| # taz.de -- Berlins Bäder: „Wir sind besser als unser Ruf“ | |
| > Seit April leitet Andreas Scholz-Fleischmann die Berliner Bäder-Betriebe. | |
| > Anders als sein Vorgänger plant er keine Schließungen und | |
| > Preiserhöhungen, statt dessen neue Bäder. | |
| Bild: Das Kinderbecken im Prinzenbad in Berlin-Kreuzberg | |
| Das Gespräch findet in einem Aufenthaltsraum im Neuköllner Columbiabad | |
| statt. Es ist Anfang August. Dunkle Wolken hängen am Himmel. Ab und zu | |
| regnet es. Das Freibad ist nahezu leer. | |
| taz: Herr Scholz-Fleischmann, sind Sie zufrieden mit dem Sommer? | |
| Andreas Scholz-Fleischmann: Ehrlich gesagt, ist mir das Wetter ein bisschen | |
| zu durchwachsen. Aber wir hatten auch schon gute Sommertage mit Tausenden | |
| Besuchern. | |
| Das gute Ergebnis vom Vorjahr werden Sie kaum toppen, wenn das so | |
| weitergeht. | |
| Im Moment sieht das nicht so aus. Die Beschäftigten in den Bädern sagen, | |
| der Berliner braucht zwei, drei Tage schönes Wetter. 25 Grad reichen, aber | |
| die Sonne muss scheinen, dann kommen die Leute. Aber wir haben ja noch ein | |
| paar Wochen Sommersaison vor uns. | |
| Wie viele Polizeieinsätze gab es bislang in den Freibädern? | |
| Null. Auch keine Badräumung. Einmal, als es zu voll war, hatten wir im | |
| Prinzenbad in Kreuzberg für zwei Stunden die Kasse zu. | |
| Sehr zum Ärger der Inhaber von Saisonkarten. Die sind auch nicht | |
| reingekommen. | |
| Nachvollziehbar. Aber wir sind für die Sicherheit verantwortlich. Wenn es | |
| zu voll ist, wird die Lage unübersichtlich. Da hilft einem die Security | |
| auch nicht mehr. Man sieht dann einfach nicht, wenn jemand im Wasser | |
| Probleme hat. | |
| Seit Mitte April sind Sie Chef der Bäder-Betriebe. Brauchten Sie noch ein | |
| Häkchen in Ihrem Lebenslauf, oder warum tun Sie sich das an? | |
| Wem sollte ich das Häkchen zeigen? Ich bin jetzt 63. Nein. Mich hat die | |
| Aufgabe gereizt. | |
| Was konkret? | |
| Ein kommunales Unternehmen zu leiten, das offenbar auf einem etwas | |
| holprigen Weg ist. | |
| Ihr Vorgänger, Ole Bested Hensing, hat nach zwei Jahren hingeworfen. Er war | |
| sehr ambitioniert und wurde von der Politik ausgebremst. | |
| Dazu kann ich nichts sagen. Ich habe mich beworben, weil ich glaube, dass | |
| ich meine Erfahrung aus der Berliner Stadtreinigung bei den BBB gut | |
| einbringen kann. | |
| Sie waren zehn Jahre Personalvorstand bei der BSR. Wer Müll kann, kann auch | |
| Baden? | |
| Genau. Das sind alles kommunale Dienstleistungen, egal ob man Bus fährt, | |
| ein Schwimmbad anbietet, oder eine Müllabfuhr betreibt. Ich weiß, wie ein | |
| kommunales Unternehmen tickt, vor allem, wie es in Berlin tickt. | |
| Was ist das Spezielle? | |
| Berlin nimmt großen politischen Einfluss auf seine Unternehmen. | |
| Aufsichtsrat und das Parlament mischen gerne mit. Das ist in anderen | |
| Großstädten nicht unbedingt so. Die Anforderungen, die aus der Politik | |
| kommen, sind natürlich zu berücksichtigen. Wir haben hier ja | |
| Daseinsvorsorge zu leisten. | |
| Reden wir Klartext: Ihr Vorgänger wollte alte Bäder schließen und dafür | |
| neue bauen. Wollen Sie auch Bäder zumachen? | |
| Nein. Wir haben vom Land Berlin den klaren Auftrag, keine Bäder zu | |
| schließen. Im Gegenteil: Wir bauen zwei Bäder neu. | |
| In Pankow und Mariendorf soll jeweils ein Kombibad entstehen. Wie ist der | |
| Stand? | |
| Die Aufträge für die Gutachten sind bereits vergeben. Wir möchten das mit | |
| einem Generalunternehmer machen, die Ausschreibung wird im Spätherbst | |
| erfolgen. Ab Ende 2018 müsste es eigentlich mit dem Bauen losgehen. | |
| Auch die Eintrittspreise hatte Bested Hensing erhöht. Werden Sie an dem | |
| Tarifsystem rühren? | |
| Eine weitere Anhebung der Preise sehe ich erst mal nicht. Die | |
| wirtschaftlich bessere Lage Berlins ermöglicht es, dass wir mehr Zuschuss | |
| erhalten. Die Preisstruktur selbst müssen wir uns aber noch mal angucken. | |
| Die vielen unterschiedlichen Tarife, die zu unterschiedlichen Zeiten | |
| gelten, sind auf den ersten Blick ja sehr verwirrend. Anfang 2017 werden | |
| wir evaluieren, ob sich das nicht vereinfachen lässt. | |
| Viele Schwimmer wären froh, wenn ein oder zwei Freibäder bis Ende September | |
| offen blieben. Wie stehen Sie dazu? | |
| Wir können unsere Mitarbeiter nicht gleichzeitig in den Hallen- und in den | |
| Freibädern einsetzen. Aber wir wollen die Öffnungszeiten in den Bädern im | |
| nächsten Sommer etwas vorziehen. | |
| Das heißt, Mitte April wird aufgemacht? | |
| Das ist nun wieder sehr früh. Wir müssen schon das mitteleuropäische Wetter | |
| berücksichtigen. Sie sehen ja, wie es jetzt im August auch sein kann. | |
| Gerade regnet es wieder. | |
| Regen ist zum Schwimmen das beste Wetter. | |
| Aber nicht für alle, wie Sie sehen. | |
| In dem 22 Grad warmen Sportbecken ziehen gerade mal drei Herren ihre | |
| Bahnen. | |
| Im September kann es auch schon sehr frisch sein. Dann macht es keinen | |
| Sinn, das Bad offen zu halten. Umso mehr gilt: Wir müssen flexibler werden. | |
| Dazu brauchen wir Regelungen mit unserem Personalrat, die das möglich | |
| machen. | |
| Worauf wollen Sie hinaus? | |
| Unser Ziel ist, Bäder, die regional beieinanderliegen, als Einheit zu | |
| begreifen und die Kollegen auf dieser Bäderinsel auch mal rotieren zu | |
| lassen. Damit sie dann, wenn Not an Mann ist, die Technik und die Kollegen | |
| kennen und aushelfen können. | |
| So was sollte eigentlich selbstverständlich sein. | |
| Ist es aber nicht. Für die Bäder-Betriebe wäre das ein Kulturwandel. | |
| Beschäftigte, die 20 Jahre in einem Bad gearbeitet haben, identifizieren | |
| sich sehr stark mit ihrem Bad. | |
| Im Prinzenbad haben Teile der Belegschaft mal die Arbeit boykottiert, weil | |
| ihnen Bested Hensings Politik nicht passte. | |
| Dazu kann ich nichts sagen. Wenn man jahrelang im selben Bad arbeitet, kann | |
| das zu Seilschaften führen und dazu, dass man sich abschottet. Die positive | |
| Seite ist, dass Leute, die lange in einem Bad gearbeitet haben, sich dafür | |
| sehr verantwortlich fühlen. | |
| Wie führen Sie die 750 Beschäftigten der Bäder-Betriebe? | |
| Mein Führungsstil ist ein integrativer. Dazu gehört, den Beschäftigen | |
| zuzuhören und sie bei Entscheidungen mitzunehmen. Wenn sie Dienst nach | |
| Vorschrift machen, werden wir nicht viel bewegen können. | |
| Securitys in den Freibädern sind mittlerweile Standard. Wozu braucht man | |
| die noch, wenn alles so friedlich ist? | |
| Das hat ja auch eine Abschreckungswirkung. Wir wollen nicht, dass Leute | |
| Messer und Ähnliches mit ins Bad nehmen. Deshalb gibt es an heißen Tagen | |
| Taschenkontrollen. | |
| Viele Flüchtlinge können nicht schwimmen, gab es da Vorfälle? | |
| In den arabischen Ländern lernt man das nicht wie bei uns in der dritten | |
| Klasse in der Schule. Verschärfend kommt hinzu: Die Flüchtlinge wissen | |
| nicht, dass sie nicht schwimmen können. | |
| Wie meinen Sie das? | |
| Sie wissen nicht, dass man schwimmen lernen muss. Sie sehen, dass Kinder | |
| vom Brett springen, und springen hinterher. Und kommen nicht wieder hoch. | |
| Sie sehen die Fliesen am Beckenboden und denken, das kann ja nicht tief | |
| sein. Unsere Beschäftigten haben schon den einen oder anderen aus dem | |
| Wasser gezogen. | |
| Warum bieten die BBB keine Schwimmkurse für Flüchtlinge an? | |
| Machen wir doch. Es gibt diese von Sponsoren geförderte Initiative: | |
| Schwimmen für alle. Sie richtet sich generell an Kinder und Jugendliche, | |
| die aus Verhältnissen kommen, wo sie das nicht bezahlen können. Auch die | |
| Krankenkasse BKKVBU bezahlt 50 Flüchtlingskindern den Schwimmunterricht. Es | |
| ist nicht ganz einfach die Kurse zusammenzubringen – sowohl was die Kinder | |
| als auch die Betreuer angeht. Die Nachfrage ist nicht so groß. | |
| Die BBB haben ein Praktikantenprojekt für Flüchtlinge gestartet. Was hat es | |
| damit auf sich? | |
| Zurzeit haben wir drei Praktikanten: zwei Jungs und eine junge Frau. Es | |
| gibt noch einen vierten Bewerber. In den Schulferien können sie bei uns den | |
| Rettungsschwimmer machen. Gleichzeitig laufen sie mit den Bademeistern mit | |
| und dolmetschen bei Verständigungsproblemen. Eingangsvoraussetzung für das | |
| Praktikum ist, schwimmen zu können. Die Quote unter den Geflüchteten ist | |
| aber unheimlich gering. | |
| Bested Hensing und dessen Vorgänger Klaus Lipinsky hatten mit Schwimmen | |
| nichts am Hut. Wie ist das bei Ihnen? | |
| Ich gehe ins Sportstudio, da gibt es auch ein Schwimmbecken. Das ist | |
| allerdings mehr kontemplatives Schwimmen. Im Urlaub bin ich aber jeden Tag | |
| im Wasser. | |
| Die BSR führt seit Jahren eine erfolgreiche Imagekampagne durch. Slogans | |
| wie „We kehr for you“ oder „Lola trennt“ kennt jeder. Planen Sie das au… | |
| bei BBB? | |
| Das fände ich sehr schön. Wir Bäder-Betriebe sind besser als unser Ansehen. | |
| Gibt es schon einen Spruch? | |
| Noch nicht. Als Unternehmen sind wir aber in einer ganz anderen Situation | |
| als die BSR. Nichts ist schlimmer als eine hippe Kampagne, die man nach | |
| innen nicht einlösen kann. Wir werden etwas machen, aber wir werden nicht | |
| so auf den Putz hauen wie die BSR. Die Farbe Blau als | |
| Identifikationsmerkmal … | |
| … statt Orange wie bei der BSR… | |
| … ist zumindest schon mal gesetzt. | |
| 14 Aug 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Plutonia Plarre | |
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