# taz.de -- Geräuschemacher Martin Langenbach: Nachts, wenn die Handschuhe fli… | |
> Braucht ein Filmemacher einen bestimmten Sound, kriegt er den in einer | |
> Datenbank. Oder er geht in ein Hamburger Industriegebiet. | |
Bild: Klappern, kratzen, streicheln: Martin Langenbach bei der Arbeit | |
HAMBURG taz | Wenn man bewusst seine Arbeit hört, ist sie eigentlich schon | |
missraten. Mit diesem Dilemma muss Martin Langenbach leben: Als | |
Geräuschemacher hat er die Aufgabe, Klänge zu erzeugen – un d die müssen | |
sich so echt anhören, als wären sie eben nicht im Studio entstanden. | |
Zusammen mit der Musik und den Effekten des Sounddesigners bilden sie den | |
akustischen Hintergrund. | |
Dass im Filmgeschäft – das auf allen Ebenen so durchdigitalisiert ist wie | |
kaum eine andere Branche – immer noch ganz altmodisch mit Requisiten in | |
einem Tonstudio Geräusche produziert werden – verwunderlich. Denn es gibt | |
inzwischen riesige Datenbänke, in denen denen sich fast jedes existierende | |
Geräusch finden und dann weiterbenutzen lässt. | |
Langenbach stellt die Gegenrechnung auf: Die Suche nach dem Geräusch, das | |
dann ja auch synchron sein muss, wäre so zeitaufwendig, dass es mehr Sinn | |
haben kann, es doch gleich selbst zu erzeugen. In einem Kammerspiel mit nur | |
drei handelnden Personen kämen leicht um die 1000 Schritte zusammen, | |
rechnet er vor, die sowohl zeitlich wie atmosphärisch genau passen müssen. | |
Auch sei Regen beispielsweise nicht gleich Regen: Es gebe ja „starken oder | |
Nieselregen, dicke Tropfen, dünne Tropfen, Regen auf Blechdach, auf | |
Autodach, auf Blätter, eine Wiese oder einen See“. All diese Klänge kann | |
Langenbach in seinem Studio viel schneller und pointierter produzieren als | |
es mit den Originaltönen oder Material aus einem Archiv möglich wäre und so | |
scheint das Geräuschemachen noch lange die letzte analoge Nische in der | |
Filmproduktion zu bleiben. | |
In einem industriell geprägten Teil des Hamburger Stadtteils Wilhelmsburg | |
hat sich der 1972 in der Schweiz geborene Langenbach sein Studio | |
eingerichtet. Der Aufnahmeraum und einige Nebenzimmer sind voller | |
Requisiten, die er sich über die Jahre zusammengesammelt hat, und mit denen | |
er häufig nur jeweils einen ganz besonderen Ton erzeugen kann. | |
Ist dieses Objekt da nun ein Einrichtungsgegenstand, jenes ein Möbelstück – | |
oder eben doch ein Klangkörper? Bei den Plastikkästen mit Geröll, der | |
kleinen Wasserwanne, den verschiedenen Bodenbelägen oder den vielen Schuhen | |
ist dies noch recht eindeutig zu erkennen. Aber die Kleidungstücke auf | |
einer Garderobenstange? Langenbach zeigt auf eine Flanell-Schlafanzughose, | |
die bei den Aufnahmen seine eigene Arbeitskleidung ist – weil sie selbst so | |
gut wie keine Geräusche macht. | |
## Man erkennt sie an den Schritten | |
Aus dem Sound, den Kleidungsstücke bei Bewegung erzeugen, besteht | |
tatsächlich ein großer Teil der Arbeit von Langenbach. Noch wichtiger sind | |
aber die erwähnten Schritte: Schritte auf unterschiedlichen Untergründen, | |
zögernde, eilende, traurige oder fröhliche. „An seinen Schritten kann man | |
einen guten Geräuschemacher erkennen“, das ist ein Spruch von Joern Poetzl, | |
dem alten Meister des Geräuschemachens, bei dem Langenbach in den | |
90er-Jahren für einige Zeit lang als Assistent arbeitete. | |
Aber wie wird man eigentlich Geräuschemacher? Ein Traumberuf ist das eher | |
nicht, obwohl sich inzwischen junge Leute bei Langenbach melden, die gerne | |
bei ihm lernen würden. Ihn verwundert das: Er selbst wollte damals Filme | |
machen, hatte sich nach Abitur und Zivildienst bei einer Filmhochschule | |
beworben und dafür war ein Praktikum erforderlich gewesen. Den Platz bekam | |
er in einem Tonstudio, und als dort einmal, klar, Schritte auf einer | |
Tonspur fehlten, sollte er – zuständig für alles und nichts – sie erzeuge… | |
Das bekam er hin, und das so gut, dass das Studio danach auch | |
Sounddesign-Aufträge annahm und Langenbach irgendwann sogar seinen eigenen | |
Studioanbau dafür erhielt. In den 90er-Jaren arbeitete er zunächst als | |
Sounddesigner, war also verantwortlich für die gesamte Mischung der | |
Geräusche auf der Tonspur. Dann spezialisierte er sich auf die Produktion | |
der Geräusche. | |
## Komplexere Arbeit | |
Der Grund? Sounddesigner werden zwar besser bezahlt, arbeiten aber auch | |
Wochen lang an einem einzigen Film. Dagegen wird die Arbeit des | |
Geräuschemachers in Tagen gemessen. [1][Die International Movie Data Base] | |
führt Langenbach als „foley artist“ – nach Hollywoods erstem | |
Geräuschemacher Jack Donovan Foley – mit rund 350 Filmen. Der früheste ist | |
„Die Mediocren“ von 1995, einer der jüngsten war die Komödie „Toni | |
Erdmann“. Aber es fehlen viele Dokumentationen Kurzfilme, Werbespots und | |
Hörspiele – Langenbach macht Geräusche für all diese Formate. | |
Bei seiner Arbeit versuche er stets „Natürlichkeit zu produzieren“, sagt | |
Langenbach. Und diese Arbeit ist komplexer geworden, seit er damals noch | |
mit den sieben Tonspuren gearbeitet hat, wie sie im Studio üblich waren. | |
Inzwischen sitzt der Tonmeister, mit dem der Geräuschemacher stets im Team | |
arbeitet, vor einem Mischpult, mittels dessen die Geräusche für einzelne | |
Szenen aus vielen einzelnen Elementen zusammengesetzt werden. | |
Bei einem Sturz in die Tiefe klöttern da Dutzende von Wagenteilen und | |
Gepäckstücken. Und beim Einbrechen in einen gefrorenen See werden das | |
Brechen des Eises, das Knarren der Schuhe, das Knistern der gefrorenen | |
Gräser und das Plätschern des Wassers einzeln aufgenommen und dann | |
gemischt. Kommt ein Gewitter heute auch bei Langenbach aus dem Archiv, | |
erhielt er andererseits für das Kriegsdrama „Unter dem Sand“ tatsächlich | |
die Landminen zugesandt, mit denen im Film die deutschen Kriegsgefangenen | |
hantieren. | |
Am häufigsten tritt er aber mit unterschiedlichem Schuhwerk auf | |
verschiedenen Unterlagen herum, reibt und scheuert an Dingen aus seinem | |
Arsenal, klappert, kratzt, schlägt, streichelt und plätschert. Die Kunst | |
des Geräuschemachers besteht darin, sich in diesem Kosmos so gut | |
auszukennen, dass er mit seinen Tönen sowohl die Dramaturgie wie auch die | |
Stimmung ein Films unterstützt. Und es gibt diese geglückten Momente: Wenn | |
sich die Atmosphäre eines morastigen Sees mit einem simplen Waschlappen | |
erzeugen lässt. Oder er mit zwei Handschuhen das Vorbeifliegen einer | |
Fledermaus hinbekommt – und keiner hat es gemerkt. | |
16 Jun 2016 | |
## LINKS | |
[1] /www.imdb.com/name/nm0486248/: | |
## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
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