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# taz.de -- Auftakt der Festspiele in Bayreuth: Er hatte Versöhnliches im Sinn
> Religionskritik ist derzeit eine sichere Bank. Regisseur Uwe Eric
> Laufenberg unterlegt sie seiner Interpretation von Richard Wagners
> „Parsifal“.
Bild: Nicht von Meese, aber immerhin schön bunt: Probenfoto der Bayreuther „…
Bayreuth taz | Atmosphärische Störungen im Vorfeld gehören bei den
Bayreuther Festspielen dazu. In diesem Jahr allerdings hatte dieses
Negativritual einen langen Vorlauf und hat – durch die Ereignisse in
München und Ansbach – eine Zuspitzung erfahren, die den üblichen Kitzel vor
der Eröffnung in ein Gefühl vom Lähmung umschlagen ließ.
Wer sich dem Festspielhaus nähert, muss Polizeikontrollen passieren. Denn
die Auffahrt ist streng abgeriegelt, Hubschrauber knattern, noch weit
entfernt vom Eingang muss man sich ausweisen und wird ausgiebig gefilzt.
Die beliebten Kissen zur Milderung der sechsstündigen „Parsifal“-Tortur auf
harten Holzsitzen sind verboten, Taschen werden einkassiert. Terror-Angst
dominiert den Festspiel-Hügel.
Angela Merkel hatte ihr Kommen aus Termingründen schon vor den jüngsten
Vorfällen abgesagt, danach sagte die bayerische Landesregierung aus
Sicherheitsgründen ab, was einiges über die Charakterstärke dieser
Herrschaften sagt, die sonst so stolz als Landesfürsten Hof halten.
## Gedämpfte Stimmung
Der übliche Promi-Auftrieb mit rotem Teppich fiel dieses Jahr ebenso aus
wie der Staatsempfang nach der Premiere, die den „Opfern der Gewalttaten“
gewidmet war. So war die Stimmung schon vor Beginn des
„Bühnenweihfestspiels“ merklich gedämpft, und der verhasste Zaun, den die
Festspiele aus Sicherheitsgründen bereits zu den Proben ums Haus ziehen
ließen, wurde plötzlich nicht mehr als grotesk überzogene Maßnahme
betrachtet.
Dieser „Parsifal“ stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Nach
Schlingensiefs grandioser Fluxus-Variante und Stefan Herheims überkodiertem
Bildertaumel war eigentlich der Künstler Jonathan Meese für die
Neuinszenierung vorgesehen. Von Meese trennte man sich bereits 2014 – nicht
einvernehmlich. Der Regisseur Uwe Eric Laufenberg sprang ein, denn er hatte
ein „Parsifal“-Konzept in der Schublade. In Köln, wo er Opernintendant
gewesen ist (2009 – 2012), konnte er es nicht mehr realisieren, da er dort
seinen Hut nehmen musste.
Drei Wochen vor der Premiere warf dann der allseits umschwärmte, für seine
emotionale Glut bekannte Andris Nelsons den Taktstock hin. Der seit einem
Jahr installierte Musikdirektor Christian Thielemann habe sich in die
Proben eingemischt, hieß es, andere behaupten, Nelsons habe das
Sicherheitstamtam nicht ertragen.
Doch auch diese fatale Panne konnte die Festspielleitung noch kurzfristig
lösen, indem sie den 73-jährigen Hartmut Haenchen aus dem Sommerurlaub
holte und mit dem als sachlich geltenden Dirigenten das Konzept abermals
neu ausrichtete. Dennoch brodelte die Gerüchteküche bis zum letzten
Sicherheitscheck munter weiter, denn Laufenberg hatte betont, sich endlich
einmal dem religiösen Aspekt des „Parsifal“ zu widmen, und sogleich wurde
gemunkelt, die Inszenierung sei islamkritisch.
Knappe sechs Stunden später ist der Schlussapplaus mit zwölf Minuten für
Bayreuther Verhältnisse kurz, einige Buhs für die Regie mischen sich in
erleichterten Jubel. Man ist weder enthusiasmiert noch wütend. Höchstens
enttäuscht von einem Abend, der im ersten Aufzug noch interessant zu werden
verspricht, dann aber zunehmend ins Beliebige abdriftet.
Musikalisch setzt Haenchen im Graben auf zügige Tempi, einige schöne
Momente besonderer Transparenz versöhnen jedoch nicht mit einer insgesamt
recht pauschalen Lesart. Das Sängerensemble überragt Georg Zeppenfelds
großartiger Gurnemanz, gefolgt von Elena Pankratovas flammender, enorm
höhensicherer Kundry, während der gefeierte Klaus Florian Vogt in der
Titelrolle stellenweise flach und krähend klingt.
Regisseur Laufenberg verlegt das Geschehen in die Jetztzeit im nahen Osten
in einen verwahrlosten Kirchenraum. Im Vorspiel schlafen dort Menschen auf
Feldbetten. Flüchtlinge? Die Gralsritter tragen Mönchskutten und gehen
fundamentalistischen Kulten nach: Bei der Enthüllung des Grals wird an
Amfortas die Passion Christi nachgestellt, die Mönche trinken sein Blut.
Zur Verwandlungsmusik zoomt sich ein Video durch die Kuppel der
Klosterruine ins Weltall und wieder zurück ins Krisengebiet.
## Am Ende befreit?
Der zweite Akt spielt in einem Hamam, Frauen mit Burkas entblättern
flitternden Bauchtänzerinnen-Kitsch. Klingsor weiß nicht, wohin er seinen
muslimischen Gebetsteppich ausrichten soll, in seiner geheimen
Kommandozentrale sammelt er jedoch Kreuze. Im dritten Akt ist der
Kirchenraum weiter verwüstet und Gurnemanz sitzt im Rollstuhl. Beim
Karfreitagszauber dringt Urwald-Grün hinein und tropische Regengüsse
erfreuen Nackedeis.
Bei den Schlusschören mischen sich unter Christen und Muslime klagende
Juden, und Parsifal im Abendanzug lässt alle Glaubensinsignien in Titurels
Sarg einsammeln. Die Kirchenwände fahren hoch, die Menge läuft langsam in
einen ungewissen Pyronebel. Befreit von radikalisierter Religion und
Ideologie?
Ohne Zweifel hatte Laufenberg Versöhnliches im Sinn, etwas umfassend
Religionskritisches. Und nach etlichen Halbheiten und szenischen Unschärfen
ist das letzte Bild das gelungenste des Abends. Zumal man endlich zu ahnen
glaubt, wer die rätselhafte Gestalt sein könnte, die den ganzen Abend über
hoch oben über der Kuppel in einem Stuhl thront. Laufenberg dürfte Wagner
gemeint haben, den Erbauer des Festspielhauses, der für die Höhenchöre
extra eine Kuppel einbaute.
Ob er mit seiner pauschalen Religionskritik allerdings dem „Parsifal“, von
dem Wagner prognostizierte, er werde „eine grundböse Arbeit“, auf die Spur
kommt, muss bezweifelt werden.
26 Jul 2016
## AUTOREN
Regine Müller
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Jonathan Meese
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