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# taz.de -- Faire Entlohnung für Textilarbeiter: 14 Cent pro T-Shirt lösen da…
> Ein Projekt zu sozial verträglicher Kleidungsproduktion zeigt: Die Preise
> müssten kaum steigen, um Textilarbeiter ausreichend zu bezahlen.
Bild: So viel teurer muss das T-Shirt gar nicht sein
Berlin taz | Der in Europa winzige Betrag macht in Indien den
entscheidenden Unterschied. 14 Cent pro T-Shirt reichen, um den Lohn der
dortigen Textilarbeiter von rund 100 Euro im Monat auf etwa 160 Euro
anzuheben. Statt des kärglichen, staatlich festgesetzten Mindestlohns
könnten die Beschäftigten der Fabrik im südindischen Tirupur
existenzsichernde Gehälter erhalten, die auch die Kosten der Familien
beispielsweise für das Schulgeld der Kinder und Medikamente abdecken.
Das haben die Textilfirma Continental Clothing, die Unternehmensberatung
BSD und das Fair Fashion Network (Netzwerk für faire Mode) in einem
Pilotprojekt ermittelt, bei dem sie zunächst 150.000 T-Shirts fertigen
ließen. Sie wollen damit demonstrieren, dass sozialverträgliche
Bekleidungsproduktion möglich ist, ohne in Europa die Preise wesentlich
anzuheben. Denn 14 Cent Aufpreis fallen selbst bei Billig-T-Shirts für fünf
Euro kaum ins Gewicht. „Existenzsichernde Löhne sind auch im Massenmarkt
umsetzbar“, sagt Mark Starmanns, ein Gründer des Netzwerkes.
Augenblicklich ist das allerdings nur eine theoretische Berechnung. Denn
derzeit wird erst ein kleiner Teil der Produktion in der Fabrik mit dem
14-Cent-Aufschlag vergütet. Weil das zusätzliche Geld auf das gesamte
Personal umgelegt wird, erhalten die Beschäftigten nun einen höheren, aber
noch keinen existenzsichernden Lohn. Dieser wäre mittels 14 Cent pro
T-Shirt möglich, wenn die gesamt Jahresproduktion so bezahlt würde.
Firmen, die so etwas ausprobieren, bilden allerdings nur eine kleine
Minderheit. „Das ist noch immer eine Nische“, so Starmanns. Jedoch eine,
die wächst. Die Ethical Fashion Show, eine Sonderveranstaltung über
ethische Bekleidung der Messe Fashion Week in Berlin, fand vor fünf Jahren
erstmals mit 36 Ausstellern statt. Beim diesjährigen Durchgang, der noch
bis zum 1. Juli dauert, sind über 100 Firmen dabei.
Diese Kollektionen zeichnen sich durch höhere soziale, aber auch
ökologische Qualität aus. So hat etwa die Firma Deepmellow ein Verfahren
entwickelt, Leder mit Extrakten aus der Rhabarberwurzel zu gerben statt mit
umweltbedenklichem Chrom.
Solche Geschäftsideen zeigen, was möglich ist. Sie sind Vorbilder für die
traditionelle Modeindustrie, üben aber auch Druck auf die
marktbeherrschenden Handelsketten aus. Denn die fairen Firmen jagen den
alten Anbietern Kunden ab, wenngleich nur in beschränktem Umfang. Und die
Platzhirsche reagieren. Das bemerkt Deepmellow-Geschäftsführerin
Anne-Christin Bansleben zum Beispiel daran, dass sich mehr und mehr große
Unternehmen nach dem Rhabarber-gegerbten Leder erkundigen. Sie müssen sich
um die sozialen und ökologischen Bedingungen in der globalen
Textilproduktion kümmern – das wissen die Konzerne seit Jahren. Praktische
Fortschritte machen sie dennoch nur langsam.
Vor fast zwei Jahren gründete CSU-Entwicklungsminister Gerd Müller das
Bündnis für nachhaltige Textilien, an dem sich über 180 Firmen und
Institutionen beteiligen. Bis Ende 2016 sollen alle Mitgliedsfirmen
eigene Pläne dafür erarbeiten, wie sie die Bedingungen in ihren
Zuliefererketten verbessern.
Die Debatte dreht sich darum, ob und wie die Pläne veröffentlicht werden.
„Nur dann kann die Öffentlichkeit künftig beurteilen, ob die Unternehmen
Fortschritte machen“, sagt Maik Pflaum von der Kampagne für Saubere
Kleidung, die ebenfalls in dem Bündnis mitarbeitet. Einen Anfang hat das
Bündnis geschafft, indem es den schrittweisen Verzicht auf gefährliche
Chemikalien in der Kleidung beschloss.
Aufruf für bessere Löhne: Das Netzwerk der Firmen für faire Mode ruft seine
Kunden auf, an die großen Modeketten zu schreiben mit der Forderung: Zahlt
euren Beschäftigten existenzsichernde Löhne. Die Seite der Petition findet
sich hier: [1][www.getchanged.net/fairshare-kampagne]
30 Jun 2016
## LINKS
[1] http://www.getchanged.net/fairshare-kampagne
## AUTOREN
Hannes Koch
## TAGS
Textilien
Kleidung
Löhne
Primark
Gerd Müller
Richtlinie
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