# taz.de -- Nach dem Eurovision Songcontest: „Unser Feind ist das Putin-Regim… | |
> Die Ukrainerin Jamala siegt beim ESC, der Russe Lazarev landet auf Platz | |
> drei. Die Politik in beiden Ländern lässt das nicht kalt. | |
Bild: Wie politisch ist ESC-Gewinnerin Jamala? | |
Moskau taz | Mit Blumen in der Hand und in krimtatarischer Nationaltracht | |
ist am Montag Jamala, die Siegerin des Eurovision Song Contest, | |
eingetroffen. Nur mit Mühe konnte die Polizei die wartenden Abgeordneten, | |
Kinder in krimtatarischer Nationaltracht und die Journalisten zurückhalten. | |
[1][Muss man Jamalas Sieg jetzt politisch verstehen oder nicht?] Die | |
32-jährige krimtatarische Sängerin Jamala hat bei dem | |
Eurovision-Musikwettbewerb in Stockholm mit ihrem Lied „1944“ den | |
russischen Kandidaten Juri Lazarev auf Platz 3 verwiesen – obwohl dieser | |
als Favorit gehandelt worden war. Und dazu kommt: Der Sieg der Ukrainerin | |
wird sowohl in der Ukraine als auch in Russland als Punktsieg im | |
russisch-ukrainischen Konflikt gewertet. | |
Dazu etwas Hintergrund: Das Ergebnis setzte sich aus der Punktzahl zweier | |
getrennt durchgeführter Abstimmungen zusammen. In dem einen Wahlgang hatten | |
die Zuschauer abgestimmt, in dem anderen, parallelen Wahlgang die Jurys. In | |
der Gesamtwertung kam die Ukrainerin auf die meisten Stimmen. Gleichzeitig | |
hatte aber ihr Mitbewerber, der Russe Sergej Lazarev, die Abstimmung unter | |
den Zuschauern knapp für sich entscheiden können. | |
Bemerkenswert ist: Bei der Zuschauerabstimmung war man wohlwollend, bei den | |
Jurys blieb man hingegen kühl. Die ukrainischen Zuschauer gaben Sergej | |
Lazarev die Höchstzahl an Punkten, nämlich zwölf, Jamala bekam von den | |
russischen Zuschauerinnen immerhin zehn Punkte. | |
Ganz anders sah aber das Abstimmungsverhalten der Jurys aus. Keine einzige | |
Stimme erhielt Jamala von der russischen Jury und auch Lazarev keine von | |
der Ukraine. Im Vorfeld des Song Contest (ESC) waren immer wieder Rufe laut | |
geworden, das Lied „1944“ nicht zuzulassen, enthielte es doch eine | |
politische Aussage. In „1944“ besingt Jamala das Leid ihrer Großmutter, die | |
wie 200.000 weitere Krimtataren 1944 nach Zentralasien deportiert worden | |
war. | |
## Betrug der Jury? | |
„Die ukrainischen Zuschauer haben dem russischen Kandidaten 12 Punkte | |
gegeben, die höchstmögliche Punktzahl“, kommentierte Georgie Zubko, | |
Mitarbeiter des Gouverneurs von Odessa, Michael Saakaschwili, das Ergebnis | |
des Liederwettbewerbes. „Das zeigt doch eines: Unser Feind sind nicht die | |
Russen, unser Feind ist das Putin-Regime.“ | |
Als einer der Ersten gratulierte Präsident Poroschenko Jamala. „Heute hat | |
mit Jamalas Stimme das ganze ukrainische Volk gesprochen. Die Wahrheit hat | |
wie immer gesiegt“, schrieb Poroschenko auf Twitter. | |
Russische Politiker sehen in der Entscheidung für die ukrainische Sängerin | |
einen politischen Auftrag. Manche sehen gar in der Wertung einen Betrug der | |
Jury. Im russischen Facebook ist viel von „Propaganda“ die Rede, die man | |
der ukrainischen Sängerin mit der Zulassung zum Wettbewerb ermöglicht habe. | |
Das Internetportal „Lifenwes“, das den russischen Behörden nahesteht, hatte | |
schon im Vorfeld erklärt, beim Wettbewerb werde nach geopolitischen | |
Gesichtspunkten abgestimmt. | |
Auch der russische Sender NTW hatte angekündigt, dass auf der | |
ESC-Veranstaltung mit provokativen Erklärungen und Auftritten zu rechnen | |
sei. | |
## Es ist ein künstlicher Konflikt | |
Mit dem Sieg der ukrainischen Teilnehmerin steht fest, dass die Ukraine den | |
Wettbewerb in 2017 austragen wird. Die Ukraine müsse sich aber strikt an | |
die Regeln des Musikwettbewerbs halten, erinnerte der Sprecher des | |
russischen Präsidenten, Peskow, die ukrainischen Behörden. Der ESC sei ein | |
internationaler Wettbewerb, die Ukraine habe kein Recht, die ihr nicht | |
genehmen Teilnehmer „auszufiltern“. Er nahm mit seiner Äußerung Bezug auf | |
eine Mitteilung des ukrainischen Abgeordneten Anton Geraschtschenko. | |
Dieser hatte sofort nach Bekanntwerden des Ergebnisses und damit des | |
Austragungsortes in 2017 verkündet, dass die Ukraine nur Künstler zur | |
Teilnahme an dem nächstjährigen Wettbewerb einreisen lassen würde, die | |
verstehen, dass die Annexion der Krim und die Besatzung des Donbass ein | |
Verbrechen sei. | |
Doch es gibt auch Stimmen in Russland, die sich über den Sieg der | |
Ukrainerin freuen. „Für mich ist der Sieg von Jamala eine sehr | |
hoffnungsvolle Sache“, erklärte der St. Petersburger Umweltschützer Oleg | |
Bodrow gegenüber der taz. „Dass die Jurys und die Zuschauer der Ukraine so | |
unterschiedlich abgestimmt haben, zeigt doch vor allem eines: Der Konflikt | |
zwischen der Ukraine und Russland ist künstlich gemacht. Die einfachen | |
Menschen denken anders, sind dem Volk jenseits der Grenze wohlwollend | |
gegenüber eingestellt.“ | |
Der Sieg von Jamala, so Bodrow, sei ein hoffnungsvolles Zeichen und Vorbote | |
einer anderen und friedlicheren Zeit zwischen den beiden Völkern. Während | |
sich die Politik über die Bedeutung des Sieges der ukrainischen Sängerin | |
streitet, beginnen in der Ukraine schon erste Überlegungen, welche Orte | |
sich am besten zur Austragung eignen. Bei ihrer Rückkehr aus Schweden | |
erklärte Jamala bereits, sie würde sich freuen, wenn Kiew, Lwow und Odessa | |
den Zuschlag erhielten. Auch der Bürgermeister von Odessa, Gennadij | |
Truchanow, erklärte bereits, seine Stadt könne den ESC 2017 austragen. | |
16 May 2016 | |
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[1] /Kommentar-Sieg-der-Ukraine-beim-ESC/!5301687/ | |
## AUTOREN | |
Oksana Maslowa | |
Bernhard Clasen | |
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