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# taz.de -- Willkommenskultur in Bielefeld: Ruhe bitte oder wir schießen!
> „Wer hier meckert wird erschossen!“ So wurden bisher Asylsuchende in
> Bielefeld begrüßt. Die Urheber des Schildes bleiben unerkannt.
Bild: Das Portrait des Mitarbeiters mit der Bommel-Mütze hätte doch gereicht
BERLIN taz | Die gute Nachricht: Bielefeld exisitiert tatsächlich. Mit
einem kleinen Din-A4-Schild hat die zentrale Ausländerbehörde der Stadt nun
den Beweis schwarz auf weiß geliefert. Wer aber schon den altbackenen
Partywitz, die CIA, der Mossad oder Außerirdische [1][hätten den Bielefake
in die Welt gesetzt], nicht lustig fand, wird jetzt besonders enttäuscht
sein. „Wer meckert, wird erschossen!“: Mit diesem Warnschild wurden
Asylbewerber noch bis vor wenigen Tagen im Empfangsraum der Behörde
begrüßt. Ohne Witz.
Den Beleg für dieses Schild lieferte ein Foto, das der Flüchtlingshilfe
Lippe in Detmold zugespielt wurde. Lina Droste, die Leiterin der
Organisation, hatte sogleich eine Mitarbeiterin zur zentralen
Ausländerbehörde geschickt, um die Büroräume zu überprüfen. Dort fand sie
den [2][geschmacklosen Warnhinweis an einer Glasscheibe], hinter der die
Angestellten eintreffende Flüchtlinge registrieren und an
Erstaufnahmeeinrichtungen vermitteln. „Mir ist es unerklärlich, wie hier
solch ein menschenverachtendes Schild hängen kann“, sagt die Leiterin der
Flüchtlingshilfe Lippe.
Droste sieht in der Androhung, mit „meckernden“ Asylsuchenden kurzen
Prozess zu machen, einen Skandal mit Symbolcharakter. Besonders durch die
rechtliche Konstruktion sogenannter sicherer Herkunftsstaaten sei es
bereits systematisch angelegt, dass Menschen aufgrund ihrer Nationalität
der Schutz vor Verfolgung pauschal verwehrt wird, kritisiert die
Aktivistin. „Wer meckert, wird erschossen!“: Vor diesem blutigen Gesetz
sind viele Asylbewerber aus ihrer Heimat überhaupt erst nach Deutschland
geflohen.
Die Stadt Bielefeld bringt das in Erklärungsnot. Ein Bericht der Neuen
Westfälischen hatte den Fall am Freitag bekannt gemacht und im Netz einen
Sturm der Empörung losgetreten. Der Leiter der Einrichtung, Thorsten
Böhling, zeigte sich zunächst unwissend. Er könne sich nicht vorstellen,
dass ein derartiges Schild in seiner Behörde hinge, sagt er der
Lokalzeitung. Falls doch, werde das Plakat am Montagmorgen vor Öffnung der
Behörde beseitigt. Schließlich würde am Wochenende ohnehin kein Mensch das
Schild mehr sehen.
## Beatrix von Storch lässt grüßen
„Keine Frage: Das Schild ist unmenschlich und geschmacklos“, sagt Gisella
Bockermann, Pressesprecherin der Stadt, auf Nachfrage der taz. Sie ist sich
der Brisanz dieses Warnschilds bewusst. Bielefelder Flüchtlingshelfer
kritisierten, der Spruch spiegele die aktuelle rassistische Realität in
Deutschland wider: So fordern auch Rechtspopulisten wie Beatrix von Storch,
dass auch an deutschen Grenzen von Schusswaffen Gebrauch gemacht wird.
Bockermann legt daher Wert auf die Feststellung, dass der Spruch bereits am
Freitag entfernt worden sei. Das Warnschild „Wer meckert, wird erschossen!“
rücke das ZAB aus ihrer Sicht in ein völlig falsches Licht, da die
Angestellten bislang alle einen „sensibilisierten“ Umgang mit Asylbewerbern
gezeigt hätten. WelcheR MitarbeiterIn sich aber mit diesem wenig
emphatischen Spruch als schießwütiger Asylgegner geoutet hat, sei nach wie
vor nicht geklärt. Und wie aus Bockermanns Worten hervorgeht, outet sich
Bielefeld als Stadt, in der solche Geheimnisse gut aufgehoben sind: Denn
mit personellen Konsequenzen muss der oder die TäterIn wohl nicht rechnen.
Ein runder Tisch mit den Angestellten am Montagmorgen habe jedenfalls wenig
Aufklärung gebracht: „Da hat natürlich keiner seinen Finger gehoben“, sagt
die Pressesprecherin. Nun wolle man auch die Angestellten eines
Sicherheitsdienstes befragen, die den Empfangsraum außerhalb der Bürozeiten
besetzen. Die Sprecherin der Stadt zeigt jedoch wenig Hoffnung: „Der
Konsequenz, einen Mitarbeiter personalrechtlich zur Rechenschaft zu ziehen,
werden wir nicht nachkommen können.“ Damit sich ein derartiger Vorfall
nicht mehr wiederholt, schlägt sie vor, „einfach genauer hinzusehen.“ Das
wäre keine schlechte Idee: Wie lange das Schild bereits in der
Empfangshalle hing, kann nämlich keiner der Angestellten sagen.
14 Jun 2016
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Bielefeldverschw%C3%B6rung
[2] http://neu.fluechtlingshilfe-lippe.de/pressemitteilung-der-fluechtlingshilf…
## AUTOREN
Michael Gruber
## TAGS
Asyl
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