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# taz.de -- Faire Arbeit: Getäuschte Verbraucher
> Weil der Discounter Lidl in der Werbung vorgibt, nur Textilien aus fairer
> Arbeit zu vertreiben, hat die Hamburger Verbraucherzentrale den Konzern
> verklagt.
Bild: Arbeit unter schlechten Bedingungen: Näherinnen in Bangladesh.
Mit einer Premiere beschreitet die Hamburger Verbraucherzentrale (VZ)
zugleich auch politisches Neuland: Die VZ hat den Discounter Lidl vorm
Heilbronner Landgericht wegen unlauteren Wettbewerbs auf Unterlassung
verklagt. Bündnispartner und Kronzeugen in dem Rechtsstreit sind die
Kampagne für saubere Kleidung (CCC) und die Menschenrechtsorganisation
European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR). Grund dafür
ist: Lidl wirbt damit, dass seine Textilien in Bangladesh von Zulieferern
unter sozialen und fairen Arbeitsbedingungen produziert werden. "Da ist
nicht viel daran. Lidl betreibt Schönfärberei", sagt VZ-Geschäftsführer
Günter Hörmann.
Und das ruft nun die Verbraucherschützer auf den Plan. Zwar könne die Klage
nicht unmittelbar auf die Arbeitsbedingungen der Näherinnen in Bangladesh
Einfluss nehmen, "doch verschafft sich Lidl durch Täuschung
Wettbewerbsvorteile", sagt Hörmann. Auch weil das Kriterium "faire Arbeit"
in die Bewertungen der Stiftung Warentest einfließt. "Unser
Anknüpfungspunkt sind die Kunden", sagt Hörmann. Denn die Verbraucher
würden immer mehr darauf achten, dass Produkte nicht nur unter ökologisch
korrekten Bedingungen gefertigt, sondern dass auch soziale Standards
eingehalten werden. Da Lidl nach einer VZ-Abmahnung keine
Unterlassungserklärung unterschreiben wollte, sei der Konzern nun verklagt
worden.
Denn noch im Januar hieß es in einem Werbeprospekt: "Lidl setzt sich
weltweit für faire Arbeitsbedingungen ein." Deshalb vergebe Lidl
"Non-Food-Aufträge nur an ausgewählte Produzenten", die nachweisen könnten,
"soziale Verantwortung aktiv zu übernehmen". Lidl brüstet sich damit, dem
Label europäischer Einzelhändler Business Social Compliance Initiative
(BSCI) zur Wahrung der Sozialstandards der Zulieferer beigetreten zu sein,
das die Maßgaben der "Internationalen Arbeitsorganisation" (ILO)
beinhaltet.
Doch die Realität sieht anders aus, berichtet Gisela Burckhardt von CCC.
Eine Untersuchung bei den drei Lidl-Lieferanten Continental Garments,
Karnapuli Knitwear und Anika Apperals, bei denen heimlich Näherinnen
befragt worden waren, habe ergeben, dass bei einem Monatslohn von 13 bis 16
Euro Überstunden die Regel sind - auch unangemeldet und zwangsweise. "Wer
sich gewerkschaftlich organisiert fliegt raus", so Burckhardt. Teilweise
werden die Näherinnen sogar geschlagen. Die Löhne reichten zum Leben nicht
aus, so dass die Frauen vermehrt Überstunden machen müssten, sagt
Burckhardt. "Das liegt daran, dass gerade Discounter bei den Zulieferern
die Preise drücken."
Daher ist der Fall Lidl "von rechtlicher Relevanz", sagt ECCHR-Sprecherin
Miriam Saage-Maaß, die Menschenrechte mit juristischen Mitteln
durchzusetzen versucht, denn die Verhältnisse in Bangladesh verstoßen gegen
die ILO-Konvention.
8 Apr 2010
## AUTOREN
Kai von Appen
## TAGS
Textilien
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