# taz.de -- Film-Musik: Der Musikberater | |
> Der Bremer Mike Beilfuß berät Filmemacher zum Einsatz von Musik im Film. | |
> Dabei geht es vor allem um die Frage nach den Rechten und den Kosten. | |
Bild: Hat sich auf die Tonebene von Filmen spezialisiert: Mike Beilfuß. | |
In den Abspännen von Filmen findet man oft seltsame Berufsbezeichnungen. | |
Ein „foley artist“ ist etwa ein Geräuschemacher und er wird so benannt, | |
weil ein Jack Foley im Hollywood-Kino in diesem Handwerk den Standard | |
setzte. Auch das Gewerk der „music supervision“ konnte man bis vor kurzem | |
vor allem in den Abspännen von amerikanischen Filmen entdecken, doch seit | |
einiger Zeit wird es immer öfter auch bei deutschen Produktionen aufgeführt | |
– manchmal auch bieder als „Musikberatung“. | |
## Agentur für Filmmusiker | |
Einer, der in diesem Metier tätig ist, ist der 37-jährige Bremer Mike | |
Beilfuß. Schon als Student der Musikwissenschaften hatte er sich für die | |
Verknüpfung von Musik und Film interessiert. Dann war er einige Jahre einer | |
der Herausgeber der Zeitschrift Cinema Musica. Bei dieser journalistischen | |
Arbeit fiel ihm auf, dass es in Deutschland kaum Agenten für Filmmusiker | |
gab und so gründete er eine Agentur, mit der er inzwischen auf der Tonebene | |
alle Teilaspekte der Postproduktion organisieren kann – zu diesen zählt | |
auch die music supervision. | |
Während die Filmmusiker eigens für eine Produktion komponieren und ihre | |
Stücke einspielen, ist der music supervisor für das musikalische | |
Fremdmaterial im Film verantwortlich. Also für Songs, die oft durch ihre | |
Vertrautheit eine sehr intensive emotionale Wirkung haben, weil sie | |
Erinnerungen und Assoziationen in den Zuschauern wecken. | |
Mit der Arbeit an großen Spielfilmen wie Fatih Akins „Soul Kitchen“ oder | |
Uli Edels „Der Baader Meinhof Komplex“ hat sich die in Hamburg lebende Pia | |
Hoffmann in diesem Metier einen Namen gemacht. So war sie etwa für die | |
Entscheidung verantwortlich, den Seelöwen in dem computeranimierten Remake | |
von „Urmel aus dem Eis“ nicht, wie bei der Augsburger Puppenkiste, „Auch | |
ich war ein Jüngling mit lockigem Haar“, sondern „What a Wonderful World“ | |
von Louis Armstrong singen zu lassen. | |
Mike Beilfuß hat sich dagegen auf kleinere Produktionen mit einem Budget | |
zwischen 500.000 und zwei Millionen Euro spezialisiert. Im Gespräch räumt | |
er auch gleich mit der gängigen Vorstellung auf, ein Musikberater würde vor | |
allem die in einem Film gespielten Lieder aussuchen. Dies kommt zwar vor, | |
ist aber eher die Ausnahme, weil die Filmemacher fast immer schon ihre | |
eigene Spielliste haben, und sich dabei auch nicht gerne dreinreden lassen. | |
Manchmal sind die Regisseure beratungsresistent und verteilen ihre | |
Lieblingssongs ohne Gespür für deren Wirkung über die Filme. | |
Da der music supervisor in der Hierarchie einer Filmproduktion eher unten | |
steht, und ab einer gewissen Budgetgröße nicht mehr mit dem Produzenten, | |
sondern mit dem Produktionsassistenten verhandelt, sollte man ihn nicht | |
grundsätzlich für die Qualität der Musik im Film verantwortlich machen. | |
Der größte Teile seiner Arbeit besteht darin, die Rechte für die | |
Musikstücke zu verhandeln. Denn während bei Fernsehproduktionen die Rechte | |
der Urheber mit einer vergleichsweise günstigen Pauschale abgegolten | |
werden, müssen für Filme, die in Kinos gezeigt werden, für jedes einzelne | |
Lied die Rechte erworben werden. Dabei gibt es jeweils die Rechte des | |
Komponisten und die „Bandrechte“, also jene für die Aufnahme. | |
Oft ist eine komplizierte und lange Recherche vonnöten, um die | |
Rechteinhaber zu finden, und dann wird mit ihnen um den Preis gefeilscht. | |
Je bekannter die Songs und Interpreten, desto teurer sind die Rechte, und | |
die Rechteinhaber können sich auch weigern, die Stücke freizugeben. Deshalb | |
hört man selbst in teuren amerikanischen Produktionen nur sehr selten einen | |
Song von den Beatles und Rainer Werner Fassbinders „Warnung vor einer | |
heiligen Nutte“ von 1972 wurde lange nur in einer akustisch verstümmelten | |
Fassung gezeigt, weil darin ganz unbekümmert Stücke von Elvis, Ray Charles | |
und Spooky Tooth verwendet wurden. | |
## Unbekanntes Orchester | |
Manchmal sind die Bandrechte zu teuer und so entschied sich Beilfuß etwa, | |
für die „Wassermusik“ von Georg Friedrich Händel nicht die berühmte | |
Aufnahme von Karajan, sondern eine ähnlich gute von einem unbekannteren | |
Orchester zu verwenden. Wenn ein bekannter Pophit oder Schlager im Film ein | |
wenig anders klingt, liegt dies vielleicht daran, dass es günstiger war, | |
ihn möglichst präzise selber nachzubauen. | |
Für ein kleines Budget sind auch die Kosten für einzelne Songs oft zu hoch, | |
und dann ist es die Aufgabe des Musikberaters, eine günstigere Lösung zu | |
finden. Bei dem Spielfilm „Agnieszka“ wollte etwa der Regisseur Thomas E. | |
Rudzik den Song „Et Maintenant“ von Gilbert Becáud verwenden, aber mit | |
jeweils 5.500 Euro für Urheber- und Aufnahmerechte war er zu teuer. Mike | |
Beilfuß fand dann ein um 4.000 Euro günstigeres Chanson von Serge | |
Gainsbourg, und es ergab sich, dass es in der Szene sogar besser passte. | |
Es macht auch einen Unterschied, ob ein Film nur in Deutschland oder | |
international vermarktet wird, und bei einigen Filmen mussten schon andere | |
Tonmischungen produziert werden, weil sie auf Filmfestivals im Ausland | |
gezeigt wurden. | |
Wenn eine Filmproduktion es mit den Musikrechten nicht so genau nimmt, kann | |
dies extreme Konsequenzen haben. Wenn man sie erwischt, und die Chancen | |
dafür sind groß, stellen die Rechteinhaber natürlich Maximalforderungen. | |
Aus den üblichen 2.000 Euro können da durchaus 12.000 Euro werden und im | |
Extremfall kann durch eine einstweilige Verfügung die Vorführung des Films | |
verboten werden. | |
## Aktueller HipHop | |
Für Mike Beilfuß sind Kenntnisse in den verschiedensten Stilen nötig. So | |
arbeitet er sich gerade für die Produktion „Vier Könige“ mit August Diel, | |
deren Dreharbeiten erst beginnen, in aktuelle HipHop-Musik ein, weil eine | |
der Protagonistinnen 16 Jahre alt ist und im Drehbuch steht, dass sie einen | |
Kopfhörer im Ohr hat und in eine Disco geht. | |
Inzwischen hat Beilfuß einen beachtlichen Stall von Filmklangkünstlern, | |
denn er vertritt nicht nur Komponisten, sondern auch Sounddesigner, | |
Tonmischer, Tonmeister und – jawohl – auch einen Foley-Artisten. | |
7 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
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