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# taz.de -- Puritanismus im Columbiabad: „Kulturkampf“ um Kleinkind-Popos
> Eine Mitarbeiterin von „Cool am Pool“ verbietet einem Dreijährigen nackt
> auf dem Spielplatz des Sommerbads zu spielen. Die Autorin fragt nach,
> warum.
Bild: Laut Bäder-Sprecher nicht für Bekleidungsfragen zuständig: Junge Mitar…
Neulich nachmittags im Columbiabad Neukölln: Im Planschbecken ist kein
Quadratzentimeter Wasser mehr frei. Babys, Kleinkinder, übergewichtige
Teenies und Eltern liegen wie die sprichwörtlichen Sardinen in der
pisswarmen Brühe – was nicht einmal meinem 5-Jährigen Spaß macht, der
ansonsten stundenlang mit der neuen Taucherbrille in der Wanne liegt. Umso
froher bin ich, als er mit seinen FreundInnen Richtung Spielplatz abdampft.
Dort werden sie schnell Teil einer Gruppe von Kindergartenkindern, die
unermüdlich ein altes Eisenkarussell in Schwung bringen, in voller Fahrt
ab- und wieder aufspringen und ihre kleinen Körper auf alle sonst noch
erdenklichen Weisen der Fliehkraft aussetzen.
Da kommen drei junge Erwachsene angeschlendert, sie tragen blaue T-Shirts
mit der Aufschrift „Bleib cool am Pool“ – als informierte Lokaljournalist…
weiß ich, dass dies ein Jugendprojekt zur Gewaltprävention in Sommerbädern
ist. Eine von ihnen, offensichtlich die Anführerin, stoppt das Karussell
und sagt zu einem vielleicht dreijährigen Steppke, der vor Vergnügen
quietschend seinen nackten Popo auf den Sitz presst: „Du gehst dir jetzt
erst mal ne Badehose anziehen.“
Eine andere Kita-Mutter und ich, die das Treiben bis dahin still vergnügt
beaufsichtigt haben, schauen uns an. Was soll das denn, fragen unsere
Blicke. Ich spreche die Cool-am-Pool-Frau an: „Wieso darf das Kind nicht
nackt auf dem Spielplatz sein? Wen stört denn das?“ Die Antwort kommt wie
aus der Pistole geschossen: „Arabische Familien.“ Und als ob sie selber
merkt, dass die Antwort uns nicht zufrieden stellt, setzt sie nach:
Außerdem gebe es hier Spanner, erst vorhin habe sie einen beim Onanieren
auf der Wiese erwischt und hinausgeworfen.
## Sind nackte Kinder „eklig“?
Das Argument habe ich schon öfter gehört. Auf dem Spielplatz in der
Rütlistraße zum Beispiel kam mal eine Kopftuch-Mutter zu unserer
Elterngruppe, weil eins unserer Kinder nackt auf der Rutsche saß. Das sei
„eklig“, fand sie. Als wir erwiderten, das fänden wir gar nicht, erklärte
sie beleidigt: „Ich mein ja nur. Es gibt hier oft Männer, die im Gebüsch
sitzen und gucken.“
Neu ist mir der kleine „Kulturkampf“ zwischen libertär gesinnten
Herkunftsdeutschen und konservativ-religiösen Migrationshintergründlern
also nicht. Aber hat der Puritanismus mancher MitbürgerInnen jetzt auf die
offizielle Politik der Berliner Bäder Betriebe durchgeschlagen?
Ein Anruf bei deren Sprecher Matthias Oloew: „Eltern können selbst
entscheiden, was sie ihren Kindern anziehen“, sagt er. Im Pool sei
Badebekleidung zwar Pflicht, nicht aber auf Wiese und Spielplatz. „Wenn
sich da Leute gestört fühlen: so what?“
Erleichtert stelle ich fest, dass wir uns einig sind: Sollen sie doch
weggucken, die Spießer.
23 Aug 2017
## AUTOREN
Susanne Memarnia
## TAGS
Berlin-Neukölln
Nacktheit
Kulturkampf
Schwerpunkt Rassismus
Baby
Kinderbetreuung
Religion
Burkini
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