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# taz.de -- Potsdamer Nazis: Hakenkreuze im Stadtbild
> Die NPD besitzt in Potsdam keine Struktur. Im Wahljahr könnte sie ihre
> Aktivitäten aber verstärken.
Bild: Bei den Motiven, die derzeit in Potsdam auftauchen, fehlt leider der rote…
Schmieren statt marschieren: Weil sich rechtsextremen Aufmärschen in
Potsdam meist Gegendemonstranten in den Weg stellen, versuchten die
Neonazis in den vergangenen Monaten, mit Propagandaaktionen auf sich
aufmerksam zu machen. Bekannt geworden sind seit dem Herbst vier Fälle: Der
Staatsschutz ermittelt jeweils wegen des Verwendens verfassungsfeindlicher
Symbole und in einem Fall wegen Wahlbehinderung. Einen Zusammenhang
zwischen den Taten schließt die Behörde nicht aus. Ergebnisse gibt es aber
noch nicht.
Los ging es im September mit einer massiven Propagandaaktion in der Nacht
vor der Bundestagswahl. Dabei wurden die Eingangstür eines Wahllokals im
Plattenbauviertel Drewitz mit einer Stahlkette und ein weiterer Zugang mit
Kabelbindern blockiert. Die Sperren vor dem Wahllokal konnten rechtzeitig
entfernt werden. So sei es zu keiner Störung der Wahl gekommen, so die
Polizei. Ermittelt werde wegen des Verdachts der Wahlbehinderung. Für die
Straftat kann es bis zu fünf Jahre Haft geben.
In der gleichen Nacht wurde vor einem Wahllokal im Stadtteil Schlaatz ein
Schriftzug auf den Gehweg gesprüht: „Wahlen ändern nichts, sonst wären sie
verboten“. Dazu kam die Adresse der Neonazi-Internetseite „Licht und
Schatten“. Dort waren Fotos aus der Vorwahlnacht zu sehen mit Transparenten
für „nationalen Sozialismus“, die vor Wahllokalen aufgehängt waren. Derze…
werde ermittelt, ob der mutmaßliche Betreiber der Internetseite mit den
Taten in Verbindung zu bringen ist, so ein Polizeisprecher.
Etwa eine Woche später wurden vor dem Standort eines geplanten
Flüchtlingsheims Hakenkreuze auf den Gehweg gesprüht. Auf dem Grundstück
soll ab 2016 ein Neubau entstehen, in dem Potsdamer und Flüchtlinge
zusammenleben sollen. Die weiteren Ermittlungen liegen inzwischen bei der
Staatsanwaltschaft. Einen Tatverdächtigen gibt es nach Polizeiangaben noch
nicht.
Wenige Wochen später wurden Autofahrer, die in die Potsdamer Innenstadt
fuhren, am frisch errichteten Landtagsschloss mit einem 1,80 Meter mal 1,40
Meter großen Hakenkreuzbanner begrüßt. Vorbeifahrende Autofahrer riefen
gegen 22 Uhr die Polizei. Unter dem Hakenkreuz habe die Losung „Die Welt
soll sehen“ gestanden. Hier stehe das Ergebnis der kriminaltechnischen
Untersuchung noch aus, sagte ein Polizeisprecher. Das gilt auch für einen
ähnlichen Vorfall vom 11. November: An einer Brücke am S-Bahnhof in
Babelsberg hatten Passanten ein 0,70 Meter mal 1,40 Meter großes Laken mit
einem Hakenkreuz entdeckt und der Polizei gemeldet.
In der zweiten Jahreshälfte 2013 seien besonders Aktionen der
Rechtsextremisten im Umfeld der Bundestagswahl zu nennen, teilt der
Verfassungsschutz auf Anfrage mit. Die rechtsextremistische Szene in
Potsdam umfasse etwa 100 Mitglieder, von denen bis zu 35 gewaltorientiert
seien. In der Polizeistatistik haben sich die Aktionen allerdings nicht
deutlich niedergeschlagen. Die Zahl der rechts motivierten Straftaten lag
2013 etwa auf Vorjahresniveau. Bis Ende November wurden insgesamt 46
sogenannte Propagandadelikte gezählt. Die Dunkelziffer dürfte jedoch höher
liegen, weil nicht jeder Neonazi-Aufkleber an einer Straßenlaterne
angezeigt wird.
Zu größeren Aufmärschen fehlt der rechtsextremen Szene indes das Personal.
Demonstrationen wurden zuletzt meist vom benachbarten NPD-Kreisverband
Havel/Nuthe angemeldet. In Potsdam besitzt die NPD keine Struktur. Rechten
Kundgebungen oder Wahlkampfständen steht meist eine Vielzahl an
Gegendemonstranten gegenüber. Eine Demo, zu der im September 2012 Neonazis
überregional angereist waren, kam keinen Meter voran, weil Tausende
Gegendemonstranten, organisiert vom „Bündnis Potsdam bekannt Farbe“, samt
Oberbürgermeister die Havelbrücke blockierten.
Die Aktivitäten der lokalen Neonaziszene würden maßgeblich von einem
Stützpunkt der „Jungen Nationaldemokraten“ bestimmt, so die Einschätzung
des Verfassungsschutzes. Bis zur Kommunalwahl im Mai rechnet die Behörde
mit stärkerer Aktivität. Mit ihrem letzten Stadtverordneten hatte die NPD
allerdings wenig Erfolg: Marcel Guse hatte das Mandat von einem tödlich
verunglückten DVU-Politiker übernommen und war zur NPD gewechselt. Die
schmiss ihn nach nicht mal zwei Jahren raus, weil er mit seinen radikalen
Ansichten nicht ins von der Parteispitze gewünschte biedere Image passte.
Ein Nachrücker fand sich für ihn nicht. Auch Wähler fand die NPD in Potsdam
immer seltener: Bei der Bundestagswahl 2013 blieb die Partei mit 1 Prozent
der Zweitstimmen 1,6 Prozent unter dem Landesdurchschnitt.
21 Jan 2014
## AUTOREN
Marco Zschieck
## TAGS
Rechtsextremismus
Potsdam
Flüchtlinge
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