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# taz.de -- Kommentar Harting tanzt bei Olympia: Verschont uns, ihr Tugendwäch…
> Zur Nationalhymne lässt sich schwer tanzen. Christoph Harting versucht es
> dennoch. Respektlos? Nein, Hymnen werden ohnehin überschätzt.
Bild: Danced eben gerne: Diskuswerfer Christoph Harting
Wer Gold bei Olympischen Spielen gewinnt, darf sich so freuen, wie er oder
sie will. Christoph Harting hat den Diskuswettbewerb gewonnen und zu
„Einigkeit und Recht und Freiheit“ auf der obersten Stufe des
Medaillenpodiums [1][die Arme vor dem Bauch verschränkt, gepfiffen,
getänzelt und grimassiert.]
Er hat hernach Interviews verweigert – und dies mit der Begründung, eher
ein in sich gekehrter Typ zu sein, nicht wie sein Bruder Robert ein
Fachmann für Selbstvermarktung. Die rituelle Verleihung der Goldmedaille
eher lax zu absolvieren ist im Hinblick auf die Bedeutung Olympischer
Spiele natürlich der höchste Akt der Selbstinszenierung. Damit wird man
nicht unbekannt!
Aber letztlich ist es die Angelegenheit des Geehrten allein, wie er sich
bei der Übergabe der wichtigsten Trophäe in seinem Sport verhält: seine
Sache, nicht die nationaler Tugendwächter, für die eine Performance der
Andacht wichtig ist – vielleicht noch gekrönt durch Tränen. Wer sich über
die Vorstellung des Berliners aufregt – [2][und das taten in den sozialen
Netzwerken sehr viele] –, verkennt, dass Spitzensport in
demokratisch-liberalen Ländern keine Domäne patriotischer Aufschäumung sein
darf.
In Rio de Janeiro sind es immer Sportler*innen aus antidemokratischen
Ländern, die mit jeder Medaillenleistung an einem nationalen Epos
mitzuschreiben haben, nicht nur russische Athlet*innen belegen dies gerade
eindrücklich.
Wenn Christoph Harting sagt, man könne zur deutschen Nationalhymne nur
schwer tanzen, ist das ein vorzüglicher Spruch. Stimmt ja auch: Das Lied
hat wirklich diese gewisse Spur Pathos zu viel, ein übermelancholisches
Moment der tranigen Beseeltheitspflicht. Kann man übrigens auch anders
sehen, der Diskussieger von Rio aber empfindet es so. Na und?
Ob er mit den Bildern in 20 oder 30 Jahren auch noch leben kann, ist eine
andere Frage. Wird er dann das Naheliegende erkennen: dass er mit dieser
Performance seinem Bruder Robert, Goldmedaillist von London, nur eins
auswischen wollte? Dass er nach dem Triumph also vor aller
Weltöffentlichkeit eine Familiensache austrug? Einerlei: Hymnen werden
ohnehin überschätzt – und Christoph Harting, der vermeintlich
Introvertierte, hat sich ins Bildergedächtnis dieser Zeit eingeschrieben.
Über welchen der über 300 Olympiasieger von Rio wird man das in mittlerer
Zukunft schon sagen können?
14 Aug 2016
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=tWgQKVhQ2eU
[2] https://twitter.com/hashtag/ChristophHarting?src=hash
## AUTOREN
Jan Feddersen
## TAGS
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Robert Harting
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