Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Olympiastützpunkt wurde kaputt gespart: Multipler Dachschaden
> Die Trainingsstätten auf dem Sportgelände Luftschiffhafen in Potsdam sind
> marode. Der Status als Olympiastützpunkt steht auf dem Spiel.
Bild: Am Luftschiffhafen geht es schon lange nicht mehr pompös zu.
Gesperrte Hallen, Millionenkosten, Massenaustritte aus Vereinen und eine
Dezernentin, der vom Oberbürgermeister der Urlaub gestrichen wird –
Potsdams Sportwelt steht derzeit kopf. Sogar der Verlust des
prestigeträchtigen Olympiastützpunkts steht im Raum. Ursache der ganzen
Aufregung sind die maroden Dächer einer Leichtathletik- und einer
Schwimmhalle auf dem Sportgelände Luftschiffhafen in Potsdam-West.
Wo zu Kaisers Zeiten Zeppeline gebaut wurden, war in der DDR eine der
zentralen Kaderschmieden des Sports beheimatet – heute ist dort die
Eliteschule des Sports Friedrich-Ludwig Jahn und ein Olympiastützpunkt für
Leichtathletik, Schwimmen, Rudern, Ringen und den Kanusport.
Potsdam ist einer von bundesweit 19 Olympiastützpunkten, die vom für Sport
zuständigen Bundesinnenministerium und den jeweiligen Ländern gefördert
werden. Um die Förderung zu erhalten, müssen die kommunalen Träger die
Trainingsstätten bereitstellen. Doch damit hat die brandenburgische
Landeshauptstadt gerade ein Problem.
Anfang Dezember waren die Leichtathletik- und die Schwimmhalle wegen
Einsturzgefahr gesperrt worden. Hunderte Sportler verloren über Nacht ihre
Trainingsstätten. Ein Gutachter hatte die Verantwortung für die Sicherheit
der Dächer nicht mehr übernehmen wollen. An beiden vor erst gut zehn Jahren
sanierten Hallen waren bei einer Untersuchung korrodierte Tragseile
entdeckt worden.
## Pfusch am Bau
Doch das war nur der Anfang: Bei der Sanierung der Leichtathletikhalle war
das neue Dach einfach auf das alte gebaut worden, wie der Chef der
kommunalen Bauaufsicht, Markus Beck, nach der Sperrung gestand: „So etwas
habe ich noch nie gesehen.“ Dämmmaterial aus den 1970er Jahren verbirgt
sich noch heute unter der neueren Dachpappe. Deshalb ist das Dach der Halle
mit der 200-Meter-Laufbahn viel schwerer als genehmigt.
Wie es genau zu diesem Pfusch gekommen ist, soll seit Dezember unter
anderem das Rechnungsprüfamt herausfinden. Die Behörde tat sich anfangs
schwer, denn wichtige Unterlagen waren zunächst nicht zu finden: die
entscheidenden Personen sind nicht mehr im Amt und seit der Sanierung hat
zudem der Hallenbetreiber gewechselt. Statt von der Stadt selbst wird das
Sportgelände von einer Tochterfirma des kommunalen Wohnungsunternehmens
bewirtschaftet.
## Teure Sparsamkeit
Inzwischen ist jedoch klar, dass die Kosten aus dem Ruder zu laufen drohten
und das Bauunternehmen die alte Dachisolierung mit Zustimmung der
Verwaltung überbaute, um eine viertel Million Euro einzusparen. Insgesamt
11,2 Millionen Euro kostete die zu 80 Prozent von Land und Bund geförderte
Sanierung. Mehrkosten hätte die Stadt allein tragen müssen. Wer den Auftrag
gegeben hat, ist weiterhin unklar.
Die Sparsamkeit von einst könnte nun teuer werden: Mindestens fünf
Millionen Euro muss die Stadt lockermachen, wenn die Hallen in diesem Jahr
wieder öffnen sollen. Ein Dringlichkeitsantrag der Verwaltung wurde Ende
Januar von den Stadtverordneten beschlossen.
Leisten kann sich die eigentlich klamme Stadtkasse die Millionenausgaben
nur mit einem Trick: Weil die ersten Mängel an den Hallen bereits 2012
auftauchten, kann Kämmerer Burkhard Exner (SPD) dafür Rücklagen aus jenem
Jahr verwenden, das zufällig mit einem Überschuss von zehn Millionen Euro
abgeschlossen wurde. Für das laufende Jahr wären Mehrausgaben kaum möglich,
weil eine Haushaltssperre gilt.
Einstweilen weichen die Spitzenathleten nun zu anderen Stützpunkten aus.
Außerdem hat die Stadt mehrere Bahnen in der öffentlichen Schwimmhalle in
der Innenstadt für den Spitzensport reservieren lassen. Dort wird es nun
wiederum eng für die Freizeitsportler.
Doch auch die Sportvereine leiden unter der Situation. „Durch die nun
fehlenden Übungsmöglichkeiten und Trainingsstätten werden wohl mindestens
80 Prozent der Sportler den Verein verlassen“, sagt etwa Peter Rieger,
Geschäftsführer des SC Potsdam. Vor allem Breitensportler aus der
Leichtathletik- und Schwimmsektion sowie Behindertensportler des größten
Brandenburger Sportvereins hätten ihren Austritt erklärt, weil sie für ihre
Mitgliedsbeiträge seit Wochen keine Gegenleistung mehr erhielten.
Mächtig unter Druck steht auch die Beigeordnete für Kultur und Sport.
Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) strich seiner Spitzenbeamtin Iris Jana
Magdowski (CDU) sogar den Urlaub, damit sie die Nutzung der Sportstätten
koordiniert. Das für den Spitzensport zuständige Bundesinnenministerium
sieht das Training der Topathleten massiv beeinträchtigt. Sollten die
Hallen dauerhaft ausfallen, drohen Konsequenzen – der Status
Olympiastützpunkt könnte Potsdam dann entzogen werden.
Abgewendet ist immerhin die Streichung von 390.000 Euro Landesfördermitteln
für den Betrieb der Sporthallen. Da die Stadt erhebliche Mittel einsetze,
um die Hallen wieder nutzbar zu machen, werde vorerst weiter gezahlt, so
ein Sprecher des Landessportministeriums.
10 Feb 2014
## AUTOREN
Marco Zschieck
## TAGS
Potsdam
Schwerpunkt Sport trotz Corona
Vereine
## ARTIKEL ZUM THEMA
FREIES UFER: Der Weg ist das Ziel
Potsdam versucht, den Streit um den Griebnitzsee-Uferweg per Mediation zu
lösen. Sonst droht Enteignung, warnen die Stadtoberen. Die Villenbesitzer
lässt das kalt.
Potsdamer Nazis: Hakenkreuze im Stadtbild
Die NPD besitzt in Potsdam keine Struktur. Im Wahljahr könnte sie ihre
Aktivitäten aber verstärken.
Schlossbau in Potsdam: Das Haus zum weißen Adler
Mit dem neuen Landtag bekommt Potsdam gleich zwei Häuser: eine Schlosskopie
und ein supermodernes Parlamentsgebäude. Am Samstag wird eröffnet.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.