# taz.de -- Kazim Akboga über Fußball und Kunst: „Neuer spielt, oder?“ | |
> Als singender BVG-Kontrolleur wurde Akboga mit „Is mir egal“ bekannt. Zur | |
> EM spricht er über seinen Song zum Turnier, Deutschlandflaggen und | |
> Orakeltiere. | |
Bild: „Ich verachte Arbeit.“ | |
Gerüchteweise kann sich der YouTube-Come[1][dian Kazim Akboga nicht mehr | |
durch Berlin-Neukölln bewegen, ohne auf seinen BVG-Werbespot] „Is mir egal“ | |
angesprochen zu werden. Als er vor seine Haustüre tritt und wir zusammen | |
ein paar Schritte gehen, ruft eine junge Frau aus einem Café: „Du bist doch | |
Ismiregal! Krieg ich ein Selfie?“ Als Akboga später für unseren Fotografen | |
posiert, brüllt jeder zweite Passant und jeder vorbeifahrende Autofahrer: | |
„Ismiregal. Supergeil!“ | |
Seit drei Jahren lebt der in Schweinfurt geborene Sohn türkischer | |
Einwanderer in Neukölln. In seinem neuesten Video zum EM-Song „Deutschland | |
is gute Land“, prophezeit er, dass Deutschland „ins Final“ kommt und „d… | |
Pokal“ holt. Er singt über „dieses Mittelfeld, den, wo den Titel hält“,… | |
reimt: „Verteidigen macht beste Mann. Gegner macht nix Bamm Bamm.“ | |
taz: Herr Akboga, wie egal ist Ihnen die EM? | |
Karim Akboga: Sehr egal. Mir geht es nur um das Material. Und das ist | |
interessant. Sehr sogar. Ich geh da mathematisch ran. | |
Wie gut ist Deutschland? | |
Ich mag die Jungs. Die sind sympathisch, und Multikulti machen sie auch | |
ganz gut. | |
Bester Mann? | |
Neuer spielt, oder? Also Neuer wahrscheinlich. | |
Ihr EM-Song ist ein Remix Ihres Liedes von 2014 „Deutschland mach | |
Weltmeister“. Wollten Sie nochmals Ihr Talent als Orakel unter Beweis | |
stellen? | |
Nein. Es war einfach wenig Arbeit. Ich verachte Arbeit. Ich wusste ja nicht | |
mal richtig, wer überhaupt spielen wird. Deswegen kommen in meinem EM-Song | |
auch keine Namen vor, sondern nur Torwart, Stürmer, Mittelfeld. | |
Kommt Deutschland ins Finale? | |
Ja, damit die Prophezeiung aufgeht. Sonst macht das Lied ja keinen Sinn. | |
Welches Orakel würden Sie wählen? | |
Zebra. Ganz klar. | |
Warum? | |
Weil das Zebra schön schwarz-weiß ist. Und mathematisch. Und wegen | |
Wärmeausgleich und Tarnung. Außerdem sind die anderen Tiere immer braun. | |
Die Zebras nicht. | |
Wie gut ist das deutsche Mittelfeld? | |
Keine Ahnung. Was macht überhaupt ein Mittelfeld? | |
Irgendein Spiel schon gesehen? | |
Ja. Alle Deutschlandspiele. Und Portugal – Island. Weiß auch nicht, warum. | |
Vielleicht werd ich doch noch Fußballfan statt Musiker. | |
Wenn Sie Sänger bleiben, würden Sie mit Grönemeyer ein Duett singen? | |
Klar. Als Grönemeyer und Dönermeyer. Ich sing seinen Text und er meinen. | |
Hätten Sie etwas dagegen, wenn Ihr Song die deutsche Hymne ersetzen würde? | |
Bei den Deutschland-Spielen könnte man den schon spielen. | |
In „Deutschland is gute Land“ treten Sie als Fußballspieler in roten Pumps | |
auf. Eine Anspielung auf Homosexualität unter Fußballern? | |
Nein. Eher auf meine eigene feminine Seite. Ich lauf zu Hause auch in so | |
Dingern rum. | |
Sie sind von Schweinfurt nach Berlin gezogen, um Werbetexter zu werden. Den | |
Job haben Sie schnell hingeschmissen und „Is mir egal“ produziert. Jetzt | |
haben Sie den Ruf als Neuköllner Proll. Bereuen Sie es, nach Berlin | |
gekommen zu sein? | |
Mir ist es egal, wo ich wohne. Hauptsache, ich hab Internet. Ich bin halt | |
ein bisschen weltfremd. Deswegen sind meine Songs auch so, wie sie sind. | |
Nervt es Sie, ständig Ismiregal genannt zu werden? | |
Das ist schon okay. Mit der BVG-Werbung hab ich jetzt auch die Hipster auf | |
meine Seite gezogen. Vorher waren es vorwiegend meine Landsleute aus | |
Neukölln. | |
In Neukölln, wo noch zur WM Fahnenfeste gefeiert wurden, ist kaum | |
Beflaggung. Haben die Landsleute keine Lust auf EM? | |
Waren bei der WM Flaggen? War ich da überhaupt schon da? Keine Ahnung. Ich | |
hab keine gesehen. | |
Weil Sie nicht rausgehen? | |
Doch, ich geh schon raus, aber dann schau ich meistens vor meine Füße, | |
damit ich sehe, wo ich hinlaufe. | |
Viele Türken hoffen, dass die Türkei aus dem Turnier ausscheidet, weil sie | |
es Erdoğan nicht gönnen. Sie auch? | |
Ich bin kein Patriot. Aber wenn die Türkei spielt, bin ich trotzdem | |
irgendwie für die. Warum, versteh ich auch nicht. | |
Zur Debatte um Erdoğan versus Böhmermann haben Sie ein Video gemacht, in | |
dem Sie beiden empfehlen, sich einen „Zungenküss“ zu geben. Warum haben Sie | |
das wieder gelöscht? | |
Ich hab Schiss bekommen. Mir wurde gedroht. So viel Hate abzubekommen, das | |
hat mich eingeschüchtert. So was hab ich zum ersten Mal erlebt. | |
Drohungen von Türken? | |
Ja. | |
Morddrohungen? | |
In die Richtung, ja. | |
Sie haben dann in einem weiteren Video erklärt: „Wenn du stolz auf dein | |
Land bist oder versuchst, mir deinen Glauben aufzuzwingen oder intolerant | |
bist, dann kannst du dich von meinem Kanal verpissen. Wenn du Bock auf | |
grenzenlosen Humor und Kunstfreiheit hast, dann bleib einfach da.“ Auch das | |
haben Sie gelöscht. Warum? | |
Dieses Hin und Her war mir zu blöd. Es ist nicht der Sinn von Kunst, sich | |
ein Gefecht zu liefern. Ich hab einfach gemerkt, dass ich nur noch aus Hass | |
Sachen mache, und das will ich nicht. Dann hab ich alles gelöscht. Das war | |
auch gut so. Böhmermann hat ja nach der Anzeige auch nicht mehr reagiert. | |
Der Unterschied ist nur, dass er einen deutschen Pass hat. Mich kann man | |
ausweisen. | |
Haben Sie Vorbilder wie die türkisch-deutschen Kabarettisten Kaya Yanar | |
oder Jilet Ayşe? | |
Klar kenn ich die, aber nicht so gut. Meine Vorbilder sind eher Leute wie | |
Johann König, Urban Priol und vor allem Helge Schneider. Also eher so | |
sprachlich verspielte Sachen. Vielleicht hab ich nicht so viel Talent, aber | |
so würde ich gern sein. | |
Und nicht immer der kleine naive Türke, der gebrochen Deutsch spricht? | |
Genau. Ich will nicht der Zehntausendste sein, der sagt, Türken sind so, | |
Deutsche so. Das ist total veraltet. Ich weiß gar nicht, ob es überhaupt | |
noch solche Leute gibt, die so sprechen wie meine Figur aus „Ismiregal“. | |
Der redet ja so wie die ersten Einwanderer in den 60er Jahren. | |
Haben Sie das Gefühl, Ihr Erfolg hat genau damit zu tun? | |
Bestimmt. Aber ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Unter meinen neuen Fans | |
sind sicher ein paar Idioten, wie überall. Aber auch ein paar Studenten. | |
Mit der BVG-Werbung hab ich auch viele Normalos angelockt, die mit meinem | |
Humor in den anderen Youtube-Videos nicht viel anfangen können. Aber ich | |
finde das gut, dass alle fragen, was das eigentlich für ein Typ ist? | |
Sie lesen Sartre und gehen in Kunstausstellungen? | |
Auf jeden Fall eher, als Fußball zu gucken. Ich bin kein Intellektueller, | |
aber irgendwas zwischen Proll und doch was im Kopf. | |
Wie würden Sie sich bezeichnen? | |
Als Künstler, da muss man nichts können. | |
Wurden Sie Werbetexter, weil man da auch nichts können muss? | |
Ich hab immer Sachen gemacht. Gedichte zum Beispiel. Pseudophilosophischen | |
Kitsch würde ich das heute nennen. Dann hab ich sieben Jahre mit Quatsch | |
verbracht, im Döner-Laden meiner Eltern gearbeitet und | |
Fremdsprachensekretär gelernt. Ich kann Geschäftsbriefsätze wie: „Ich | |
möchte den Kauf von 1.000 Schrauben stornieren“ übersetzen. | |
Also können Sie doch was? | |
Klar. Ich hab nie gesagt, dass ich nichts kann. | |
Doch! | |
Stimmt. Also: Ich bin staatlich anerkannter Fremdsprachen-Korrespondent. | |
Als Nächstes: Eurovision Song Contest? | |
Ist das jedes Jahr? Dann vielleicht. | |
21 Jun 2016 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=xvcpy4WjZMs | |
## AUTOREN | |
Doris Akrap | |
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