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# taz.de -- Energiekrise in Kuba: Die Angst vor den Apagones
> Im noch rein sozialistischen Kuba Mitte der 90er gehörten
> Stromabschaltungen zum Alltag. Jetzt gibt es ein Revival. Und die Kubaner
> fluchen.
Bild: Kühlt nicht, ist aber schön: Regenbogen über Havanna
HAMBURG taz | Die Straßenlaternen in Havanna leuchten die neue Energiekrise
Kubas aus – oder besser, sie zeigen sie durch Dunkelheit an. Nach einer
Vorgabe aus dem Wirtschaftsministerium brennt nur noch jede zweite Laterne,
und weil das in der Praxis nicht immer funktioniert, herrscht nun hier und
da Finsternis.
Doch darüber regen sich nur wenige Kubaner auf. Schlimmer ist, dass mitten
in der heißesten Jahreszeit immer häufiger die Klimaanlagen
heruntergefahren werden. In den Cafes der staatlichen Palmares-Kette ist
das der Fall; dort fluchen die Angestellten über die Hitze und ihre
schweißtreibende Arbeit.
Zum Schwitzen gibt es derzeit allerdings kaum eine Alternative, denn
inzwischen ist eingetreten, wovor Experten gewarnt haben, darunter der
Wirtschaftswissenschaftler Omar Everleny Pérez: Venezuela hat die
Lieferung von Rohöl an Kuba gedrosselt.
Kein Wunder, denn die Wirtschaftskrise in Venezuela nimmt existenzielle
Züge an. Die Quote des Rohöls, das zu Vorzugsbedingungen an befreundete
Regierungen in Haiti, Nicaragua oder eben an Kuba geliefert wird, sinkt.
Das musste auch Präsident Raúl Castro Anfang Juli zugeben; Superminister
Marino Murillo, der kurz darauf zum Minister für Reformen degradiert wurde,
erklärte am 8. Juli, dass Kuba nun rund ein Drittel des Energieverbrauchs
einsparen müsse.
Das macht sich bereits bemerkbar. Die Preise für Diesel und Benzin sind auf
dem Schwarzmarkt bereits um ein Drittel bis die Hälfe gestiegen, berichtet
Elaine Díaz in einem detaillierten Artikel auf dem Homepage von Periodismo
de Barrio – einem von unabhängigen kubanischen Journalisten betriebenen
Nachrichtenportal. Um 20 bis 40 Prozent geringer sollen die Lieferungen aus
Venezuela im ersten Halbjahr 2016 ausgefallen sein – je nach Quelle.
Für die kubanische Wirtschaft hat das gleich zwei negative Effekte: Zum
einen wird Treibstoff auf der Insel knapper, zum anderen verdient Kuba
wegen der niedrigen Ölpreise deutlich weniger, wenn es seine
Erdölüberschüsse auf dem internationalen Markt gegen Bares verkauft. Ein
Rückschlag, der für das fragile Finanzsystem der Insel besonders
schmerzhaft ist. Sofort wurde der Investitionsetat um 17 Prozent reduziert
und die Wachstumsprognose für 2016 von 2 auf nur noch 1 Prozent reduziert.
Für die Euphorie, die mit dem Tourismusboom auf der Insel einherging, ist
das ein herber Dämpfer.
## Zum Glück „diversifiziert“
Finanzexperten wie Pavel Vidal hatten vor dieser Entwicklung schon vor
Jahresbeginn gewarnt. Der an der Universität Cali lehrende Kubaner hatte
wie mehrere seiner Kollegen von der Universität Havanna mehr Tempo bei den
Reformen angemahnt. Diese sind in den letzten zwei Jahren kaum mehr
vorangekommen, weshalb sich Minister Murillo nun auf dieses Thema
konzentrieren soll. Den Ängsten, dass es wie zu Beginn der 1990er Jahre zu
flächendeckenden Stromabschaltungen, den Apagones, kommen könnte,
versuchten Murillo und Staatschef Raúl Castro zu begegnen. Kuba sei ganz
anders aufgestellt, die Außenhandelskontakte seien diversifiziert, hieß es.
Das ist richtig, aber der Regierung in Havanna könnten die Rücklagen
fehlen, um die Schulden bei dem Pariser Club, einem informellen Verbund von
Gläubigerländern, sowie weiteren Gläubigern zu bedienen. Zudem gab es in
der ersten Julihälfte in mehreren Stadtteilen von Havanna bereits
Stromabschaltungen von bis zu 6 Stunden.
Initiativen der Regierung, Venezuela zu den vertraglich vereinbarten
Erdöllieferungen zu drängen, sind nicht bekannt. Wenn es Verhandlungen
gibt, werden sie wohl bilateral, hinter verschlossenen Türen laufen.
26 Jul 2016
## AUTOREN
Knut Henkel
## TAGS
Kuba
Venezuela
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Schwerpunkt Fidel Castro
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