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# taz.de -- Die Wahrheit: Der Doppelgänger
> Schurken, die die Welt beherrschen wollen. Heute: Gerd „Bomber“ Müller.
> Merkels oberster Entwickler und Gesandter in Sachen Schweinshaxe.
Bild: Leicht zu verwechseln: Gerd Müller, Müller, Müller, Müller …
Die Überraschung hätte dicker nicht sein können. „Gerd Müller, Star des FC
Bayern München und Torschützenkönig der Nationalmannschaft“, ließ die
türkische Zeitung Hürriyet am 17. März 2013 die Sensation vom Stapel, „wird
Minister!“ Damit hatte die Zeitung zwar volley danebengeschossen, indes:
Den Schwaben Gerd Müller aus dem Allgäu, den Angela Merkel als
Entwicklungshilfeminister in ihr Team für die neue Saison geholt hatte,
hatte auch sonst kein Kommentator auf dem Zettel.
Für den CSU-Politiker aber bot sich die Chance, noch einmal groß
herauszukommen, nachdem er seine aktive Laufbahn 1981 im Alter von 36
Jahren . . . stop: nachdem er bis dahin als Lokalpolitiker und zweiter
Bürgermeister seiner Heimatstadt Krumbach, als Oberregierungsrat im
bayerischen Wirtschaftsministerium und als Parlamentarier in Bonn und
Berlin nie durch seinen Torriecher aufgefallen war.
Nun, als Bundesminister, konnte Gerd Müller endlich darangehen, sich aus
dem schweren Schatten seines genialen Namensvetters zu lösen. Zwar wird er
bei seinen Auslandsreisen immer einmal gebeten, seinen Siegtreffer zum 2:1
im WM-Finale gegen Holland 1974 nachzuspielen, aber Gerd Müller ist
sportbegeistert bis tief in die Hüfte und auch mit 60 Jahren wendig genug,
um auf engstem Raum Ballannahme, blitzartige Körperdrehung und Torschuss
perfekt wie in seinen besten Zeiten vorzuführen. Schließlich hat er schon
in seiner Kindheit, die er auf dem elterlichen Bauernhof in Unterbleichen
bei Krumbach verbrachte, manches Ferkel 3.000-mal gegen die Stallwand
geschossen, um seine Technik zu verfeinern!
## Sportbegeistert bis tief in die Hüfte
Als Max Merkel . . . nein: Angela Merkel ihn in ihren Kader berief, folgte
sie einer Empfehlung ihres bayerischen Talentscouts Horst Seehofer, der
Gerd Müller bereits 2005 entdeckt und als Parlamentarischen Staatssekretär
für das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung verpflichtet
hatte. Ein Glücksgriff, denn Gerd Müller erwies sich für den Absatz von
deutschem Schweinefleisch in China und im Rest der runden Erdkugel als der
beste Verkäufer, den der deutsche Fußball je gesehen hatte. Schon während
seiner aktiven Zeit war die Vorliebe des Torjägers des FC Bayern für
Schnitzel und Schweinshaxe bekannt, nun, als Gesandter der deutschen
Wirtschaft und Politik, schoss Gerd Müllers Glaubwürdigkeit bumsgenau durch
die Decke.
Dass Gerd Müller stets dementierte, Gerd Müller zu sein – diese
Bescheidenheit machte ihn bei den ausländischen Kunden nur sympathischer.
Er selbst hatte allerdings wirklich Schwierigkeiten bei der
Identitätsfindung, schob 1987 eine Doktorarbeit namens „Die Junge Union
Bayerns und ihr Beitrag zur politischen Jugend- und Erwachsenenbildung“
zusammen, quasi zur Vergewisserung seiner selbst als Vorsitzender der
Jungen Union in Bayern; von den Bayern wurde er denn auch als Trainer in
die Jugendarbeit des Vereins eingebunden.
Später fand sich Gerd Müller damit ab, stets für Gerd Müller gehalten zu
werden. Noch 1994 aber war er es leid, als Abgeordneter im Europaparlament
für immer auf den weltberühmten Mittelstürmer reduziert zu werden und sich
Sticheleien anhören zu müssen, wenn er dann doch mit edlem Schuhwerk statt
mit Adidas-Schlappen im Plenarsaal auflief oder bei einer Abstimmung mit
langer Hose antrat. Er wechselte die Liga und ging zum deutschen Bundestag,
wo die CSU dem Rekordtorschützen der Bundesliga einen Stammplatz in den
Ausschüssen für Landwirtschaft, Ernährung, Umwelt und Tourismus
garantierte.
## Körpereinsatz für die deutsche Lebensmittelindustrie
Dass Gerd Müller sogar Minister wurde, hat erstens mit seinem schon
zitierten vollen Körpereinsatz für die deutsche Lebensmittelindustrie zu
tun, für die er bei seinen Staatsbesuchen in Afrika und Asien notfalls in
die Verlängerung geht. Zweitens trainierte er bereits in seinem Wahlkreis
Oberallgäu in Sachen Entwicklungshilfe, trieb die Fertigstellung der
Autobahnen A96 und A7 ebenso in Bestform voran wie den vierspurigen Ausbau
der B19 bis zum TSV Nördlingen, halt: bis Sonthofen. Drittens hatte Gerd
Müller ja schon als Fußballer die halbe Welt von der Pike aufwärts bereist!
Gerd Müller zu sein, nimmt Gerd Müller heute mit Humor. Es macht ihm nichts
aus, wenn ihn in Indien oder Benin jemand auf seinen Doppelgänger in Berlin
anspricht und ihn fragt, ob er ihm schon einmal persönlich begegnet sei und
ob es nicht bis obenhin lästig sei, ständig mit ihm verwechselt zu werden.
Aber Gerd Müller ist Gerd-Müller-Fan und steckt die Blessuren, die solche
Fragen bei einem weniger austrainierten Politiker hinterlassen würden, mit
einem routiniert aufgemalten Schmunzeln weg.
Wenn er aber doch einmal eine Verletzung davonträgt, erholt er sich bei
einem Heimspiel in den Armen seiner Frau, einer Niederländerin und der
lebende, ja lebendige Beweis, dass unsere Nachbarn ihm die Niederlage von
1974 verziehen haben. Wenn Gerd Müller dann noch ins Tor trifft, jubelt sie
sogar!
12 Jul 2016
## AUTOREN
Peter Köhler
## TAGS
Gerd Müller
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Französische Literatur
Johanna Wanka
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