# taz.de -- Rückzug von Wolfgang Bosbach: Der Ströbele der CDU | |
> In Talkshows hörte sich Bosbach gerne reden. In der CDU hatte er nie | |
> wirklich was zu sagen. Dass er nicht mehr kandidiert, ist trotzdem ein | |
> Verlust. | |
Bild: Wolfgang Bosbach in seinem natürlichen Habitat: dem Studio der ARD-Talks… | |
Der angekündigte Rückzug von Wolfgang Bosbach ist ein schmerzhafter | |
Verlust. | |
Für Anne Will vielleicht, könnte man jetzt witzeln. Klar, keiner saß so oft | |
in deutschen Talkshows wie der Zitat-Automat aus Bergisch-Gladbach mit den | |
harten Forderungen und dem weichen rheinischen Singsang. Und nun hört der | |
fleischgewordene Fernsehsessel auf – was soll’s? | |
Auf den ersten Blick scheint es egal zu sein, ob diese eitle Labertasche | |
2017 noch einmal für den Bundestag kandidiert oder nicht. Genauso egal wie | |
Bosbachs Sturz in einen Gullyschacht auf Mallorca, der im Juli glimpflich | |
verlief, aber wieder große Schlagzeilen machte, weil Bosbach auch dieses | |
Malheur öffentlich breittrat wie all seine anderen mehr oder weniger | |
ernsten privaten Probleme zuvor. | |
So schuf er selbst sein Image: ein Mann wie eine ewige Sommerlochfüllung. | |
Und so schienen auch die politischen Ansichten, die er in all den Talkshows | |
vortrug, egal zu sein. Wirklich etwas zu sagen hatte der innenpolitische | |
Lautsprecher der CDU in seiner langen Karriere nie. Innenminister wäre | |
Bosbach gern geworden, Fraktionschef wahrscheinlich auch, doch mehr als der | |
Innenausschuss-Vorsitz, ein Fraktionsvizeposten und die Ernennung zum | |
Ehrensenator der Düsseldorfer Karnevalsgesellschaft Weissfräcke war für ihn | |
nicht drin. Und nun geht er. | |
Leider. | |
Denn bei aller geschwätzigen Selbstverliebtheit: Solche Leute braucht die | |
Union. Eigentlich. Dringend. Gerade jetzt. Gegen die AfD. Auch der Rest der | |
demokratisch eingestellten Deutschen wird Bosbach deshalb noch schmerzlich | |
vermissen. Echt jetzt. | |
Im demokratischen Sinne gegen die AfD ankämpfen, das heißt für die Union, | |
um potenzielle AfD-Wähler zu werben, ohne die AfD nachzuplappern und selbst | |
rechtsradikal zu werden. Das ist schwer und wer könnte das besser als | |
Bosbach? | |
Der 64-Jährige ist einer der wenigen im politischen Betrieb, die eine | |
wichtige, aber schwer zu definierende Grenze kennen und einhalten: die | |
Grenze zwischen konservativer Traditionspflege auf der einen und | |
menschenverachtendem Rechtspopulismus auf der anderen Seite. Bosbach gelang | |
es intuitiv, auf diesem schmalen Grat zu wandeln. Er schaffte es, die | |
Eurorettungspolitik der Kanzlerin energisch abzulehnen, ohne die Griechen | |
oder Spanier zu beleidigen. | |
Bosbach gelang es auch, Angela Merkels Flüchtlingspolitik skeptisch zu | |
begleiten, ohne gegen Flüchtlinge zu hetzen. Man nahm ihm ab, dass er nach | |
Positionen suchte, die mit seinem Wissen, Gewissen und Parteibuch gerade | |
noch vereinbar waren. Vieles davon war rückwärtsgewandt und altmodisch, | |
aber nie anbiedernd, sondern echt. In vielem gleicht Bosbach seinem | |
Widerpart Christian Ströbele bei den Grünen – der noch nicht verraten hat, | |
ob er noch mal antritt. | |
Parteiintern blieb Bosbach konsequent bei seinen Positionen, bis brave | |
Karrieristen wie Ronald Pofalla seine „Fresse nicht mehr sehen“ konnten. | |
Authentisch, stur, aber wenn es darauf ankommt, zur Parteiführung loyal. | |
Deshalb ist es auch glaubwürdig, wenn er der Bild nun zum Abschied sagt: | |
„Selbst mit vier Promille würde ich nicht zur AfD gehen.“ | |
Es kann allerdings gut sein, dass nach Bosbachs Abgang noch mehr Wähler | |
ernüchtert von der Union zur AfD oder sonst wohin wechseln werden, weil sie | |
sich bei den vielen Kursschwankungen der Union nicht mehr vertreten fühlen. | |
Weder von den liberalen Merkelianern noch von opportunistischen | |
„Burka-Verbot“-Schreiern wie Frank Henkel. Mit Bosbach geht die alte CDU. | |
Die gute alte. | |
23 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Lukas Wallraff | |
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