| # taz.de -- Schlossbau in Potsdam: Das Haus zum weißen Adler | |
| > Mit dem neuen Landtag bekommt Potsdam gleich zwei Häuser: eine | |
| > Schlosskopie und ein supermodernes Parlamentsgebäude. Am Samstag wird | |
| > eröffnet. | |
| Bild: Außen spiegelt sich die alte Pracht, und innen gibt sich das neue Landta… | |
| Potsdam hat sein Stadtschloss wieder. Sein barockes Stadtschloss am Alten | |
| Markt Num- mer 1, das 1960 abgerissen worden war und um dessen | |
| Rekonstruktion ab 1991 so heftig gestritten wurde? Wohl kaum. Wenn jetzt am | |
| Wochenende erst die Bevölkerung beim Tag der offenen Tür und am kommenden | |
| Dienstag mit einem Festakt die Abgeordneten den neuen Brandenburger Landtag | |
| in Beschlag nehmen, eröffnen diese gleich zwei neue Häuser – die alles, nur | |
| kein Schloss sind. | |
| Und damit nur keiner auf andere Ideen kommt, prangt in großen Lettern „Ceci | |
| n’est pas un château“ an der Fassade: „Dies ist kein Schloss“. Die | |
| Potsdamer Künstlerin Annette Paul hat den Schriftzug entworfen und zitiert | |
| damit das berühmte Bild von der „Nicht“-Pfeife des Malers René Magritte, … | |
| jetzt in Potsdam unsere Sehgewohnheiten an der Nase herumzuführen. | |
| Sicher, das neue „Landtagsschloss“, wie die Potsdamer ihr zwitterhaftes | |
| Bauwerk nennen, erscheint äußerlich als eine Kopie des Barockbaus aus dem | |
| Jahr 1748 von Knobelsdorff, ist aber ein Mix aus originalen Teilen, | |
| historisierender Architektur und deren zum Teil spaßigen Brechung. Doch | |
| weit mehr bekommt Potsdam ein supermodernes, schnittig gestaltetes und | |
| funktionales Parlamentsgebäude, das im Innern radikal mit den baulichen | |
| Pathosformeln des Schlossbaus bricht. Vom Alten Fritz oder dem berüchtigten | |
| „Geist von Potsdam“ fehlt hier drinnen jede Spur: Ceci n’est pas un | |
| château! | |
| Angesichts des großen Streits an der Havel, welche Architektursprache – | |
| modern oder historisierend – einem heutigen Parlament angemessen ist, | |
| erscheint der neue Landtag auf den ersten Blick zudem recht unspektakulär, | |
| ja klein. Wer vom Potsdamer Hauptbahnhof hinunter in die Stadt geht, | |
| begegnet einem Gebäude mit der Figur eines bürgerlichen Palais, nicht einem | |
| Stadtschloss. | |
| Drei Stockwerke hoch ist das nur 21 Meter hohe Bauwerk mit einem hellen | |
| Sandsteinsockel und zwei in Altrosa gestrichenen und mit Pilastern | |
| verzierten Geschossen darüber. Drei Flügel mit 94 mal 123 Meter Länge | |
| rahmen u-förmig den Innenhof, aus dem im Süden der breite Mittelbau für den | |
| Plenarsaal und im Norden das „Fortunaportal“, zugleich Eingang zum | |
| Brandenburger Landtag, herausragen. | |
| Die nicht eben üppige Dimension des 120 Millionen Euro teuren Gebäudes mit | |
| knapp 20.000 Quadratmeter Rauminhalt verliert zudem in der direkten | |
| Konkurrenz, ist doch das neue Landtagsschloss heutzutage zwischen der | |
| wuchtigen Nikolaikirche, der Breitestraße und dem Mercure-Hotelhochhaus | |
| eingeklemmt. Spätesten hier stellt sich die Frage, ob die vielen Potsdamer | |
| Preußen- und Schlossfans, darunter die Millionenmäzene Günther Jauch und | |
| Hasso Plattner, ihrer Stadt mit der Entscheidung für den Wiederaufbau 2006 | |
| städtebaulich wirklich einen Gefallen getan haben. Bauliche Symbole der | |
| Demokratie als Bauherr sehen heute anders aus. | |
| Man merkt dem Architekten Peter Kulka – der den gläsernen Landtag in | |
| Dresden geplant hat – auch sichtlich an, dass er lieber durch das Gebäude | |
| führt als drumherum, trägt doch das „neue Innenleben, der Kontrast“ des | |
| Landtags seine moderne Handschrift. Kulka hat, um den Plenarsaal, die rund | |
| 300 Büros und Fraktionsräume, eine Bibliothek und gastronomischen | |
| Einrichtungen unterzubringen, den einstigen Schlossgrundriss und die | |
| Ausgestaltung völlig verändert. Zudem wurden die drei Hauptflügel, um das | |
| Volumen für den Landtagsneubau zu erweitern, verbreitert und ein viertes | |
| Geschoss unter dem Dach eingebaut. | |
| Wer vom Innenhof kommend das Haus betritt, steht bereits in dem | |
| Kulka-Statement. Das einstige zentrale Knobelsdorff-Treppenhaus „bildet | |
| jetzt die Grenze zwischen der alten historischen und neuen sachlichen Welt | |
| eines Plenargebäudes“, wie der Architekt sagt. Denn nicht gusseisern oder | |
| barock, sondern mit einer schnittigen modernen Treppenhalle in schlichtem | |
| Weiß und hellem Marmor geht es in zwei Schwingen hinauf zur Plenarebene im | |
| ersten Stock. | |
| Hinter dem Foyer tut sich der lichte Plenarsaal für 88 Abgeordnete auf, den | |
| Kulka im einstigen Marmorsaal untergebracht hat. Durch die Lichtkuppel | |
| strömt Tageslicht ins weiße Halbrund und auf die drei Zuschauertribünen in | |
| der Höhe. Der Adler ist ebenfalls weiß – „wie eine Zeichnung“ – und s… | |
| für Ärger unter den Fans des sonst roten Märkischen Adlers, dem Wappentier | |
| Brandenburgs, im Parlament. | |
| Der Minimalismus aus Weiß, sachlicher Architektursprache und hier und da | |
| einem roten Teppich setzt sich in den drei Geschossen der beiden | |
| Seitenflügel fort, wo aufgereiht die Büros und in den Eck- sowie | |
| Stirnseiten die großen Fraktions- und Ausschussräume untergebracht sind. | |
| Mehr Landtagsschloss ist nicht. Nur einmal hat sich Kulka richtig | |
| ausgetobt: Links und rechts des Plenarsaals steigen zwei offene | |
| Treppenhallen wie Himmelsleitern bis unters Dach und auf die dortige | |
| Terrasse. Es kann einem schwindelig werden. Mies van der Rohe und die | |
| klassische Moderne lassen grüßen. | |
| Dass Potsdam nun sein Schloss, pardon, kein Schloss hat, bedeutet nicht, | |
| dass darüber nicht mehr gestritten wird. Weil im Foyer des Gebäudes über | |
| hundert Porträts des Künstlers Lutz Friedel aufgehängt wurden, die in | |
| verfremdeter Form historische Persönlichkeiten zeigen, darunter auch | |
| Bösewichter wie Hitler und Stalin, gibt es wieder Zank. Weg damit, sagen | |
| die einen, darunter sogar Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Das | |
| bleibt, sagt Landtagsvizepräsidentin Gerrit Große. Das nennt man doch | |
| Potsdamer Traditionspflege. | |
| 18 Jan 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Rolf Lautenschläger | |
| ## TAGS | |
| Architektur | |
| Potsdam | |
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