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# taz.de -- Ressentiments gegen Flüchtlinge: Leipziger Schule
> Weil Grundschüler ein Flüchtlingsheim besuchen sollten, zog eine Mutter
> vor Gericht – und scheiterte. Eine ominöse Bürgerinitiative mischt mit.
Bild: Dieser Zaun trennt die Schulkinder von den Flüchtlingen.
LEIPZIG taz | Seit einigen Monaten teilt ein Zaun den Pausenhof. Die Kinder
der Astrid-Lindgren-Grundschule in Leipzig sollen nicht auf die andere
Seite. Denn dort leben die Flüchtlinge.
Anfang Dezember waren die ersten von 120 Asylbewerbern in das benachbarte
Gebäude einer ehemaligen Schule eingezogen. Beide Seiten teilen sich einen
Pausenhof. Die Aussicht, den Flüchlingen zu nahe zu kommen, ließ
Ressentiments sprießen: Fackelzüge, Demos der NPD und Internetkampagnen
vergifteten schnell die Atmosphäre. Die Flüchtlinge aus Mazedonien,
Afghanistan, Palästina und Georgien mussten ihr Notquartier mit
Polizeischutz beziehen. Auf Druck der Anwohner wurde schließlich ein Zaun
zwischen beiden Gebäuden hochgezogen, Eltern patrouillierten mit
Kampfhunden über den Hof.
Die Situation eskalierte, als die Schulleitung diesen Zaun überwinden,
Ängste und Klischees abbauen wollte. Alle Klassen der ersten bis vierten
Jahrgänge sollten die Flüchtlingsunterkunft besichtigen, so der Plan der
Schule. Im Internet kursierte bald ein anonymer Brief von Eltern, die davor
warnten, ihre Kinder könnten sich dort mit Tuberkulose anstecken. Gegen
„Gehirnwäsche“, „Betroffenheitspädagogik“, „fremdartigen und barbar…
Kulturen“ hetzten rechte Online-Plattformen.
Anfang Januar, erste Klassengruppen hatten das Heim bereits besucht, zog
eine Mutter dagegen vor Gericht. Ihr Sohn sollte nicht an der Veranstaltung
teilnehmen. Weil eine Entscheidung des Leipziger Verwaltungsgerichts zu der
Zeit noch auf sich warten ließ, beschloß die Schule, den Jungen vorläufig
freizustellen.
## „Stimmungsmache auf unterstem Niveau“
Eine Initiative sprang der Mutter bei: „Leipzig steht auf“ – so heißt ei…
Bewegung, die in der Vergangenheit schon mit Stimmungsmache gegen eine
Moschee in Leipzig aufgefallen war. Kinder seien ermutigt worden, in den
Betten der Asylbewerber Probe zu liegen, empört sich die Initiative auf der
Homepage. Man habe die Schüler sogar gezwungen, mit den Flüchtlingskindern
zu spielen.
Auf Anfrage der taz erklärt die Initiative „Leipzig steht auf“ nur
schriftlich, man stehe in keiner Verbindung zu rechten Gruppen oder der
NPD. Vielmehr handle es sich um eine Initiative besorgter „Eltern, Anwohner
und Bürger“. Dass die klagende Mutter im engen Kontakt mit der Initiative
steht und sogar im Impressum der Homepage auftaucht, dazu kein Wort.
„Hier wird Stimmungsmache auf unterstem Niveau betrieben. Eine Schande für
die Stadt“, sagt Roman Schulz von der Sächsischen Bildungsagentur. Die
Agentur, verantwortlich für die Schulen im Freistaat, hatte den Wunsch der
Schulleitung nach einem Besuch unterstützt. Die Klassen hätten im
Sozialkundeunterricht die Besuche vorbereitet und im Anschluss intensiv
diskutiert. Die Schule will sich zum Thema nicht äußern.
Schulz widerspricht der Darstellung der Initiative "Leipzig steht auf". Nie
habe man Kinder gezwungen auf Betten zu liegen, soziale Interaktion mit den
Flüchtlingen sei nicht Teil des Besuchs gewesen: „Aber wir können die
Bewohner ja nicht in den Keller sperren. Natürlich waren einige anwesend,
als die Klassen kamen“. Mitte Januar hat die letzte Klasse ihre Nachbarn
besucht. Schulz sagt: „Die Besuche waren richtig und wichtig. Die
Unsicherheit und Nervosität unter den Schülern hat sich verringert.“
Inzwischen hat sich das Verwaltungsgericht Leipzig dieser Sicht
angeschlossen – das Verfahren wurde eingestellt. „Ein Anspruch auf
Befreiung von der Pflicht zur Teilnahme (…) ist nicht zu erkennen“,
schreibt die zuständige Richterin der taz. Im Klartext: Seine Nachbarn
kennenzulernen gehört weiterhin zum Lehrplan sächsischer Schulen.Weitere
Besuche von SchülerInnen in den Heim wird es vorerst nicht geben.
24 Jan 2014
## AUTOREN
Ferdinand Otto
Lan-Na Grosse
## TAGS
Flüchtlinge
Asylsuchende
Schule
Leipzig
Flüchtlinge
Schwerpunkt Rassismus
Leipzig
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