# taz.de -- Ex-Premier vor Ausschuss: Blair begründet Irakkrieg mit 9/11 | |
> Ex-Premier Tony Blair hat die Beteiligung seines Landes am Irakkrieg vorm | |
> Untersuchungsausschuss verteidigt. Die Anschläge vom 11. September hätten | |
> seine Meinung verändert. | |
Bild: 2006 mit Soldaten in Basra: Tony Blair. | |
BERLIN taz | Die Anschläge auf das World Trade Center in New York im | |
September 2001 haben alles verändert, sagte Tony Blair. Der frühere | |
britische Premierminister musste sechs Stunden lang seine | |
Kriegsentscheidung vor dem Irakausschuss in London rechtfertigen. Bis zu | |
den Anschlägen in den USA habe man Saddam Hussein zwar als gefährlich | |
eingeschätzt, glaubte aber, ihm mit Sanktionen beikommen zu können. | |
"Er war ein Monster, aber wir wollten versuchen, so gut wie möglich damit | |
umzugehen", sagte Blair. Nach den Anschlägen sei die Bedrohung durch | |
religiöse Fanatiker jedoch bedeutend größer geworden, sagte Blair: "Wir | |
konnten nicht zulassen, dass ein solches Regime Massenvernichtungswaffen | |
entwickelt." Saddam hätte al-Qaida damit ausrüsten können. | |
Blair räumte ein, dass er nie an Verbindungen zwischen Saddams Regime und | |
al-Qaida geglaubt habe. Aber er fügte hinzu, dass Schurkenstaaten durchaus | |
fähig seien, sich mit terroristischen Organisationen zu verbünden. Und er | |
sei aufgrund der Geheimdienstinformationen fest davon überzeugt gewesen, | |
dass der Irak über Massenvernichtungswaffen verfügte, was sich nie | |
bestätigte. | |
Er bedaure lediglich, die Behauptungen der Boulevardpresse, wonach diese | |
Waffen binnen 45 Minuten einsatzbereit sein könnten, nicht korrigiert zu | |
haben. | |
Blair erschien vorsichtshalber zwei Stunden zu früh zu seiner Anhörung und | |
wurde durch eine Hintertür ins Queen Elizabeth Centre in Westminster | |
geschmuggelt. Dadurch vermied er eine Konfrontation mit rund 200 | |
Demonstranten, die auf der anderen Seite des Gebäudes mit Blair-Masken und | |
Transparenten auf ihn warteten. Der Vorsitzende der Antikriegskoalition, | |
Andrew Murray, beschuldigte Blair der Feigheit: "Es ist typisch für ihn. So | |
hat er auch die Kriegsentscheidung getroffen - hinter dem Rücken der | |
Öffentlichkeit." | |
3.000 Interessierte hatten sich um Eintrittskarten für die Anhörung | |
beworben, 80 wurden per Losverfahren ausgewählt. Außerdem kamen 28 | |
Angehörigen von Soldaten, die im Irak ums Leben gekommen sind. Insgesamt | |
starben 179 britische Soldaten beim Irakeinsatz, der offiziell im Juli 2009 | |
endete. | |
Der Untersuchungsausschuss unter Leitung von John Chilcot hat lediglich die | |
Aufgabe, die Entscheidungen, die zur Invasion führten, zu untersuchen. | |
Rechtliche Konsequenzen muss Blair nicht befürchten. Aber er musste sich | |
unangenehmen Fragen stellen. Chilcot wollte wissen, ob Blair dem damaligen | |
US-Präsidenten George Bush bereits im April 2002 auf Bushs Ranch in Texas | |
seine Unterstützung bei einem militärischen Einsatz im Irak zugesichert | |
habe. | |
Blair bestritt das. "Wie wir es tun würden, war eine offene Frage", sagte | |
er. Christopher Meyer, der damalige britische Botschafter in Washington, | |
hatte ausgesagt, dass der Plan für eine Invasion bei dem Treffen in Texas | |
"mit Blut besiegelt" worden sei. | |
Blairs Briefe an Bush aus dieser Zeit dürfen nicht veröffentlicht werden. | |
"Bush ist ein ziemlich einfacher Mann", begründete einer von Blairs | |
Beratern diese Entscheidung. "Wenn man ihm nicht gleich im ersten Absatz | |
versichert, dass man hinter ihm steht, liest er gar nicht erst weiter. | |
Die Briefe drehen sich um den Kern der britischen Beziehungen zu den USA. | |
Sie sind voller abfälliger Bemerkungen über andere Leute, darunter auch | |
Jacques Chirac. Ich denke nicht, dass sie veröffentlicht werden können." | |
Bei der Frage nach der rechtlichen Grundlage für den Krieg geriet Blair | |
etwas ins Schwimmen. Generalstaatsanwalt Lord Goldsmith hatte Blair zwei | |
Wochen vor dem Angriff auf den Irak gewarnt, dass dieser illegal sein | |
könnte. Zehn Tage später änderte er seine Meinung. Man habe keinen Druck in | |
dieser Hinsicht auf ihn ausgeübt, sagte Blair. "Wenn Goldsmith gesagt | |
hätte, dass es juristisch nicht zu rechtfertigen sei, wären wir nicht in | |
der Lage gewesen, militärische Maßnahmen zu ergreifen." | |
Der damalige Rechtsberater der Regierung, Michael Wood, hat dagegen Anfang | |
der Woche vor dem Ausschuss erklärt, der Einsatz sei völkerrechtswidrig | |
gewesen, da er nicht vom UN-Sicherheitsrat genehmigt worden sei. | |
Justizminister Jack Straw, der damals Außenminister war, habe seine | |
Einschätzung jedoch ignoriert. | |
29 Jan 2010 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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