Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Koma beim Komma
> Sprachkritik: Die einen lassen den kleinen Beistrich verschwinden, die
> anderen schießen ihn mit der Schrotflinte in die Texte hinein.
Bild: Man kann sich die Kommas auch gleich auf die Augen pinseln
Eckhard Henscheid nahm es vor vierzig Jahren von der lustigen Seite, als er
in seinem Aufsatz „Happige Grammatik“ konstatierte: „Es ist schon etwas
Merkwürdiges um den Beistrich (Komma), jenes schmale Häkchen, das doch,
allein durch seine Stellung, die ganzen langen Sätze mit ihren vielen
dicken und breiten Wörtern vollkommen in der Hand hat. Denn ist es nicht
etwas unvergleichlich anderes zu sagen: ,Er kam, um zu gießen' und: ,Er kam
um, zu Gießen?‘ Ohne Frage.“
Merkwürdig ist es bis heute um das Komma bestellt. Auch lustig kann es nach
wie vor sein, wenn eine Bäckerei als Lockangebot „1 Stück Krapfen gefüllt
mit einer Tasse Kaffee“ annonciert oder ein Wohnungssuchender im Konstanzer
Südkurier ein Inserat aufgibt, in dem er sich als „Prof. verheiratet mit
Tochter (16)“ vorstellt.
Das kleine Komma kann eben große Wirkung haben – selbst wenn es fehlt. Es
zu setzen, hilft aber nicht, weil es dann falsch gesetzt wird.
Beispielsweise steht bei einer Aufzählung mit „und“ sowie „sowie“ oder
„oder“ kein Komma, aber die einfache Regel klingt einfacher, als sie ist:
Deshalb besticht ein Film durch „deftige Dialoge, und einen bitteren Plot“
(taz), dieweil Karl May dem Publikum vorgaukelte, „die Abenteuer mit Kara
ben Nemsi, oder mit Old Shatterhand selbst erlebt zu haben“
(Phoenix-Videotext; nebenbei: Muss es statt „mit“ nicht „als“ heißen?);
wohingegen die Polizei bei einer Razzia „den Computer, sowie eine externe
Festplatte“ beschlagnahmt und dafür ein Komma in der taz hinterlässt.
Noch schwieriger, als bei einer Aufzählung, ist es mit dem Komma bei
Konjunktionen wie es in diesem Satz vorgeführt wird. Wo ein Komma stehen
muss, weil ein Nebensatz folgt, steht daher keins: „Sie wollten damit
deutlich machen wie wichtig ihnen der Erhalt des Manteltarifvertrags ist“,
lobt die Journalistenzeitschrift Menschen machen Medien. „Sie blieben
zusammen bis Loki starb“, berichtete die taz aus vage erinnerlichem Anlass;
„dass die Gäste lieber nach draußen gingen als die Toiletten zu benutzen“,
beklagt das Göttinger Tageblatt.
Umgekehrt verhält es sich, wenn es sich statt um einen Nebensatz um ein
Satzglied handelt: Dann steht keins, also steht eins. „2009 gab es 17.000
Aufstocker weniger, als zur Zeit der letzten verfügbaren Statistik 2011“;
die Basken „sind für die gute Küche ebenso bekannt, wie für den Kampf um
Unabhängigkeit“ (beides: taz); und in China regiert einer, der „weder von
Mao Zedong, noch von Deng Xiao Ping ausgewählt wurde“ (Phoenix-Videotext).
Wie man's macht, ist’s falsch, und macht man’s falsch, ist’s auch nicht
richtig: Außer Eckhard Henscheid (immer) hat auch der Volksmund (manchmal)
recht. „Nach einem Freistoß von Messi, kann Piqué per Kopf verwandeln“,
meldet der ZDF-Videotext. „In Ihrer Zeit beim ,Scheibenwischer', haben Sie
vor allem die CSU verärgert“, erinnert der Spiegel-Reporter sein Gegenüber
Gerhard Polt; „bekannte Gesichter haben am vergangenen Sonnabend, die
Suppenkellen geschwungen“, freut sich das Göttinger Tageblatt über eine
Wohltätigkeitsveranstaltung und der Leser über ein schiefes Bild.
Der sich zudem wundert, dass nicht nur fakultative Umstandsergänzungen,
sondern sogar das syntaktisch notwendige Akkusativobjekt mit einem Komma
ausgesperrt wird. „Ein paar Tage nach der Liveübertragung finden Sie hier,
das Video mit deutschen Untertiteln“, verspricht der Arte-Videotext. Sogar
das Subjekt kommt in Quarantäne, als wäre es ein Fremdkörper im eigenen
Satz: „Ein alter Professor und Stammkunde, legt ihr die Hand auf den Arm“;
„dass die Frau, die große Unbekannte des Kunstbetriebs sei“, steht
ebenfalls in der groß bekannten taz.
## Wenn verschwendete Kommas anderswo fehlen
Die nutzlos verschwendeten Kommata fehlen anderswo. Insbesondere für
eingeschobene Nebensätze ist keins mehr da, so dass die Leser geradewegs
ins Bockshorn gejagt werden. In einer taz-Kolumne über Herrn Matussek
erwähnte die Autorin „einen Herrn aus München, der mir schrieb, er habe
noch die Tagebücher im Keller, als M. in seiner Wohnung ein und aus ging
und fragte“ – M. fragte also – „und fragte, ob ich gern wissen würde, …
drinsteht.“ Es war der Herr aus München, der fragte.
Vor „und“ sollte in manchen Fällen eben doch ein Komma stehen, zum Beispiel
auch dann, wenn ein Hauptsatz folgt. „Es geht um Hasskommentare auf der
Internetplattform und Zuckerbergs wohldosierte Selbstkritik ist genau das,
was die Politik hierzulande hören will“ (taz). Nein, richtig wäre ein Komma
nach der „Internetplattform“, weil die Selbstkritik nicht von gleichem Rang
ist wie das Thema Hasskommentare, sondern ihm untergeordnet.
Mit Komma wäre das Missverständnis nicht passiert. Stimmt’s, oder habe ich
recht? „Im Prinzip, ja“ (taz) – oder, sowohl als, auch?
21 Jun 2016
## AUTOREN
Peter Köhler
## TAGS
Sprachkritik
Die Linke
Medienkritik
Gerd Müller
Französische Literatur
Linguistik
Johanna Wanka
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Doppelpack der Kambodschaner
Schurken, die die Welt beherrschen wollen: Heute in unserer beliebten Reihe
– Katja „Rosa“ Kipping und Bernd „Wladimir Iljitsch“ Riexinger.
Die Wahrheit: Soooo gefühlvoll!
Die Emo ist überall und soll stets Produkte verkaufen – bloß nicht
intellektuell tiefer greifen.
Die Wahrheit: Der Doppelgänger
Schurken, die die Welt beherrschen wollen. Heute: Gerd „Bomber“ Müller.
Merkels oberster Entwickler und Gesandter in Sachen Schweinshaxe.
Die Wahrheit: Weltliteratur aus dem Schuhkarton
Es grenzt an eine literarische Sensation: Forscher entdecken unbekannte
„Stilübungen“ des französischen Surrealisten Raymond Queneau.
Die Wahrheit: Gar. Nicht. Gut.
Der Punkt wird immer mehr zum Überzeichen, er ersetzt alle anderen Zeichen.
Punkt. Hier bitte weiterlesen. Punkt.
Die Wahrheit: Die Endeffektive
Schurken, die die Welt beherrschen wollen. Heute: Bundesbildungsministerin
Johanna „Janka“ Wanka.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.