# taz.de -- Mögliche EU-Strafzahlungen: Zitterpartie ums Defizit | |
> Zum ersten Mal in der Geschichte des Euro droht die EU Ländern mit einer | |
> Geldstrafe, weil diese die Defizitregeln verletzen: Spanien und Portugal. | |
Bild: Nicht nur Druck aus Brüssel: Es rumort auch auf den Straßen der iberisc… | |
BRÜSSEL taz | Nach dem späten Sieg in der Fußball-EM droht Portugal gleich | |
die nächste Zitterpartie. Eine Mehrheit der EU-Staaten will dem ärmsten | |
Land Westeuropas sowie seinem großen Nachbarn Spanien finanzielle | |
Sanktionen wegen eines „exzessiven“ Budgetdefizits aufbrummen. Es wäre eine | |
Premiere in der Geschichte der Eurozone; bisher wurden noch nie Strafen | |
verhängt. | |
Allerdings ist der Vorstoß, der auf einen Vorschlag der EU-Kommission | |
zurückgeht, umstritten. Ursprünglich war das Strafverfahren bereits im | |
Frühjahr geplant; wegen der Wahlen in Spanien und des Brexits in England | |
wurde es aber aufgeschoben. Frankreich ist gegen den Strafstoß, Deutschland | |
fordert Härte. Womöglich geht auch dieses Match in die Verlängerung. | |
Zuletzt hatte sich sogar US-Präsident Barack Obama gegen neue Sparauflagen | |
ausgesprochen. „Ich glaube, dass die Sparpolitik einer der Gründe dafür | |
ist, dass Europa derzeit ein relativ geringes Wirtschaftswachstum hat“, | |
sagte er der spanischen Zeitung El País. Portugal und Spanien waren in der | |
Eurokrise gestützt worden und mussten die Staatsausgaben massiv kürzen. | |
Als schärfster Verfechter eines harten Kurses gilt – wie schon in der | |
Griechenland-Krise vor einem Jahr – Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. | |
Er sieht nicht nur den Stabilitätspakt für den Euro in Gefahr, der in der | |
Eurokrise auf deutschen Druck verschärft worden war. Schäuble sieht in den | |
Sanktionen auch einen Test für die Glaubwürdigkeit der EU-Kommission. | |
## Botschafter einbestellt | |
Um seiner Haltung Nachdruck zu verleihen, hat der deutsche Kassenwart die | |
Entmachtung der Kommission vorgeschlagen: Die Budgetkontrolle könne künftig | |
einer unabhängigen Behörde übertragen werden, so Schäuble. Zudem drohte er, | |
Portugal erneut unter EU-Aufsicht zu stellen. Die Regierung in Lissabon | |
reagierte empört und bestellte den deutschen Botschafter ein. | |
Auch EU-Währungskommissar Pierre Moscovici protestiert: „Wir halten uns an | |
die Regeln, wir machen unsere Arbeit“, sagte der Franzose am Montag zu | |
Beginn eines zweitägigen Treffens der EU-Finanzminister in Brüssel. Wegen | |
der anhaltenden Defizitverstöße in Portugal und Spanien habe seine Behörde | |
keine andere Wahl, als ein Strafverfahren vorzuschlagen. | |
Das portugiesische Staatsdefizit belief sich im vergangenen Jahr auf 4,4 | |
Prozent des Bruttoinlandsprodukts, das spanische lag bei 5,1 Prozent. | |
Erlaubt sind nur 3 Prozent. Allerdings gibt es in beiden Ländern keine | |
Mehrheit für einen härteren Sparkurs. In Lissabon regiert eine linke | |
Minderheitsregierung, in Madrid haben die Neuwahlen im Juni immer noch | |
keine neue Regierung gebracht. | |
Die Finanzminister müssen nun entscheiden, ob und welche Sanktionen sie | |
verhängen. Dabei geht es sowohl um Geldstrafen als auch um die Kürzung von | |
EU-Mitteln aus den Strukturfonds. In Spanien könnten Strafzahlungen von bis | |
zu 2 Milliarden sowie Subventionskürzungen von 1,3 Milliarden Euro fällig | |
werden. Portugal könnte 500 Millionen Euro weniger aus den Strukturfonds | |
erhalten. | |
Dies würde jedoch die wirtschaftliche Erholung beider Länder gefährden. In | |
Brüssel wird daher über einen möglichen Kompromiss spekuliert: Die | |
Sanktionen werden verhängt, die Strafen aber auf null Euro festgesetzt. | |
Schäuble hielt sich gestern alle Optionen offen: „Wir sind uns alle einig, | |
dass wir die Regeln, die ja genügend Flexibilität beinhalten, auch anwenden | |
müssen“, sagte er zu Beginn des Krisentreffens in Brüssel. | |
11 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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