# taz.de -- Britischer Bericht zum Irakkrieg: Voreilig, kriegerisch und planlos | |
> Die Kommission zum Irakkrieg kritisiert die Eile und Planlosigkeit von | |
> Tony Blairs Regierung. Hinterbliebene von Soldaten erwägen nun Klagen | |
> gegen die Regierung. | |
Bild: Friedliche Optionen waren nicht ausgeschöpft: Iraker flüchten vor dem K… | |
London afp/ap/dpa | Die britische Untersuchungskommission zum Irakkrieg hat | |
die Entscheidung der damaligen Regierung unter Premierminister Tony Blair | |
zur Beteiligung an der US-geführten Invasion 2003 als voreilig bewertet. | |
Die politische Entscheidung sei gefallen, bevor alle „friedlichen Optionen | |
für eine Entwaffnung“ des Irak unter Machthaber Saddam Hussein ausgeschöpft | |
worden seien, sagte der Kommissionsvorsitzende John Chilcot bei [1][der | |
Vorstellung des Berichts] am Mittwoch in London. | |
Zudem seien die Pläne für die Nachkriegszeit „völlig unzureichend“ gewes… | |
kritisierte der ehemalige Diplomat. „Ein Militäreinsatz war damals nicht | |
das letztmögliche Mittel“, sagte Chilcot, nach dem auch die Kommission | |
benannt ist. Dennoch habe Blair dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush | |
Gefolgschaft versprochen, „was auch geschehen möge“. Für die | |
Nachkriegsphase gelte: „Trotz ausdrücklicher Warnungen wurden die Folgen | |
der Invasion unterschätzt. Die Planungen und Vorbereitungen für einen Irak | |
nach Saddam waren völlig unzureichend.“ | |
Der frühere britische Premierminister Tony Blair verteidigte sich gegen die | |
Kritik. Er habe die Entscheidung, die USA bei der Invasion zu unterstützen, | |
in gutem Glauben und mit der besten Absicht für das Land getroffen, sagte | |
Blair. Er sah sich zudem durch den Bericht entlastet. „Dieser Bericht | |
sollte Vorwürfe der Böswilligkeit, Lügen oder Täuschung endgültig | |
ausräumen“, [2][schrieb der frühere Labour-Politiker in einer | |
Stellungnahme]. „Ich werde für alle Fehler die volle Verantwortung | |
übernehmen, ausnahmslos und ohne Ausrede“, schrieb er. | |
Der scheidende Premierminister David Cameron, der 2003 im Unterhaus für den | |
Einsatz im Irak gestimmt hatte, sagte, es müssten Lehren aus den Fehlern | |
gezogen werden. Soldaten dürften nur als „letztes Mittel“ und nach | |
ausführlicher Beratung in den Krieg geschickt werden. Es sei | |
„inakzeptabel“, dass 2003 britische Truppen ohne angemessene Ausrüstung in | |
den Irak entsandt worden seien. | |
Die Hinterbliebenen von britischen Soldaten, die bei der Invasion ums Leben | |
kamen, hatten gehofft, dass der Bericht den Irak-Krieg als illegal | |
einstufen und damit den Weg frei machen würde für Ermittlungen gegen Blair | |
wegen Kriegsverbrechen. Der Leiter der Untersuchungskommission, John | |
Chilcot, betonte aber ausdrücklich, seine Kommission befinde nicht darüber, | |
ob die Invasion legal gewesen sei. Sieben Jahre lang prüfte die Kommission | |
um Chilcot 150 000 Dokumente und befragte 150 Zeugen. | |
Einige Familien drückten die Hoffnung aus, dass Großbritannien nie wieder | |
einen solch schweren Fehler mache, das Leben von Briten zu opfern und ein | |
Land in die Zerstörung zu führen. Familien von Hinterbliebenen hatten lange | |
darauf gedrungen, die Verantwortlichen für das britische Engagement zur | |
Rechenschaft zu ziehen. Einige Hinterbliebene schlossen rechtliche Schritte | |
nicht aus. Alle Optionen seien offen, sagte ein Anwalt, der einige Familien | |
vertritt. | |
## Zehntausende Iraker gestorben | |
Die Invasion in den Irak 2003 war heftig umstritten, weil sie nicht durch | |
ein klares UN-Sicherheitsratsmandat gedeckt war. Angebliche | |
Massenvernichtungswaffen des damaligen irakischen Machthabers Saddam | |
Hussein wurden nie gefunden. Bereits 2004 kam ein britischer Bericht zu dem | |
Schluss, dass Blair die „Beweise“ der Geheimdienste für angebliche | |
Massenvernichtungswaffen im Parlament aufbauschte. | |
Bis zu 46.000 britische Soldaten waren in Spitzenzeiten während des | |
jahrelangen Konflikts und danach im Irak im Einsatz. Während des Krieges | |
und der anschließenden konfessionell motivierten Gewalt wurden zehntausende | |
Iraker getötet; auch 179 britische Soldaten starben dabei. | |
Bis heute wird der Irak von Gewalt erschüttert. Die Dschihadistenmiliz | |
Islamischer Staat (IS) konnte seit dem Sommer 2014 weite Teile des Landes | |
unter ihre Kontrolle bringen. Zwar wurde sie zuletzt militärisch stark | |
zurückgedrängt, mit Anschlägen verbreitet sie dennoch weiterhin Angst und | |
Schrecken. Erst in der Nacht zum Sonntag waren bei einem Selbstmordanschlag | |
in der irakischen Hauptstadt mehr als 200 Menschen getötet und mindestens | |
ebenso viele Menschen verletzt worden. | |
6 Jul 2016 | |
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[1] http://www.iraqinquiry.org.uk/ | |
[2] http://www.tonyblairoffice.org/news/entry/statement-from-tony-blair-on-chil… | |
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