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# taz.de -- Prozess gegen Bremer Ultra Valentin S.: Tumult nach den Plädoyers
> Im Prozess um den Bremer Ultra Valentin S. fordert die Staatsanwaltschaft
> über drei Jahre Jugendhaft, der Verteidiger plädiert auf Bewährung.
Bild: Wurde noch nicht veruteilt: Angeklagter Valentin S. im Landgericht Bremen.
BREMEN taz | Am Ende kam es zum Tumult im Gerichtssaal: Es hätte der letzte
Verhandlungstag gegen den linken Ultra Valentin S. und den Mitangeklagten
Wesley S. vor dem Landgericht Bremen sein sollen. Doch Richter Manfred
Kelle verlegte ein mögliches Urteil auf den nächsten angesetzten
Verhandlungstag am 28. Juni. Dabei hatte wohl auch bei einigen
UnterstützerInnen im Publikum die Hoffnung bestanden, dass Valentin S.
womöglich am Mittwoch aus der Untersuchungshaft hätte frei kommen können.
„Auf dem rechten Auge blind“ sei die Justiz, schimpfte ein Zuschauer im
Saal nach der Verhandlung. Als die anwesenden Polizisten ihn festnahmen und
seine Personalien aufnehmen wollten, wurde es laut. Rechtsanwalt Jan Sürig
berichtete, er habe gesehen, wie Polizisten dem jungen Mann den Hals nach
hinten gedehnt hätten, auch er habe sich deshalb Sorgen gemacht.
Nach ein paar Minuten war wieder Ruhe. Die verlängerte Verhandlungszeit
spürt nun vor allem Valentin S.: [1][Seit nunmehr zehn Monaten sitzt er in
Untersuchungshaft]. Wie das Urteil auch ausfällt: Ein elfter Monat kommt
wohl nun auf jeden Fall hinzu. Über eine Haftbeschwerde hat das Gericht bis
Redaktionsschluss nicht entschieden – dass es zugunsten seines Mandanten
ausgehen könnte, hielt aber auch Valentins Verteidiger Horst Wesemann
vorher für eher unwahrscheinlich. „Ausgesprochen ärgerlich“ sei es, dass
nicht zeitnah ein Urteil gefällt wurde, erklärte Valentins S. Verteidiger
Horst Wesemann nach der Verhandlung.
Richter Kelle hatte zu Beginn des Tages noch selbst erklärt, ein Urteil
noch am gleichen Tag anzustreben. Und eigentlich fehlte nicht viel: Die
Plädoyers waren gehalten. Nur das letzte Wort war den Angeklagte noch nicht
gewährt worden – rechtlich hätte danach ein Urteil allerdings binnen zehn
Tagen gefällt werden müssen. Kelle erklärte, die Kammer schaffe es nicht,
noch am Mittwoch zu entscheiden und benötige mehr Zeit. Spontan einen neuen
Termin innerhalb der nächsten zehn Tagen zu finden war aber wohl schwierig,
die Angeklagten also bekamen nicht das letzte Wort und der regulär nächste
Termin wurde anberaumt. „Unerhört“ nannte das Rechtsanwalt Jan Sürig.
Sobald ein Angeklagter in Haft sitzt, müsse man das Verfahren
beschleunigen.
## Staatsanwaltschaft fordert über drei Jahre Haft
In ihrem Plädoyer hatte die Staatsanwaltschaft zuvor im Wesentlichen an
ihren Vorwürfen festgehalten und forderte für Valentin S. eine Jugendstrafe
von drei Jahren und sechs Monaten, für den Mitangeklagten Wesley S. eine
Strafe von 1,5 Monaten – auszusetzen zur Bewährung auf drei Jahre. Dessen
Verteidiger Sürig hatte wiederum in allen verbliebenen Anklagepunkten auf
Freispruch plädiert, aus Mangel an Beweisen.
Auch Wesemann forderte für Valentin S. in vier der neun Anklagepunkte einen
Freispruch. Für die übrigen Vorwürfe plädierte er, eine Jugendstrafe auf
Bewährung zu verhängen: Dabei ging es insbesondere um eine
Auseinandersetzung an der Kneipe am Verdener Eck, sowie um einen Steinwurf
in Rostock, der einen Journalisten neben einer Neonazis-Demo traf.
Valentin S. war zu allen Tatzeitpunkten noch heranwachsend. Auch die
Jugendgerichtshilfe hatte empfohlen, ihn nach Jugend- statt nach
Erwachsenen-Strafrecht zu verurteilen und eine Strafe auf Bewährung
auszusetzen.
Nur darin, dass Jugendrecht angewandt werden solle, bestand einigkeit.
Ansonsten blieb die Stimmung vor allem zwischen Verteidigern und
Staatsanwalt Benedikt Bernzen angespannt. Letzterer warf Wesemann und Sürig
„Stimmungsmache“ und „Populismus“ vor. Der Gerichtssaal sei kein Ort der
politischen Meinungsmache, erklärte Bernzen. „Auch ich würde lieber nackt
herumlaufen, als Klamotten der Marke [2][Thor Steinar] tragen“, sagte er.
Eine Differenzierung zwischen guter und schlechter Gewalt aber sehe das
Strafrecht nicht vor. Die Verteidiger würden „Nebelkerzen“ werfen, so
Bernzen weiter. „Die einzige Sprache, die Herr S. spricht, ist Gewalt“.
Valentin S. habe „schädliche Neigungen“ und eine „seit Jahren manifestie…
Überzeugung“.
## Anzeige gegen den Staatsanwalt
Die Verteidiger werfen Bernzen hingegen vor, einseitig gegen Linke zu
ermitteln. Valentin S. hatte bereits bei einem Haftprüfungstermin im
November angegeben, der Hooligan, der später am Verdener Eck verprügelt
wurde, habe zuvor einen Ultra mit einer Bierkiste bewusstlos geschlagen.
Bernzen nannte das damals eine Ausrede. Ein Video, das Wesemann in einem
späteren Verhandlungstag vorlegte, stützt allerdings S.' Aussage. Sürig und
Wesemann zeigten Bernzen an – [3][wegen Strafvereitelung im Amt], weil
dieser nicht viel früher auch gegen den Hooligan ermittelte.
„Selbstverständlich muss ich meine Aussagen revidieren“, erklärte Bernzen
dann am Mittwoch, dennoch handele es sich um eine Schutzbehauptung.
Wegen der Vorwürfe gegen Bernzen hatte zuletzt auch der Richter darum
gebeten, dass die Staatsanwaltschaft ihn abglösen möge. Der leitende
Oberstaatsanwalt hatte das abgelehnt. Auch hatten die Angeklagten
Befangenheitsanträge gegen den Richter gestellt. Diese wurden abgelehnt.
## Keine antifaschistische Symbolik
In ihren Plädoyers wiederholten Wesemann und Sürig die Vorwürfe gegen
Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz: Auch zu Mordaufrufen von Neonazis
gegen Valentin S. sei etwa erst ermittelt worden, nachdem er Anzeige
erstattet habe, erklärte Wesemann. „Insgesamt ist die Erfahrung, dass gegen
die rechte Szene nicht so ermittelt wird, wie gegen die Antifa“, sagte er.
Immerhin seien es Staatsanwaltschaft und Polizei gewesen, die sich nach der
Festnahme S.‘ an die Öffentlichkeit wandten – und Wesemann erinnerte daran,
dass Innensenator Ulrich Mäurer sich eingemischt habe, als er zwei Tage vor
einem Haftprüfungstermin von Valentin S. gesagt hatte, dass dieser in Haft
bleibe.
Sürig ging noch weiter: Der Prozess werde im negativen Sinne
Rechtsgeschichte schreiben: Wegen der Anordnung des Richters, im Saal keine
antifaschistische Symbolik zuzulassen.
1 Jun 2016
## LINKS
[1] /Prozess-gegen-Ultra-Valentin-S./!5270307/
[2] http://www.dasversteckspiel.de/index.php?id=28&stufe=28&finder=1&am…
[3] /Justiz/!5301825/
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
## TAGS
Bremen
Ultras
Schwerpunkt Antifa
Gericht
Körperverletzung
Gewalt
Prozess
Cannabis
Bremen
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