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# taz.de -- Sommerinterview mit Andreas Dressel: „Scholz bleibt Bürgermeiste…
> SPD-Fraktionschef Andreas Dressel über Flüchtlingspolitik und
> Fahrradfahren, das Hoffen auf Geld von Hapag-Lloyd und Regierungschef
> Olaf Scholz
Bild: Ein Fan des Rot-Grünen Koalitionsvertrages: SPD-Fraktions-Chef Andreas D…
taz: Herr Dressel, finden Sie eigentlich, dass Sie sich Ihren Sommerurlaub
redlich verdient haben?
Andreas Dressel: Ein bisschen urlaubsreif bin ich schon.
Dabei haben Sie doch in jüngster Zeit fast nur geplaudert zusammen mit dem
grünen Fraktionsvorsitzenden Anjes Tjarks und der Initiative „Hamburg für
gute Integration“.
Wir haben lange und intensiv verhandelt. Das war anstrengend, aber
erfolgreich. Denn Hamburg wurde dadurch ein Volksentscheid in dieser
polarisierenden Frage erspart. Jetzt müssen die vielen einzelnen
Vereinbarungen natürlich noch umgesetzt werden. Aber da bin ich
optimistisch, dass das Schritt für Schritt gelingt.
Ist denn das Thema Flüchtlingsunterbringung durch die Vereinbarung mit der
Initiative ein für allemal geklärt worden?
Wir haben einen Rahmen vereinbart, in dem eine gute Unterbringung und ein
gute Integration gewährleistet ist. Der Rahmen ist pragmatisch und auch
flexibel, weil er zum Beispiel angemessen atmen kann und die schwer
voraussehbaren Flüchtlingszahlen berücksichtigt.
Hätten Sie auf viele Ideen, die jetzt mit der Initiative vereinbart wurden,
nicht schon vorher von selbst kommen können? Brauchen Sie den Druck des
Volkes?
Im Herbst vorigen Jahres war die Situation sehr ernst und angespannt. Wir
mussten deshalb in kürzester Zeit teilweise auch große Lösungen finden.
Rückblickend wäre es vielleicht besser gewesen, man hätte den einen oder
anderen Dialog intensiver geführt, aber der Zeit- und Handlungsdruck war
damals enorm. Da sich aber die Situation nun entspannt hat, muss und kann
die Planung natürlich verändert und angepasst werden. Zum Beispiel bei den
Expressbauten realisieren wir die Planungen, reduzieren überall den Anteil
öffentlicher Unterbringung, steigern aber gleichzeitig den Anteil an
Sozialwohnungen. Das ist ein Gewinn für alle.
Und wenn die Flüchtlingszahlen wieder steigen? Wenn Erdogan die Grenzen
wieder aufmacht?
Da haben wir vorgesorgt. Wir haben Reservekapazitäten insbesondere bei der
Erstaufnahme eingebaut. Und die in der Vereinbarung gefundenen Formeln
können je nach Zugang atmen. Wie sich die Situation mit der Türkei
entwickelt, wird man sehen. Aber klar ist: Ein Szenario wie im Herbst
vorigen Jahres wird sich nicht wiederholen.
Ist die Einigung mit der Initiative und die Vermeidung eines
Volksentscheides mit hoher gesellschaftlicher Sprengkraft ein Erfolg für
die Demokratie?
Wichtig in einer Demokratie ist die Fähigkeit zum Kompromiss. Das ist etwas
ganz Wichtiges, was alle diese Rechtspopulisten in Europa und auch dieser
Schreihals in den USA gefährden. Wir haben hier in Hamburg, mit den
zahlreichen Nutzungskonflikten in einem Stadtstaat, in einer hochbrisanten
und polarisierenden Frage ausgelotet, was gangbar ist. Es ist eine
demokratische Errungenschaft, nicht auf den finalen Showdown zu setzen,
sondern die Einigung zu suchen.
Die rot-grüne Koalition hat ja im November 2015 das Referendum über Olympia
verloren, der SPD-Alleinsenat zwei Jahre zuvor den Volksentscheid über die
Energienetze. Haben Sie da langsam ein Trauma?
Nein. Auch die CDU und Schwarz-Grün haben je einen Volksentscheid verloren.
Das scheint also eher ein Regierungsphänomen zu sein, dass das Volk in
Einzelfragen anders abstimmt, als die von ihm gewählte Regierung es
empfiehlt. Bei der Initiative „Guter Ganztag“ gab es ein gemeinsames
Grundanliegen, da war eine Einigung möglich, jetzt in der Flüchtlingsfrage
ebenfalls.
Geht Ihnen die Direkte Demokratie mit all ihren Volksinitiativen und
Volksentscheiden nicht inzwischen gehörig auf den Geist?
Nein. Die BürgerInnen nehmen ihre Möglichkeiten wahr, sich zu artikulieren
und mitzubestimmen. Das ist ihr gutes Recht, das muss man so akzeptieren
und damit umgehen.
Aber gibt es nicht inzwischen eine gesellschaftliche Schieflage zugunsten
wohlhabender und gebildeter Schichten? Es müssen ja nur ein paar
wortmächtige Menschen in der Gegend rumtönen – so wie die SUV-Fahrer auf
der Uhlenhorst bei der Busbeschleunigung oder zweifelhafte
Flüchtlingsfreunde in Blankenese – und schon regelt Rot-Grün gleich die
Sache.
Diese soziale Schieflage ist ja auch bei Wahlen zu beobachten. Auch da ist
die Wahlbeteiligung in sozial schwächeren Stadtteilen überdurchschnittlich
niedrig und zugleich die Zahl der ungültigen Stimmen besonders hoch. Das
ist etwas, was alle demokratischen Parteien umtreibt. Wir müssen diese
soziale Spaltung in der Wahrnehmung demokratischer Rechte angehen.
Sprechen wir über andere Themen: Das rot-grüne Ziel, Hamburg zu einer
fahrradfreundlichen Stadt zu machen, dürfte höchstens im Schneckentempo zu
erreichen sein. Bremsen Sie ihren grünen Koalitionspartner aus?
Mitnichten. Wir haben gerade das Bündnis für Radverkehr auf den Weg
gebracht mit klaren Zielzahlen, welche Straßen und Wege wann und wie
schnell radverkehrsfreundlich umgebaut werden sollen. Wir verdoppeln die
Zahl der neuen Radwegekilometer von 24 auf 48 pro Jahr …
So wird die Neuerfindung der Autostadt Hamburg als Fahrradmetropole Jahre
dauern.
Das ist ein beachtlicher Kraftakt. Das geht nicht alles über Nacht. Unser
Credo bleibt ein sinnvoller Verkehrsmix.
Sie wollen also weiterhin versuchen, um Maßnahmen wie Fahrverbote,
Umweltzone und City-Maut herumzukommen, weil die SPD eben eine
Autofahrer-Partei ist?
Ich bin ein großer Fan unseres Koalitionsvertrages. Und da steht drin, dass
wir eine angebotsorientierte Verkehrspolitik machen mit einem deutlich
höheren Anteil an Radfahren und Öffentlichem Nahverkehr. Eine
Verbotspolitik wird es nicht geben.
Das Verwaltungsgericht Hamburg ist offenbar kein Fan des rot-grünen
Koalitionsvertrages. Ende Juli hat es ein Zwangsgeld gegen Hamburg
verhängt, weil der rot-grüne Senat einen wirksamen Luftreinhalteplan seit
Jahren verweigert. Jetzt haben Sie mächtig Handlungsdruck.
Der Luftreinhalteplan wird jetzt überarbeitet, die Umweltbehörde arbeitet
mit Hochdruck daran. Da werden viele Maßnahmen zusammenkommen, die für
sauberere Luft in Hamburg sorgen werden.
Das muss aber alles bis spätestens Ende Juni 2017 fertig sein – viel früher
als geplant.
Alle arbeiten mit Hochdruck daran, die Vorgaben des Gerichts zu erfüllen.
Schlechte Luft verursachen auch die Schiffe im Hafen. Aber die seit Jahren
versprochene Landstromanlage zur sauberen Versorgung der Kreuzfahrtschiffe
und die LNG-Barge mit umweltfreundlicher Energieversorgung aus Flüssiggas
funktionieren immer noch nicht.
Wir sind da weltweit Trendsetter, das klappt nicht alles über Nacht. Und
noch lange nicht alle Schiffe sind dafür ausgerüstet. Aber auf mittlere
Sicht werden umweltfreundliche Technologien und Energien Standard werden,
nicht nur bei den Kreuzfahrtschiffen, sondern auch bei den
Containerfrachtern. Und Hamburg ist da ganz vorne mit dabei. Wir sind der
Antreiber für moderne Technologien. Aber auch hier gilt, die Verbotskeule
bringt nichts. Wir tun das zusammen mit der Wirtschaft, das ist der
sinnvolle Weg.
Im Hafen gibt es zudem ein Milliardenloch: Die Staatsreederei Hapag-Lloyd
verliert zusehends an Wert, die Hamburger Anteile entsprechend auch. Sind
die 1,2 Milliarden Euro, welche die Stadt in die Reederei gesteckt hat,
doch verloren?
Nein. Hapag-Lloyd ist ein gutes Beispiel dafür, wie durch die Fusionen mit
der chilenischen Reederei CSAV und jetzt mit der arabischen UASC ein noch
stärkeres Unternehmen von Weltrang geschaffen werden konnte. Der
Unternehmenssitz, die Arbeitsplätze, der Warenumschlag konnten in Hamburg
gehalten werden, das ist enorm wichtig. Aber die Marktlage in der
Weltschifffahrt ist unverändert angespannt, deshalb müssen wir da noch ein
wenig Geduld haben. Der Weg aber ist richtig.
Die Milliarde aus Steuergeldern gibt es aber nicht zurück, obwohl der
Bürgermeister das versprochen hat. Hapag-Lloyd zahlt nicht mal Dividende.
Wir haben immer gesagt, dass das ein wenig dauern kann. Wir hätten uns alle
gewünscht, dass die Schifffahrtskrise schneller vorbei wäre. Ist sie aber
noch nicht. Wir müssen jetzt die Nerven und die Power haben, die Sache bis
zu einem guten Ende durchzuziehen.
Das ur-sozialdemokratische Prinzip Hoffnung mal wieder.
Es geht nicht nur um Hoffnung, man muss auch seine eigenen Hausaufgaben
machen. Und das haben wir.
Gibt es auch noch Hoffnung für den Fortbestand der rot-grünen Koalition bis
zur Neuwahl 2020?
Auf jeden Fall. Die Zusammenarbeit mit den Grünen im Senat und in der
Koalition ist sehr vertrauensvoll, solide und fundiert.
Und die ganze Zeit mit einem Ersten Bürgermeister Olaf Scholz?
Ja, sicher. Und er wird auch 2020 wieder Bürgermeister-Kandidat der SPD
sein.
14 Aug 2016
## AUTOREN
Sven-Michael Veit
## TAGS
SPD Hamburg
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