# taz.de -- Südafrika beschließt Landreform: Das Erbe der Apartheid überwind… | |
> Der ANC beschließt ein Gesetz, das Enteignungen gegen Entschädigung | |
> ermöglicht. Weiße Farmer besitzen die Mehrheit des fruchtbaren Landes. | |
Bild: Land fällt vom Himmel: Auftaktveranstaltung des ANC-Kommunalwahlkampfes … | |
JOHANNESBURG taz | Südafrika will jetzt die Landreform beschleunigen: Nach | |
jahrelangem Hin und Her hat das Parlament am späten Donnerstag ein Gesetz | |
verabschiedet, das die Enteignung von Grund und Boden gegen Entschädigung | |
erlaubt. Der regierende Afrikanische Nationalkongresses (ANC) hat | |
angekündigt, damit die Ungerechtigkeit aus der Apartheid-Ära endlich | |
ausgleichen zu wollen: 22 Jahre nach dem Ende des weißen Minderheitsregimes | |
ist fruchtbares Farmland noch immer hauptsächlich in weißer Hand. | |
Als historischen Wendepunkt bezeichnet der ANC das neue Gesetz, dass in den | |
nächsten Wochen von Präsident Jacob Zuma unterzeichnet werden soll, und als | |
einen Sieg für Millionen von besitzlosen Südafrikanern. | |
Es soll nun möglich sein, Land- und Grundbesitz zu enteignen, wenn dies im | |
„öffentlichen Interesse“ liegt. Ein von der Regierung gestellter | |
„Schiedsrichter“ soll den Wert des Grundstücks angeblich fair und gerecht | |
festlegen und Entschädigungen aussprechen. Damit wird das bisherige Prinzip | |
„willing seller – willing buyer“ beendet, die seit 1994 nur die | |
Umverteilung von zehn Prozent des weißen Farmlandes ermöglicht hat – ein | |
Drittel dessen, was sich der ANC als Zielvorgabe gesetzt hatte. | |
Der Staat hatte unter diesem Prinzip verkaufswilligen Landbesitzern ihr | |
Eigentum abgekauft und es dann an landlose Schwarze verteilt. Es kam aber | |
nur zu wenig erfolgreichen Verkäufen. Viele kleine Farmen leiden derzeit | |
zudem unter den Folgen der bisher größten Dürre in diesem Jahrhundert. | |
## Rechte und linke Opposition dagegen | |
Das neue Gesetz ist seit 2008 in Arbeit. Fertig wird es nun rechtzeitig vor | |
Süafrikas Kommunalwahlen im August, bei denen der ANC wegen der sich | |
ständig verschlimmernden Korruptionsskandale um Präsident Jacob Zuma und | |
dem Erstarken linker Protestbewegungen wie der neuen linken | |
Oppositionspartei EFF (Economic Freedom Fighters) unter beispiellosem Druck | |
steht. | |
Die größte Oppositionspartei, die liberale Demokratische Allianz (DA) lehnt | |
das Gesetz ab. Sie kritisiert, der Ausdruck „Grundbesitz“ sei nicht klar | |
definiert – es könnte sein, dass nun mehr als nur Land enteignet werden | |
kann. Auch würden die Entschädigungen möglicherweise ausstehende Rechnungen | |
oder Kredite der zu enteignenden Farmer nicht abdecken, was für diese zu | |
finanziellen Schwierigkeiten führen könne, so die DA, in der auch | |
Südafrikas Weiße organisiert sind. | |
Die linksoppositionelle EFF hingegen lehnt das Gesetz aus einem anderen | |
Grund ab: Sie lehnt Entschädigungszahlungen ab, weil das Land der weißen | |
Farmer „gestohlenes Land“ sei. Auch die gemäßigte schwarze | |
Oppositionspartei United Democratic Movement (UDM) ist gegen das Gesetz, | |
weil Land, das vor den ersten Apartheidgesetzen von 1913 an Weiße ging, | |
nicht einbezogen ist. | |
## Negativbeispiel Simbabwe | |
Land und die Umverteilung an während der Apartheid unterdrückte schwarze | |
Südafrikaner ist in den politischen Debatten Südafrikas nicht wegzudenken. | |
Es ist ein gefühlsmäßig beladenes Thema, das oftmals Ängste hervorruft, | |
wonach mit einer entschlossenen gegen Weiße gerichteten Enteignungspolitik | |
Südafrika den Weg des Nachbarlandes Simbabwe einschlagen könnte. | |
Dort sind unter Präsident Robert Mugabe in den letzten 15 Jahren fast alle | |
weißen Farmer gewaltsam enteignet worden; viele Farmen gingen in den Besitz | |
hochrangiger Parteigenossen über oder ihre neuen Besitzer bekamen keinerlei | |
finanzielle oder technische Starthilfe, und sie liegen jetzt brach. Die | |
Wirtschaft des Landes ist dadurch stark geschwächt. | |
Mit dem neuen Gesetz versucht Südafrikas ANC nun, entsprechenden | |
Befürchtungen entgegenzutreten: Man wolle eben nicht willkürlich agieren, | |
sondern sich an Gesetze halten und nicht den Weg gewaltsamer Enteignungen | |
gehen. | |
27 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Martina Schwikowski | |
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