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# taz.de -- Bergarbeiter können Konzerne verklagen: Hoffnung für Südafrikas …
> Minenarbeiter leiden wegen übler Arbeitsbedingungen an Staublungen. Nun
> dürfen sie Sammelklagen gegen die Bergbaukonzerne einreichen.
Bild: Zehntausende Minenarbeiter haben Lungenerkrankungen
Johannesburg taz | Die ehemaligen Kumpels südafrikanischer Goldminen
jubelten und tanzten vor dem Gericht in Johannesburg, als die Entscheidung
verkündet wurde: Endlich haben sie eine Chance auf Gerechtigkeit erhalten.
Die Richter machten den Weg frei für die bisher größte Sammelklage gegen
Bergbaukonzerne. 69 Bergleute werfen 32 Unternehmen vor, dass sie wegen der
schlechten Arbeitsbedingungen in den Bergwerken an Tuberkulose oder einer
tödlichen Staublunge erkrankt sind. Andere Betroffene können sich
anschließen und die Unternehmen gemeinsam auf Schadenersatz verklagen.
„Die Minenbosse wissen nun, dass die Bergleute keine Spielzeuge sind,
sondern sie sind Menschen und verdienen es besser“, sagte der ehemalige
Bergarbeiter Hendrik Mokoena nach der Verkündung. Der Richter betonte, dass
es für viele Bergleute unmöglich sei, einzeln gegen die Unternehmen
vorzugehen, da ihnen die finanziellen Mittel fehlten. Sie werfen den
Unternehmen vor, ihre Sorgfaltspflicht verletzt zu haben.
In vielen Bergwerken habe es demnach keine Schutzausrüstung gegeben, die
die Arbeiter vor dem Einatmen gefährlicher Stäube geschützt hätte. Vor
allem in Goldminen, wo das in silikonreichem Quarzgestein verborgene
Edelmetall gewonnen wird, entsteht beim Bohren und Abräumen ein
gesundheitsgefährdender Staub. Er enthält Teilchen, die noch nach Jahren
die Bildung von Gewebeknoten in der Lunge verursachen und so bewirken, dass
die Aufnahme von Sauerstoff immer stärker eingeschränkt wird. Die Krankheit
ist auch unter dem Namen Silikose bekannt. Eine Heilung gibt es nicht.
Zudem sind die geschädigten Lungen besonders anfällig für
Tuberkuloseerreger. Neben Aids ist die Infektionskrankheit heute die
häufigste Todesursache in Südafrika. Auf Beschwerden reagierten die
Bergbaufirmen nicht.
## Wegen Erkrankung für die Firma nutzlos
Vuyani Dwadube arbeitete als Steinbohrer der Harmony Goldmine in den
Stollen. 1995 wurde er entlassen und stellte vier Jahre später fest, dass
er an Tuberkulose litt. Er kommt gebürtig aus der ärmsten Provinz
Südafrikas, dem Ostkap, und konnte seine Familie dort kaum noch
unterstützen. „Wir waren die Angestellten der Konzerne und haben ihren
Profit gebracht, aber sie haben uns lieber aus den Firmen hinausgeworfen“,
sagt er über seine früheren Arbeitgeber.
Auch Mokoena ist 2007 an Tuberkulose erkrankt. Er hatte in der Beatrix-Mine
des Unternehmens Gold Fields bei Welkom gearbeitet. 2009 wurde er nach
Hause geschickt – mit 87.000 Rand Abfindung (heute umgerechnet etwa 5.000
Euro). Er könne nicht mehr in einem Bergwerk beschäftigt werden, sagte der
Arbeitgeber. Für die Firma war er wegen seiner Erkrankung nutzlos geworden.
Aber Mokoena musste trotz Jobverlust und Krankheit seine Familie ernähren.
„Wie sollte ich damit in meinem Alter leben“, fragt er. Damals sei er 40
Jahre alt gewesen und hatte neun Jahre in der Mine gearbeitet. Die Familie
konnte den Einkommensverlust nicht ausgleichen, mangels Geld blieb der
ältesten Tochter der Weg an die Universität versperrt.
Dennoch hatte der ehemalige Bergarbeiter Glück im Unglück. Denn schließlich
fand er Arbeit bei dem Menschenrechtsanwalt Richard Spoor, der jetzt die
Sammelklage mit Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen wie der HIV
Lobbygruppe Treatment Action Campaign und Sonke Gender Justice durchgesetzt
hat. Nun hat Mokoena vielleicht noch eine Chance auf Schadenersatz. Viele
seiner Kumpels sind inzwischen verstorben.
## Zahlen oder klagen
Die Bergbauunternehmen wollen das Urteil zunächst genau analysieren und
dann entscheiden, ob sie dagegen klagen oder sich auf Zahlungen für ihre
ehemaligen Mitarbeiter einigen. Käme es tatsächlich zu Prozessen, würde das
die Firmen eine Menge Geld kosten. Die Risikoberatung Verisk Maplecroft
geht davon aus, dass sie dann mit Stellenstreichungen reagieren werden.
„Auf die angeschlagene Bergbauindustrie kommen teure Zahlungen im großen
Rahmen zu, die sie sich nicht leisten kann“, sagte Afrika-Expertin Ruth
Bookbinder.
Südafrikas Reichtum ist vor allem durch die vielen armen Migranten
entstanden, die aus den Nachbarländern oder den ländlichen Gebieten
Südafrikas kommen. Weil sie keine anderen Möglichkeiten haben, arbeiten sie
trotz der Risiken und schlechten Bedingungen unter Tage in den Minen, dem
schleichenden Tod ausgesetzt.
In der Höchstphase der südafrikanischen Goldproduktion in den 1980er Jahren
waren bis zu einer halben Million Männer gleichzeitig in den Minen
beschäftigt. Gesundheitsschäden davongetragen haben laut Gericht insgesamt
zwischen 17.000 und 500.000 Bergarbeiter.
27 May 2016
## AUTOREN
Martina Schwikowski
## TAGS
Bergarbeiter
Gesundheit
Südafrika
Goldmine
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Apartheid
Südafrika
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