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# taz.de -- Gedanken über Kühlschränke: Kalt gestellt
> Der Kühlschrank hat die Konsumgewohnheiten nachhaltig verändert. In
> Großstadt-Haushalten wird er allmählich überflüssig.
Bild: Auch alte Kühlschränke können noch sinnvoll weiterverwendet werden
Wie bleibt der selbstgemachte Kartoffelsalat am Badesee kühl? Anders als
Bier und Brause kann man ihn nicht einfach ins Wasser stellen, aber mit
einem Stoffbeutel kann man den gleichen Effekt erzielen. Dieser wird feucht
gemacht, die Schüssel Salat wird hineingestellt, und der Beutel in einen
luftigen und schattigen Baum gehängt. Warmer Wind sorgt dafür, dass der
Beutel langsam trocknet, die für diese Verdunstung notwendige Wärmeenergie
wird der Umgebung entzogen, so dass die Schüssel gekühlt wird. Ist der
Beutel trocken, wird er einfach wieder feucht gemacht – und fertig ist der
Kühlschrank für draußen.
Weil die Menschheit erstens nicht immer am See sein kann und zweitens nicht
ständig Beutel befeuchten will, hat sie den Kühlschrank erfunden. Er hat
die Lebensqualität gesteigert und die Lebensgewohnheiten nachhaltig
verändert. Anders als die Erdlöcher, die in Mitteleuropa jahrhundertelang
zur Kühlung benutzt wurden, ist der Kühlschrank viel effektiver, vor allem
im Sommer.
Verderbliche Lebensmittel bleiben länger frisch, Getränke erhalten die
angenehme Kühle, Medikamente können sicher gelagert werden. Kommt ein
Eisfach oder eine Tiefkühltruhe hinzu, steigt der Komfort: Fleisch, Fisch,
Gemüse, Eis kann gelagert, zu viel gekochtes Essen monatelang haltbar
gemacht werden.
In den 1930er Jahren begann der moderne Kompressorkühlschrank sich in den
Haushalten der USA durchzusetzen. In Deutschland setzte diese Entwicklung
erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein. Als Kältemittel kamen in der
Geschichte des Kühlschranktechnik verschiedene Stoffe zum Einsatz. Die
bekanntesten waren dabei die Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW).
Weil diese Stoffe die Ozonschicht in der Stratosphäre zerstörten und die
Erde somit vor schädlicher Sonnenstrahlung nicht mehr geschützt ist, wurde
1995 der Einsatz von FCKW als Kältemittel in Kühlschränken weltweit
verboten. Diese Reaktion auf das immer größer werdende Ozonloch gilt bis
heute als einer der wichtigsten Erfolge der globalen Umweltpolitik.
## Der Supermarkt als begehbarer Kühlschrank
Man kann aber auch in seinem Kühlschrank etwas für die Umwelt tun. Nicht
wenige stellen sich die Frage, ob man in der Stadt überhaupt noch einen
Kühlschrank braucht, wo doch bis spätabends sowieso alle Supermärkte
aufhaben und das Angebot, auswärts zu essen, immer größer wird. Können
zumindest mobile Singles nicht ihren Kühlschrank an den Einzelhandel
auslagern?
Theoretisch ja. Trotzdem ist der Kühlschrank nicht vom Aussterben bedroht.
Im Gegenteil. Das Statistische Bundesamt gibt an, dass im Jahr 2010 genau
97,8 Prozent der Haushalte in Deutschland einen Kühlschrank besaßen. Fünf
Jahre später waren es 99,9 Prozent. Zum Vergleich: Eine Waschmaschine
besaßen im Jahr 2015 knapp 94 Prozent der Haushalte, und eine
Geschirrspülmaschine hatten knapp 70 Prozent.
Die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten dürfte dennoch zu einer Änderung des
Kaufverhaltens geführt haben, zumindest in den Zentren der Städte. „Die
Kunden haben in gewisser Weise die Aufbewahrung von Lebensmitteln von ihrem
Haushalt zum Lebensmitteleinzelhandel zurückverlagert“, sagt Bernd
Sebastian Wolff, der für seine Uni-Abschlussarbeit rund 500 Kunden zweier
Supermärkte in Berlin befragt und Umsatzstatistiken ausgewertet hatte. „Die
Kunden gehen öfter einkaufen, das heißt, der früher verbreitete Vorratskauf
wird heute vielfach von einer Art Just-in-time-Einkauf abgelöst.“
Ob in der Stadt oder auf dem Land, immer noch braucht jeder einen
Kühlschrank. Denn der Kühlschrank ist ein Freund und Helfer der Menschen.
Man sollte ihn auch so behandeln.
5 Jun 2016
## AUTOREN
Richard Rother
## TAGS
Kühlschrank
Lebensmittel
Haushaltsgeräte
Fairteiler
Energie
Elektroschrott
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