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# taz.de -- Verkehrssicherheit: Lauter potenzielle Sünder
> „Section Control“ soll alle Autofahrer fotografieren und ihre
> Geschwindigkeit erfassen – Datenschützern zufolge ein Verstoß gegen
> Grundrechte
Bild: Nicht, dass Autofahrer heute nicht kontrolliert würden: Blitzer auf eine…
HAMBURGtaz | Die Kameras stehen schon seit Anfang 2015. Auf der
Bundesstraße B6 soll die neue Anlage „Section Control“ in Zukunft Raser
erfassen und Unfälle verhindern. Im Rahmen eines Modellversuchs möchte die
niedersächsische Landesregierung das System auf Funktionalität testen. Doch
bisher durfte Section Control nicht in den Betrieb gehen. Der Grund: Die
neue Technologie widerspricht bundesweiten Datenschutzregelungen.
Auf einer Strecke von etwa drei Kilometern soll die Anlage die
Durchschnittsgeschwindigkeit aller Autofahrer errechnen, um diejenigen, die
zu schnell fahren, zu erfassen und mit einem Bußgeld zu bestrafen. Am
Beginn und Ende des Streckenabschnitts werden alle Autos fotografiert und
der Zeitpunkt registriert. Durch den Vergleich beider Zeiten wird die
Durchschnittsgeschwindigkeit jedes PKWs errechnet. Falls sie über der
zulässigen Höchstgeschwindigkeit liegt, dokumentiert ein weiterer
Fotoapparat alle zu schnell Fahrenden.
Während das niedersächsische Innenministerium sich durch die neue
Technologie mehr Verkehrssicherheit erhofft, schlägt der niedersächsische
ADAC Alarm: Section Control registriere die Kennzeichen aller Autos – egal,
ob sie zu schnell unterwegs seien oder nicht. „Hier werden alle Autofahrer
unter Generalverdacht gestellt. Das ist mit deutschem Recht nicht
vereinbar“, sagt Christine Rettig, Leiterin für Öffentlichkeitsarbeit des
ADAC Niedersachsen/Sachsen-Anhalt.
Nun hat die niedersächsische Datenschutzbehörde eine Ausnahmegenehmigung
für den 18-monatigen Probebetrieb erteilt. Falls Section Control zur
deutlichen Verringerung der Unfallzahlen führe, solle eine nur zu diesem
Zweck eingesetzte Arbeitsgruppe die rechtliche Grundlage für einen
Dauerbetrieb schaffen, also Bundesgesetze ändern. „Dann fehlt nur noch die
Zulassung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt“, sagt Philipp
Wedelich, der Pressesprecher des niedersächsischen Innenministeriums.
Besonders das Land Schleswig-Holstein kann gespannt sein auf die Ergebnisse
des Pilotprojekts: Auch dort möchte die Landesregierung Section Control auf
besonders unfallgefährdeten Straßen einführen.
Patrick Breyer, der Fraktionsvorsitzende der Piraten-Partei, zweifelt an
der Durchsetzbarkeit dieses Vorhabens: Section Control widerspreche dem
Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Auch das
Landesdatenschutzzentrum Schleswig-Holstein verweist in einer Stellungnahme
auf die Rechtswidrigkeit der neuen Anlage: Da die Daten aller Autofahrer
eine gewisse Zeit lang gespeichert würden, liege ein Grundrechtseingriff
vor. „Wir werden alle Autofahrer auffordern, eine Unterlassungsklage zu
erheben“, kündigt Breyer an.
Zudem sei die Technologie, die bei Section Control zum Einsatz kommt, teuer
und höchst fehleranfällig. „Das BKA nutzt diese Technologie schon länger,
um im Rahmen einer Strafverfolgung Kennzeichen zu erkennen“, sagt Breyer.
Die Fehlerquote liegt bei etwa sieben Prozent.“ Da Section Control die
Kennzeichen zweimal erfasse, verdoppele sich diese Quote. Herkömmliche
Blitzer seien daher nicht nur datenschutzrechtlich unbedenklich, sondern
auch um einiges effektiver, sagt Breyer.
Er wisse, dass Autofahrer häufig vor herkömmlichen Blitzgeräten langsamer
würden, um dann weiter zu rasen. Das sei bei „Section Control“ aber nicht
anders: Man könne auf Abschnitten der Strecke zu schnell fahren, solange
die Durchschnittsgeschwindigkeit nicht zu hoch werde.
Die Ergebnisse des Modellversuchs seien ohnehin nicht aussagekräftig,
kritisiert Breyer. Es gebe keine Vergleichswerte, da auf der Teststrecke
noch nie herkömmliche Blitzer standen. Breyers Fazit: „So, wie der Versuch
geplant ist, kann er nur klappen.“
7 Jun 2016
## AUTOREN
Antonia Stille
## TAGS
Verkehr
Verkehrstote
Verkehrssicherheit
Landgericht
Lesestück Recherche und Reportage
Tempo 30
Begegnungszone
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