# taz.de -- Streit um Theatersanierung: Disneyland in Frankfurt am Main | |
> Die Zukunft des städtischen Opern- und Schauspielhauses ist umstritten. | |
> Das „Altstadtforum“ will eine historisierende Rekonstruktion. | |
Bild: Frankfurts verglaster „Bauchnabel“: das Opern- und Schauspielhaus | |
FRANKFURT taz | Mitten in den Theaterferien gibt die Freie und Reichsstadt | |
Frankfurt am Main ein Stück aus dem Tollhaus. Es geht um die wichtigste | |
kulturelle Institution der Mainmetropole, die 1963 eröffnete „Doppelanlage“ | |
von Schauspiel und Oper am Willy-Brandt-Platz. Hier hatte Brecht im Westen | |
Premiere, die Oper sammelt Jahr um Jahr Auszeichnungen. Doch wie es mit dem | |
Prestigebau weitergeht, ist unklar: Von Sanierung bis Abriss und | |
Verlagerung der drei Bühnen und rund 1.000 MitarbeiterInnen scheint alles | |
möglich. | |
Der Sanierungsbedarf ist offenkundig. „Wenn es draußen regnet, bauen wir | |
hier drin Wassereimer auf“, sagt Opernintendant Bernd Loebe. Die | |
Klimaanlagen arbeiten nicht richtig, Wasserrohrbrüche sind an der | |
Tagesordnung. Ein Gutachten über den Sanierungsbedarf wird zwar erst zum | |
Jahresende vorliegen. Dennoch diskutiert die Szene seit Wochen die Zukunft | |
von Oper und Schauspiel. Ein Investor sprach sich für einen neuen Standort | |
aus. Das Areal zwischen Main und Anlagenring gilt als Sahnestück. | |
„Diese Seele auszurupfen, wäre Barbarei“, schimpft vorsorglich | |
Schauspielintendant Oliver Reese, solche Überlegungen seien „ein Schlag ins | |
Gesicht“, skandiert der Opernintendant. Jetzt hat sich auch noch das | |
„Altstadtforum“ zu Wort gemeldet, eine Gruppe einflussreicher Bürger. Sie | |
empfehlen den Abriss des bestehenden Gebäudes und die Rekonstruktion des | |
Theaterbaus von 1902 an gleicher Stelle: außen Kuppel und verspielte | |
Jugendstilfassaden, innen Stuck und Kristalllüster. | |
Ihr Sprecher, Marketingmann Jürgen Aha, will die Bühnen aus dem „von der | |
Bevölkerung ungeliebten Stahlkasten im Stil schlimmster DDR-Architektur | |
befreien“. Es ist jedoch allen klar: Es geht auch darum, eine neue | |
lukrative Touristenattraktion zu schaffen. Historisierende Rekonstruktionen | |
haben in Frankfurt Konjunktur: Die Ruine der klassizistischen Alten Oper | |
wurde wieder neu aufgebaut. Und hinter dem Rathausplatz entstehen nach | |
alten Grundrissen zwischen Römer und Dom 35 Gebäude, davon 15 in altem | |
Gewand. 200 Millionen Euro lässt sich die Stadt das kosten. | |
## Bauchnabel der Stadt | |
Mit jahrhundertealten geschnitzten Eichenstämmen und Sandsteinfronten und | |
-simsen entstehen die ehemals stolzen Bürgerhäuser, „die goldene Waage“, | |
das „Haus Nürnberg“ und das Wohnhaus von Goethes Tante Johanna Melber neu. | |
Die fast fünf Meter hohen gotischen Eichenportale des Kontors im | |
Erdgeschoss dieses Hauses sind schon jetzt eine Attraktion bei den | |
Baustellenführungen. Jürgen Aha schwärmt von dem neuen alten „Bauchnabel | |
der Stadt“. | |
Das Altstadtforum hatte das historisierende Konzept durchgesetzt – gegen | |
den Sieger des Architektenwettbewerbs und große Teile der Stadtpolitik. | |
Nicht alle Kritiker haben sich inzwischen mit dem Projekt angefreundet. | |
Ernst Ulrich Scheffler ein, Fachmann für Baurekonstruktionen, kritisiert | |
die Spekulation der Tourismusindustrie: „Wir sollten nicht für fernöstliche | |
Reisende, sondern für die Bürger der Stadt bauen“, sagt er. | |
Trotz solcher Stimmen hofft das Altstadtforum, auch bei Oper und Schauspiel | |
eine Rekonstruktion durchsetzen zu können. Die Intendanten sprechen sich | |
für das bestehende Gebäude aus – sofern überhaupt eine Sanierung möglich | |
ist. Die Planer hätten damals einen bewussten Gegensatz zu der protzigen | |
Architektur des Dritten Reiches setzen wollen. Die transparente, mehr als | |
100 Meter lange Glasfassade sei ein Symbol für die Öffnung der Kultur zur | |
Stadt hin. | |
Führende PolitikerInnen von CDU, SPD und Grünen formulieren sowohl | |
Sympathien für den Standort als auch für das bestehende Gebäude. Vielleicht | |
kommt ja noch das „Comoedienhaus“ ins Spiel: 1782 erbaut, dürfte es | |
Dichterfürst Goethe persönlich beehrt haben – während seiner Besuche bei | |
Tante Melber. | |
10 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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