# taz.de -- Bürgerkrieg in Syrien: Aleppo, das umkämpfte Symbol | |
> Der Kampf um Aleppo steht möglicherweise vor einer Entscheidung. Assads | |
> Truppen haben die Nachschublinie der Rebellen gekappt. | |
Bild: Straßenszene nach einem Luftangriff auf Atareb bei Aleppo am 25. Juli | |
BERLIN taz | Die Menschen in den Rebellengebieten im Osten von Aleppo haben | |
im Zuge des Bürgerkriegs schon viel aushalten müssen: Raketenangriffe, den | |
Abwurf zahlloser Fassbomben, Lebensmittelknappheit, Tote, Verletzte, | |
Vermisste, die Zerstörung der Infrastruktur. Doch nun gibt es eine neue | |
Bedrohung in der seit 2012 zwischen dem Regime von Baschar al-Assad und den | |
Rebellen geteilten Stadt im Norden des Landes. | |
„Das Leben in Aleppo ist schon jetzt nach dem ganzen Leid sehr belastend | |
für die Bevölkerung“, sagt Fayez Sanda* am Telefon. Er lebt in der | |
ehemaligen Wirtschaftsmetropole und ist Mitglied der Weißhelme, die nach | |
Luftangriffen Verletzte und Tote aus den Trümmern bergen. „Nun kommt eine | |
neue Belastung dazu, nämlich die Belagerung, die bereits dazu geführt hat, | |
dass Gemüse und andere Waren von den Märkten verschwunden sind.“ | |
Die Bedrohung hat bereits zu Preissteigerungen und dem Horten von Waren | |
geführt. Der Lokalrat von Aleppo, ein Selbstverwaltungsgremium, versucht, | |
mit dem Festsetzen von Preisen und Kontrollen dagegen vorzugehen. | |
Grund für die jüngsten Entwicklungen ist, dass es den Truppen des Regimes | |
am 17. Juli gelang, die letzte Versorgungslinie in die östlichen | |
Rebellengebiete zu kappen. Bereits im Februar war es den Truppen und ihren | |
ausländischen Unterstützern gelungen, die Verbindungsstraße zur türkischen | |
Grenze zu erobern. Seither war die Castello-Straße der einzige | |
Nachschubweg. Etwa 300.000 Menschen sind nun von der Versorgung | |
abgeschnitten. | |
## Auch Schleichwege zu gefährlich | |
Zwar haben die Truppen des Regimes nur ein Stück der Castello-Straße | |
erobert. Aber da es ihnen auch gelang, höher gelegenes Terrain einzunehmen, | |
können sie nun die Umgebung ins Visier nehmen. Auf Schleichwege durch die | |
kleinen Felder südlich der Straße auszuweichen, ist daher zumindest für | |
Zivilisten zu gefährlich, zumal es in der Gegend Kämpfe gibt. | |
Die Castello-Straße war auch die Fluchtroute jener, die die östlichen | |
Gebiete verlassen wollten. Mit der Blockade ist dieser Teil der Stadt | |
zugleich von seinen größeren landwirtschaftlichen Flächen weiter westlich | |
abgeschnitten. Die UN-Organisation für die Koordination humanitärer Hilfe | |
(Ocha) sprach vergangene Woche von einer „besonders besorgniserregenden | |
Lage“ im Osten Aleppos. | |
Der Medienaktivist Ziad Halab weist darauf hin, dass die Luftangriffe | |
jüngst noch intensiviert wurden. „Ziel waren private und öffentliche | |
Einrichtungen sowie die Infrastruktur“, sagt er. Zum Beispiel am | |
vergangenen Sonntag: Nach Angaben von Ärzten wurden vier Feldkrankenhäuser | |
und eine Blutbank bei Luftangriffen getroffen. Am Montag starben sechs | |
Zivilisten durch Streubomben. | |
„Die Krankenhäuser und die Ärzte arbeiten 24 Stunden am Tag“, berichtet | |
Mohanad Makhzum, ebenfalls Aktivist in Aleppo. „Die Ärzte verlassen ihre | |
OP-Räume mehrere Tage nicht, da es wegen der Bombardierungen der Russen und | |
des Assad-Regimes sehr viele Opfer gibt. Außerdem fehlen Medikamente und | |
Geräte, um Schwerverletzte zu behandeln.“ | |
## 19 belagerte Gebiete in ganz Syrien | |
Die Gefahr einer regelrechten Belagerung der Rebellengebiete durch die | |
Truppen des Regimes kommt nicht von ungefähr. In ganz Syrien gibt es 19 | |
belagerte Gebiete, in denen nach Angaben des Welternährungsprogramms | |
insgesamt 592.700 Menschen leben. Hilfslieferungen werden nur sehr selten | |
durchgelassen. | |
Mit den Belagerungen zielt das Regime auf die Schwächung der Bevölkerung in | |
den abgeriegelten Gebieten – im Extremfall bis zum Tod. Damit sollen die | |
Rebellen zu unvorteilhaften Waffenstillständen und Abkommen gezwungen | |
werden. Letztere enden meist mit einem organisierten Abzug der Kämpfer in | |
andere Landesteile. | |
Für beide Seiten geht es in Aleppo um viel. Für das Regime, weil es sich | |
von Geländegewinnen einen stärkeren politischen Einfluss auf die neue | |
Verhandlungsrunde in Genf erhofft. Für die Rebellen gilt im Fall einer | |
Niederlage das Umgekehrte: Neben dem Verlust ihrer zweitletzten Hochburg – | |
die andere ist Idlib – müssen sie befürchten, dass ihre Unterstützer das | |
Vertrauen in sie verlieren. | |
* Alle Namen wurden geändert. Mitarbeit: Adopt a Revolution | |
26 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Beate Seel | |
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