| # taz.de -- Kolumne Dumme weiße Männer: Kuddelmuddel aus Fehlschlüssen | |
| > Wenn weiße Männer anfangen, die Gender Studies zu kritisieren, läuft man | |
| > Gefahr, dümmer zu werden. Welches Gen macht sie eigentlich so? | |
| Bild: Fall für einen Pflanzenforscher: Kakteen mit Nachahmer | |
| Harald Martenstein hat einen knallharten Test, um die Wissenschaftlichkeit | |
| von Disziplinen, die er zweifelhaft findet, zu untersuchen: den Alltag. Als | |
| er 2013 sich [1][mit den Gender Studies beschäftigt], liegt er am See und | |
| fragt sich angesichts rumblödelnder Männer “Warum sind junge Männer | |
| manchmal so? Warum sind junge Frauen meistens anders?“ | |
| Eines Tages wird er so wohl auch die Elektrotechnik kritisieren, weil er | |
| beim besten Willen nicht ausrechnen kann, was [2][die Quadratwurzel von -1] | |
| ist, oder die Quantenphysik, weil doch ein einfacher Ballwurf beweist, dass | |
| die [3][Heisenbergsche Unschärferelation] falsch sein muss. | |
| Für einen weißen Mann, der über Gender Studies schreiben will, ist | |
| Martensteins Text die beste Vorlage: Er ist ein Kuddelmuddel aus | |
| erkenntnistheoretischen Fehlschlüssen und beinhaltet alle Bausteine der | |
| Diffamierung, die auch immer wieder von anderen „Genderkritikern“ genutzt | |
| werden. | |
| Es gibt den ökonomischen Baustein: “2011 gab es 173 Genderprofessuren“, | |
| ohmeingottwaskostetunsdas?! Den moralischen: der Verweis auf John Money, | |
| der als erster die Unterscheidung von Sex, dem biologischen Geschlecht, und | |
| Gender, dem sozialen Geschlecht, vornahm – aber auch nach [4][einer | |
| fragwürdigen Genitaloperation,] die einen Jungen als Mädchen aufwachsen | |
| ließ. | |
| Es gibt den denkfaulen: Männer sind so, Frauen sind so, das zeigen Studien, | |
| das habe ich am See erlebt und [5][von Israel bis Russland], und deshalb | |
| muss das biologisch bedingt sein. Und den erlogenen: GenderforscherInnen | |
| würden biologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen | |
| [6][grundsätzlich verneinen]. | |
| Den gleichen Text wie Martenstein hat dann drei Jahre später Christian | |
| Weber [7][für die Süddeutsche Zeitung] geschrieben, in dem er argumentiert: | |
| „Zahlreiche Studien lassen […] vermuten, dass Frauen auch aus evolutionären | |
| Gründen rein statistisch weniger ausgeprägte Karriereambitionen als Männer | |
| haben.“ Klar: Vor Millionen Jahren sah die Evolution den Kapitalismus | |
| kommen und entschied: Es reicht, wenn nur die Hälfte der Menschheit | |
| karrieregeil wird. | |
| Das war dann wahrscheinlich die längste Langzeituntersuchung aller Zeiten, | |
| begonnen von einem Menschenaffen und beendet von einem deutschen Forscher | |
| in den 1970ern, der evolutionär bedingt [8][den Arbeitsvertrag seiner Frau | |
| kündigte], weil sie den Haushalt vernachlässigte. | |
| ## Irgendwas mit „Gender“ | |
| Besonders fixiert auf Money ist der Pflanzenforscher [9][Ulrich Kutschera], | |
| der die Gender Studies gleich in „Moneyismus“ umbenennen möchte. Dass es | |
| Tausende ForscherInnen in dem Gebiet gibt, ist ihm – wie auch Harald | |
| Martenstein – egal: Wesentlich ist, dass es mal John Money gab, der | |
| erstmals das Wort „Gender“ so verwendete, wie es von vielen auch heute | |
| verwendet wird. | |
| [10][Es folgt]: Alle die „Gender“ so oder anders verwenden wie Money, sind | |
| moralisch ebenso fragwürdig wie er. Ohnehin scheint es, dass Kutschera kaum | |
| etwas von dem Feld verstanden hat, außer dass dort [11][das Wort “Gender“ | |
| vorkommt]. | |
| Die Anekdote von John Money lässt Weber weg, rechnet dafür nochmal ein | |
| bisschen expliziter die Kosten der Gender Studies auf: “Jede Million mehr | |
| für die Geschlechterforschung ist eine weniger für die Meteorologie oder | |
| die Byzantinistik.“ Vielleicht hätte bei einer anderen Verteilung der | |
| Gelder mal ein Byzantinist Zeit, Weber das byzantinische [12][„cum hoc ergo | |
| propter hoc“] zu übersetzen. Denn die Korrelation von etwas so komplexem | |
| wie menschlichem Handeln und etwas [13][so komplexem wie biologischem | |
| Geschlecht] bedingt nicht gleich [14][eine Kausalität]. | |
| Vielleicht kann ja dann ein Biologe auch mal untersuchen, welches Gen dazu | |
| führt, dass vor allem weiße Männer die Wissenschaftlichkeit der Gender | |
| Studies in Frage stellen. | |
| Eventuell kann er gleich mituntersuchen, was mit dem IQ von Leuten los ist, | |
| die solche Leute beauftragen: Warum, zum Teufel, glauben sie eigentlich, | |
| davon schlauer und nicht dümmer zu werden? | |
| 9 Aug 2016 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.zeit.de/2013/24/genderforschung-kulturelle-unterschiede/komplett… | |
| [2] http://de.wikipedia.org/wiki/Imagin%C3%A4re_Zahl | |
| [3] http://de.wikipedia.org/wiki/Heisenbergsche_Unsch%C3%A4rferelation | |
| [4] http://en.wikipedia.org/wiki/John_Money | |
| [5] http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/universitaet-kassel-professor-ul… | |
| [6] http://en.wikipedia.org/wiki/Sex_and_gender_distinction | |
| [7] http://www.sueddeutsche.de/wissen/gender-studies-krampfzone-geschlecht-1.29… | |
| [8] http://www.sueddeutsche.de/politik/emanzipation-aufstieg-und-niedergang-des… | |
| [9] http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/universitaet-kassel-professor-ul… | |
| [10] http://en.wikipedia.org/wiki/Association_fallacy | |
| [11] http://publikative.org/2015/11/01/maennerfantasien-die-antigenderistische-… | |
| [12] http://de.wikipedia.org/wiki/Cum_hoc_ergo_propter_hoc | |
| [13] http://www.ted.com/talks/alice_dreger_is_anatomy_destiny | |
| [14] http://www.iep.utm.edu/evol-psy/#SH4c | |
| ## AUTOREN | |
| Lalon Sander | |
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