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# taz.de -- Krieg im Norden Syriens: 100.000 sind eingekesselt
> Dschihadisten drängen in die Rebellengebiete bei Aleppo. „Ärzte ohne
> Grenzen“ fürchtet Massaker und eine neue Massenflucht.
Bild: Sie haben es bis ins türkische Kilis geschafft
KAIRO taz | Hinter ihnen erstreckt sich die Front der Dschihadisten des
„Islamischen Staates“, vor ihnen liegt die geschlossene türkische Grenze.
Für 100.000 Menschen in der nordsyrischen Provinz Azaz gilt derzeit das
Prinzip Aussichtslosigkeit. Seit der IS letzten Freitag dort eine neue
Offensive begonnen hat, sitzen sie fest.
Syrische oppositionelle Rebellen versuchen, den neuen IS-Vorstoß
aufzuhalten. Doch die Dschihadisten des IS sind zwei von den Rebellen
gehaltenen Orten, Azaz und al-Salameh, gefährlich nahe gekommen.
Die Front verläuft nur drei bis fünf Kilometer von den strategisch
wichtigen Orten entfernt – Grund genug für die Mitarbeiter des Hilfswerks
„Ärzte ohne Grenzen“ (MSF), am Wochenende eines ihrer Krankenhäuser in
al-Salameh zu evakuieren. „Die Tatsache, dass die Front so nahe ist, hat
uns gezwungen, unser Krankenhaus zuzumachen. Wir konnten einfach die
Sicherheit unserer Patienten und unserer Mitarbeiter nicht mehr
garantieren“, sagt MSF-Einsatzleiter Pablo Marco.
Doch das ist beileibe nicht das größte Problem, erzählt der MSF-Mitarbeiter
am Telefon im Gespräch mit der taz. „Unsere größte Sorge ist nicht der
Zugang zu medizinischen Einrichtungen, sondern die generelle
Sicherheitslage der Bevölkerung“, betont er. „Nach unseren Schätzungen
sprechen wir hier von etwa 100.000 Menschen. Viele von ihnen sind mehr als
einmal von einem Ort zum anderen geflohen, einige fliehen immer vor der
IS-Frontlinie her.“
## Humanitäre Helfer ohne Zugang
Nun sitzen sie fest, erklärt Marco. „Diese Menschen sitzen in der Falle
zwischen der IS-Frontlinie, die näher rückt, und der türkischen Grenze,
über die nur noch Schwerverletzte gelassen werden. Und auch die benachbarte
kurdische Provinz Efrin ist von Flüchtlingen überfordert. Dort wurden ein
paar Flüchtlinge herübergelassen. Aber nach unseren letzten Informationen
ist auch die Grenze zu dem kurdischen Kanton zu.“
Es bahnt sich eine humanitäre Katastrophe an, über die viel zu wenig
berichtet wird, warnt der Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen. „Wenn die
IS-Front näher kommt, könnte es ein Massaker unter der Bevölkerung geben.
Das wird hart für die Menschen, wenn der IS das Gebiet übernimmt und sie
keinen Ort zur Flucht haben. Und unter den Eingeschlossenen sind nicht
wenige, auf die es der IS sogar namentlich abgesehen hat.“
„Extrem frustrierend“ ist für den Einsatzleiter auch, dass seine
Organisation keine Hilfe in den vom IS kontrollierten Gebieten leisten
kann. Seit mehrere MSF-Mitarbeiter letztes Jahr entführt worden waren, hat
die Organisation jegliche Aktivitäten in diesen Gebieten eingestellt.
„Wir sind sehr besorgt, weil die medizinische Lage in den vom IS
kontrollierten Gebieten immer schlechter wird“, erzählt Marco. Das liege
daran, dass der IS, verglichen mit vor einem Jahr, sich in einer wesentlich
schwächeren Position befinde und die Dienstleistungen für die dortige
Bevölkerung nicht mehr aufrechterhalten könne. „Wir suchen nach Wegen,
diese zu unterstützen, haben aber bisher keine gefunden“, sagt er.
Wenn MSF beispielsweise ein Krankenhaus unterstützt, brauche die
Organisation „Garantien, dass grundsätzliche humanitäre Prinzipien
Gültigkeit haben“, erläutert Marco. „Wir arbeiten in vielen Ländern, in
denen wir unseren Zugang mit bewaffneten Gruppen aushandeln müssen. Man
versucht die Kommandostruktur der Gruppe zu erreichen und Zugang
auszuhandeln. Im Falle des Territoriums, das vom IS gehalten wird, ist das
bisher nicht möglich.“
31 May 2016
## AUTOREN
Karim El-Gawhary
## TAGS
Schwerpunkt Syrien
„Islamischer Staat“ (IS)
Aleppo
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Martin Lejeune
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Lesestück Meinung und Analyse
Syrische Flüchtlinge
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