# taz.de -- Neue Migrantenpartei vor der Gründung: Eine „Alternative für T�… | |
> Der deutsch-türkische Unternehmer Remzi Aru will eine Migrantenpartei | |
> gründen. Er ist einer der größten Fürsprecher Erdoğans in Deutschland. | |
Bild: Deutschen Zuschauern ist Aru als Talkshowgast vertraut | |
BERLIN taz | Der Zeitpunkt ist provokant gewählt. Für 14.53 Uhr hat der | |
deutsch-türkische Unternehmer Remzi Aru angekündigt, am Sonntag auf seine | |
persönliche Webseite den Namen seiner neuen Partei, deren Logo sowie einen | |
ersten Entwurf für ein Parteiprogramm zu stellen. Kurz darauf will er eine | |
Pressekonferenz geben, die live übertragen werden soll. Den Ort dafür hat | |
er bislang nicht verraten. Die Zahlenkombination 1453 aber hat es in sich: | |
Es ist das Datum der Eroberung Konstantinopels, des heutigen Istanbuls, | |
durch die Osmanen. | |
Der Selfmade-Unternehmer Remzi Aru ist eine schillernde Figur. Er ist einer | |
der größten Fürsprecher des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in | |
Deutschland und zählte bereits zu den Mitbegründern der Union | |
Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), die als eine Art | |
Auslandsorganisation der türkischen Regierungspartei AKP fungiert und | |
hierzulande bereits mehrmals Kundgebungen organisierte. | |
Deutschen Zuschauern ist Aru als Talkshowgast vertraut: Bei Sandra | |
Maischberger oder auf Phoenix brach er eine Lanze für Erdoğan, rühmte die | |
türkische Presse als viel freier als die in Deutschland und erklärte die | |
Türkei zum Vorbild für die arabische Welt. Die deutschen Medien sieht er | |
dagegen als von der PKK „beherrscht“. Sein Lieblingsfeindbild ist die | |
Linken-Politikerin Sevim Dağdelen, die er der Sympathie für die | |
kurdisch-nationalistische PKK bezichtigt. | |
Die Gründung einer Migrantenpartei sei nötig geworden, weil Türken in | |
Deutschland „systematisch als Sündenböcke aufgebaut“ würden, lässt Aru | |
jetzt in einer Erklärung verlauten. Dagegen würden in Deutschland | |
„stalinistische Massenmörder und Verbrecher von Abgeordneten, Journalisten | |
und anderen Meinungsführern verteidigt und verherrlicht“, behauptet er mit | |
Blick auf die PKK. „Terrorismus wird, solange er sich gegen Türken und | |
nicht gegen Europäer richtet, gleichsam als eine Art Folklore verharmlost.“ | |
Die Armenien-Resolution des Bundestags habe das Fass nun zum Überlaufen | |
gebracht: Dadurch sei „keine deutsche Partei mehr für einen Menschen mit | |
türkischen Wurzeln wählbar“. Trotz der unverkennbar | |
türkisch-nationalistischen Untertöne stehe seine Partei aber allen offen. | |
Unterstützung will Aru bereits von anderen Migrantengruppen erhalten haben. | |
## Mit gemischten Gefühlen | |
Die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD), der größte Dachverband | |
türkeistämmiger Einwanderer in Deutschland, betrachtet die angekündigte | |
Parteigründung mit gemischten Gefühlen, will darin aber auch kein Drama | |
sehen. „Die etablierten Parteien müssen die Meinungen der | |
Migranten-Communities ernster nehmen, um solchen Entwicklungen | |
vorzubeugen“, sagt dessen Kovorsitzende Aysun Aydemir. | |
Für eine überwältigende Mehrheit der türkischen Community, von links bis | |
rechts, sei die Armenien-Resolution eine enorme Enttäuschung gewesen. Sie | |
hätten das Gefühl, die Debatte darüber sei über ihre Köpfe hinweg geführt | |
worden. | |
Der Bundestag hatte das Massaker des Jahres 1915 an den Armeniern im | |
damaligen Osmanischen Reich im Mai als Völkermord eingestuft. Vor allem | |
türkeistämmige Bundestagsabgeordnete waren daraufhin von | |
türkisch-nationalistischer Seite massiv beschimpft und bedroht worden. Die | |
Türkische Gemeinde hatte sich davon distanziert und um Dialog geworben. | |
Am Mittwoch hatte sich der Verband mit Bundestagspräsident Norbert Lammert | |
getroffen, um über die Folgen der Armenien-Resolution zu sprechen. Auch | |
Grünen-Chef Cem Özdemir und die CDU-Abgeordnete Cemile Giousouf waren bei | |
dem Treffen dabei. | |
24 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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