Sladkowski – allesamt Mitte 20 – es in den letzten zwei | |
Jahren auf über 450 Konzerte gebracht haben. | |
Anlass für die Betitelung des Albums lieferte ein einschneidendes Ereignis: | |
Babcocks Arzt entdeckte eine Zyste an einem seiner Stimmbänder – und sagte | |
ihm: „The dream is over“ – was bei Babcock dazu führte, seinem Schicksal | |
erst recht zu trotzen: Auf dem neuen Album schreit er – zuverlässig | |
unterstützt durch die anderen Bandmitglieder – lauter denn je, und der Mix | |
aus Hardcore und Punk, der stilistisch das Album dominiert, verwandelt den | |
„gestorbenen“ Traum unmittelbar in sein Gegenteil. | |
Der Auftaktsong des Albums, „If this tour doesn’t kill you, I will“, dreht | |
sich um den Alltag unterwegs und beschreibt paradigmatisch und drastisch | |
die persönliche Abneigung gegen die Enge im Bandbus: „I hate your guts and | |
it makes me ill. […] Everything you do makes me wanna vomit“ heißt es | |
beispielsweise. Während sich die Band inhaltlich in | |
Lagerkoller-Beschreibungen und gegenseitiger verbaler Zerfleischung | |
hochjazzt, vermittelt der Song musikalisch vielmehr Freude, Aufregung und | |
spielerische Ausgelassenheit. | |
In „DVP“ will Babcock sich am liebsten selbst tot sehen; es geht um | |
Liebeskummer und um die Unfähigkeit, sich aus dem eigenen Elend zu lösen. | |
Musikalisch sorgt der Song in dringlicher Hardcore-Manier für Entspannung | |
und Leichtigkeit, scheint also weit entfernt von seiner inhaltlichen | |
Dramatik. | |
## Die pragmatische Auseinandersetzung mit dem Aufprall | |
Ein Paradebeispiel für die Selbstironie liefert Pup in „Old Wounds“. | |
Babcock schreit sich sämtlichen Frust von der Seele über eine kaputte | |
Beziehung, in der sein Gegenüber krampfhaft versuchte, ihn zu ändern: „I | |
can’t stand you trying to safe me / It’s so fucking frustrating“. Diese W… | |
wird jedoch musikalisch so sehr konterkariert, dass man beim Hören des | |
Songs am liebsten gut gelaunt feiern möchte – „Old Wounds“ ist dermaßen | |
partytauglich, dass man fast schon die Ironie vergisst, die sich hier | |
offenbart. | |
Doch nicht alle Songs auf dem Album bestehen aus geballter Lautstärke und | |
Wortgewalt. So geht es in „Welcome to Pine Point“, dem letzten von | |
insgesamt zehn Songs auf dem Album, um Babcocks Erinnerung an seinen | |
Bruder, der bei einem Autounfall ums Leben kam. In diesem Song wird nicht | |
geschrien. Der Track ist sehr anrührend, auch weil er es schafft, trotz der | |
Trauer ein Stück Hoffnung in einer scheinbar verdorbenen Welt zu | |
vermitteln. | |
Die Songs auf „The Dream Is Over“ scheinen stellenweise vor Anspannung und | |
Neurosen nur so zu zittern, aber genau diese Energie ist es, die Pup nutzt, | |
um sich gegen diese Emotionen zu wehren und dadurch an Stärke zu gewinnen. | |
Auch wenn man sich beim Hören der Texte oft nicht des Eindrucks erwehren | |
kann, dass man es hier mit einer Gruppe Mittzwanziger zu tun hat, die nicht | |
aufhören kann, sich darüber zu beschweren, wie gut es ihnen eigentlich | |
geht, muss man dem Album doch zugute halten, dass es sich auf sehr | |
pragmatische Art und Weise mit dem Aufschlagen auf dem Boden | |
auseinandersetzt. | |
Pup schaffen es, sämtliche Hochs und Tiefs durch die Leichtigkeit und | |
Ausgelassenheit ihrer Musik als – bezogen auf das „große Ganze“ – | |
irrelevant darzustellen. Das verleiht den kleinen und großen Dramen des | |
Lebens eine enorme Erleichterung, denn: Egal, was du machst und wie tief du | |
vielleicht auch fällst, letztlich lautet die Devise immer: Aufstehen! | |
Weitermachen! Es geht nicht nur darum, dem Sturm zu trotzen, sondern darin | |
aufzugehen. | |
20 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Annika Glunz | |
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