# taz.de -- Ökologin über Überschwemmungen: „Bächlein in Wasserlawinen“ | |
> Die Politik ist schuld an der Naturkatastrophe, sagt BUND-Expertin | |
> Christine Margraf. Sie hält die Ereignisse für wenig überraschend. | |
Bild: Nach der Katastrophe in Simbach | |
taz: Frau Margraf, die Überschwemmungen in Niederbayern haben bislang | |
mindestens fünf Tote gefordert. Heimatminister Markus Söder (CSU) sagt, | |
gegen solche Ereignisse helfe auch kein Hochwasserschutz. Ist wirklich nur | |
höhere Gewalt im Spiel? | |
Christine Margraf: Nein. Klimaforscher warnen seit Jahren davor, dass sich | |
Starkregenereignisse häufen. Dann können sich selbst Bächlein in | |
Wasserlawinen verwandeln. So tragisch diese Katastrophe ist, sie ist keine | |
Überraschung, sondern eine Quittung. | |
Wofür ? | |
In Verbindung mit dem Klimawandel dafür, wie in den vergangenen 30, 40 | |
Jahren die Landschaft bewirtschaftet worden ist. Das war regelrechte | |
Wasseraustreibungspolitik: Man hat Böden drainiert, und Mulden, in denen | |
sich kleine Seen bilden konnten, aufgefüllt, damit man leichter mit dem | |
Traktor drüberfahren kann. Störende Hecken und Wäldchen – ein natürlicher | |
Erosionsschutz – hat man gerodet. Moore wurden entwässert. Mäandernde Bäche | |
wurden begradigt, in denen kann das Wasser ungeheuer Fahrt aufnehmen. | |
Anstatt zu versickern, gelangt es also in die Bäche der Ortschaften? | |
Genau. Für das Zurückhalten von Wasser brauchen wir mehr Wiesen und Moore. | |
Die können das Fließtempo enorm bremsen, ihr poriger Boden wirkt wie ein | |
Schwamm. Sie müssen sich vorstellen, jeder Regenwurmgang kann Wasser | |
aufnehmen, jede kleine Wurzel wirkt wie ein Kanal in die Erde. In Bayern | |
sind aber 95 Prozent der Moore in dieser Funktion ge- oder sogar zerstört. | |
Viele Wiesen wurden für Biogasanlagen in Maisäcker umgewandelt. Dazu kommt | |
noch, dass immer mehr Wiesenfläche für Gewerbe und Straßen zugebaut wird. | |
Was kann ein Maisfeld nicht, was ein Wiesenboden kann? | |
Sein Boden wird durch tonnenschwere Gefährte so verdichtet, dass er kein | |
Wasser aufnehmen kann. Maisäcker haben in der Regel keinen sonstigen | |
Bewuchs. Die Ackerrillen aus harter, blanker Erde wirken wie Abflussrinnen, | |
in denen das Wasser mit der erodierenden Erde dahinschießt. Wenn die | |
Landwirte in Hanglagen auch noch senkrecht die Reihen ziehen, saust das | |
Wasser geradewegs in die Straßengräben, die es weiter dem nächstgrößeren | |
Bach zuführen. | |
Bayerns Regierung betont, sie habe seit dem Donauhochwasser 2013 viel | |
getan. | |
Ja, aber sie hat sich auf technischen Hochwasserschutz mit Dämmen, Deichen | |
und Poldern an den großen Flüssen konzentriert. Das auf | |
Jahrhundertereignisse ausgerichtete, bayerische „Flutpolderkonzept“ hat bei | |
Situationen wie jetzt in Simbach oder Triftern null Wirkung. Und es ändert | |
nichts an den Ursachen, nämlich dem klimawandelbedingten Starkregen. | |
Was müsste denn jetzt geschehen? | |
Wir brauchen Breitwasser statt Hochwasser, also Auen. Und wir brauchen den | |
Wasserrückhalt in der Fläche. Das geht nur durch Renaturierung von Flüssen | |
und Mooren, vor allem aber durch eine andere Art der Landnutzung, das | |
Bewahren von Wiesen. Das Problem dieser in der Summe sehr wirksamen | |
Maßnahmen ist, dass wir dafür die Flächen und die Bereitschaft vieler | |
einzelner Grundbesitzer brauchen. Die Kommunen müssten gemeinsam im | |
Einzugsgebiet der Bäche alles umsetzen, was die Folgen solcher Wetterlagen | |
abmildern kann. Nur damit können sie die Geschwindigkeit drosseln, mit der | |
die Pegel steigen und damit kostbare Zeit gewinnen, um Menschen vorzuwarnen | |
oder zu retten. | |
2 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
margarete moulin | |
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