# taz.de -- Bundesregierung vor dem Brexit: Klappe zu und durch | |
> Berlin hat Angst davor, dass die Briten die EU verlassen. Regierung und | |
> Parteien mischten sich trotzdem nicht in den Wahlkampf ein – oder gerade | |
> deswegen. | |
Bild: Merkel mit Premierminister Cameron: „Das darf ich nur ganz leise sagen.… | |
Berlin taz | Zwei Sätze. Einen Tag vor dem britischen Referendum hatte die | |
Bundesregierung ganze zwei Sätze für den Brexit übrig. „Grundsätzlich ist | |
die Haltung der Bundesregierung unverändert. Sie wünscht sich | |
Großbritannien als aktiven und engagierten Partner in der EU“, sagte eine | |
Regierungssprecherin am Mittwoch. Das war es. | |
So geht das schon seit Wochen: Bei fast jeder Frage nach dem EU-Referendum | |
beschränkt sich die Bundesregierung auf diese beiden Sätze. In den Tagen | |
vor der Abstimmung reiste kein Regierungsmitglied ins Vereinigte | |
Königreich, um die Brexit-Gegner zu unterstützen. Und als sich Angela | |
Merkel vor Wochen doch einmal zum Thema einließ, als sie bei einem Besuch | |
des britischen Premierministers mit einigen Worten für den EU-Verbleib | |
warb, entschuldigte sie sich hinterher beinahe: „Das darf ich nur ganz | |
leise sagen, denn die Briten werden natürlich selbst entscheiden.“ | |
Nun ist es nicht so, dass sich die Bundesregierung nicht für das Referendum | |
interessieren würde. Im Gegenteil: In Berlin beobachtet man die Abstimmung | |
ganz genau. Der Brexit wäre aus Sicht der Regierung eine mittlere | |
Katastrophe – politisch, finanziell und wirtschaftlich. | |
Dass sich die Regierung vor der Abstimmung dennoch zurückhält, hat einen | |
einfachen Grund: Die Brexit-Gegner in Großbritannien haben selbst darum | |
gebeten. Bundesregierung und Koalitionsfraktionen halten sich daran – | |
schweren Herzens. | |
„Die Bundesregierung und die Parteien in Deutschland machen das auf den | |
dringlichen Wunsch unserer britischen Freunde“, sagt SPD-Fraktionsvize Axel | |
Schäfer, der im Europa-Ausschuss des Bundestags sitzt. Er wäre im Wahlkampf | |
gerne nach Sheffield geflogen, in die Partnerstadt seiner Heimatortes | |
Bochum. „Unser Labour-Freunde dort wollten das aber überhaupt nicht und wir | |
müssen das akzeptieren.“ | |
## Keine Vorlage für EU-Gegner | |
In der Opposition sieht man es ähnlich. Der Europapolitiker Manuel Sarrazin | |
(Grüne) möchte zwar ebenfalls, dass „Großbritannien Mitglied der EU bleibt | |
und wir die anstehenden Herausforderungen auch weiterhin gemeinsam | |
bewältigen“. Aber auch er kann die Zurückhaltung der Regierung verstehen: | |
„Tatsächlich wird schnell auch ein gut gemeintes Plädoyer für den Verbleib | |
in Großbritannien, gerade aus Deutschland, als Bevormundung umgedeutet | |
werden. So eine Vorlage sollten wir Nigel Farage und der Yellow Press nicht | |
geben.“ | |
Nur einer hat dieses Schweigegelübde in den vergangenen Wochen gebrochen: | |
Wolfgang Schäuble. Wie schon in der Griechenland-Krise spielte er Anfang | |
Juni den Bösewicht. Im Spiegel drohte der Finanzminister, die Briten | |
sollten sich bloß nicht einbilden, nach einem Brexit Teil des gemeinsamen | |
Binnenmarktes bleiben zu können. „In is in. Out ist out“, sagte Schäuble. | |
Kein anderes Mitglied der Bundesregierung wurde vor dem Referendum auch nur | |
annähernd so deutlich. | |
Und nach der Abstimmung? Schon am Freitag könnte es mit der deutschen | |
Zurückhaltung vorbei sein – auch wenn es dann zu spät ist. „Falls die | |
Briten aus der EU austreten, muss der Bundestag am Freitag um elf Uhr zu | |
einer Sondersitzung zusammenkommen“, sagt SPD-Fraktionsvize Schäfer. „Dort | |
muss Frau Merkel eine Regierungserklärung abgeben.“ | |
Durch die Brexit-Nacht führt am Donnerstag unser musikalischer Liveticker | |
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23 Jun 2016 | |
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## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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