| # taz.de -- Prozess gegen Ultra Valentin S.: Klatschen gegen das System | |
| > Gegen den Ultra Valentin S. und zwei Mitangeklagte hat am Donnerstag vor | |
| > dem Bremer Landgericht der Prozess begonnen – unter strengen | |
| > Sicherheitsvorkehrungen. | |
| Bild: Prozessauftakt: der 21-jährige Ultra Valentin S. vor dem Bremer Landgeri… | |
| Bremen taz | Ein ganz gewöhnlicher Prozess würde es nicht werden: Das war | |
| schon klar, bevor am Donnerstag das Verfahren gegen den Ultra Valentin S. | |
| und zwei Mitangeklagte eröffnet wurde. Podiumsdiskussionen, Erklärungen, | |
| Gespräche beim Innensenator, Angriffe auf Polizisten, Demonstrationen und | |
| internationale Solidaritäts-Bekundungen der linken Ultra-Szene waren dem | |
| Prozessauftakt in den letzten Monaten vorangegangen. | |
| Die Staatsanwaltschaft wirft dem heute 21-jährigen Valentin S. vor, in 2014 | |
| und 2015 insgesamt sieben schwere Körperverletzungen begangen zu haben – | |
| darunter ein Steinwurf auf einen Journalisten während des Protests gegen | |
| eine Neonazi-Kundgebung in Rostock, sowie die Schlägerei am Rande des | |
| Fußballspiels von Werder Bremen gegen den HSV am 19. April 2015. | |
| An dem Tag war es zu Auseinandersetzungen zwischen linken Bremer Ultras und | |
| rechten Hooligans gekommen, Valentin S. soll mit anderen einen der | |
| Hooligans geschlagen und getreten haben, wobei dem Geschädigten auch ein | |
| Blumenkübel auf den Kopf geworfen worden sein soll. An drei der sieben | |
| Anklagepunkte sollen die 21 und 23 Jahre alten Mitangeklagten beteiligt | |
| gewesen zu sein – nicht aber an dem Vorfall am „Verdener Eck“. | |
| Vor allem aber jene Schlägerei machte den Fall Valentin S. und seine | |
| Inhaftierung zum Politikum – ob der langen Geschichte an | |
| Auseinandersetzungen zwischen linken und rechten Fans in Bremen. | |
| Entsprechend hoch waren am Donnerstag das öffentliche Interesse – und auch | |
| die Sicherheitsbedenken. Die Polizei war mit mehreren Mannschaftswagen vor | |
| Ort, die Zuschauer mussten durch eine Sicherheitsschleuse. Nicht alle | |
| bekamen Platz, der Saal war voll besetzt, überwiegend mit Unterstützern aus | |
| der linken Bremer Ultra-Szene. Per Sicherheitsverfügung hatte der | |
| Vorsitzende Richter Manfred Kelle bereits im Vorfeld versucht, für | |
| „Ordnung“ zu sorgen und untersagt, im Gerichtssaal Kleidung zu tragen, aus | |
| denen sich eine „Solidaritätsbekundung für die Angeklagten“ ableiten kön… | |
| Jan Sürig, Verteidiger eines der Mitangeklagten von Valentin S., hielt dem | |
| gleich zu Beginn der Verhandlung entgegen: Das Recht auf freie | |
| Meinungsäußerung werde beschnitten, zudem nur die Unterstützung und nicht | |
| etwa die Gegnerschaft gegen die Mandanten als unzulässig benannt. | |
| Richter Kelle zeigte sich unbeeindruckt, offen bleibt, ob er künftig auch | |
| rechte Kleidungsmarken im Prozess verbieten wird. | |
| Lea Voigt, Verteidigerin des zweiten Mitangeklagten, zweifelte daran, dass | |
| ihr Mandant überhaupt hätte angeklagt werden dürfen: Drei der sieben | |
| Anklagepunkte basieren auf der Aussage eines Belastungszeugen, der seit | |
| einiger Zeit nicht aufzufinden sei und selbst von der Polizei gesucht | |
| werde. | |
| Dass das Verfahren nicht fair zugehe, erklärte Horst Wesemann, der | |
| Verteidiger von Valentin S. – und forderte es ganz einzustellen. In einer | |
| langen Begründung erhob er schwere Vorwürfe gegen Staatsanwaltschaft und | |
| die Polizei. Sein Mandant sei schikaniert worden, unter anderem, in dem er | |
| über den Jahreswechsel ins ostdeutsche Bützow verlegt wurde, wo er statt in | |
| U-Haft im normalen Strafvollzug untergebracht wurde – inmitten zahlreicher | |
| Neonazis. | |
| Vor allem rügte Wesemann, dass einseitig ermittelt worden sei. Aufrufe zu | |
| Selbstjustiz gegen Valentin S. durch bekannte Neonazis habe die | |
| Staatsanwaltschaft nicht eigenständig verfolgt. Im Bezug auf die Schlägerei | |
| während des Nordderbys sei ein Zeuge von der Polizei nicht vernommen | |
| worden, der wohl zugunsten seines Mandanten hätte aussagen können: Er soll | |
| gesehen und sogar gefilmt haben, dass der Hooligan, der später von Valentin | |
| S. verprügelt wurde, zuvor einem der linken Ultras mit einer Bierkiste an | |
| den Kopf gehauen hat. | |
| Eine Aussage, die die Ausführungen Valentins S.s zur Vorgeschichte der | |
| Schlägerei stützen würde. Er hatte seine Beteiligung daran bereits zum | |
| Haftprüfungstermin im November in einem Teil-Geständnis eingeräumt. | |
| Auf Wesemanns Ausführungen, dass er sich frage, ob die Justiz auf dem | |
| rechten Auge blind sei, reagierte das Publikum im Saal mit Klatschen, was, | |
| bis auf einen Zwischenruf, das einzige Mal war, dass es aus der Reihe | |
| tanzte. Richter Kelle gab Wesemanns Antrag erwartungsgemäß nicht statt, | |
| lehnte ihn aber auch nicht sofort ab, sondern stellte eine Befassung in | |
| dieser Sache zurück. | |
| 28 Jan 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Jean-Philipp Baeck | |
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