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# taz.de -- Kabinett billigt neues Mutterschutzgesetz: Weniger Arbeitsverbote, …
> Der Mutterschutz soll künftig auch für Schülerinnen und Studentinnen
> gelten, Sonntagsarbeit soll nicht mehr verboten sein. Die Opposition will
> mehr.
Bild: Erste Sitzung nach der Babypause: Manuela Schwesig bringt ein neues Mütt…
Berlin dpa/afp/taz | Auch Studentinnen und Schülerinnen sollen künftig
Mutterschutz in Anspruch nehmen können. Diese Neuregelung gehört zu einer
umfassenden Reform des Mutterschutzes, mit der Familienministerin Manuela
Schwesig (SPD) die fast 65 Jahre alten Regelungen entstauben möchte. Am
Mittwoch billigte das Bundeskabinett ihren Gesetzentwurf.
„Mit der Reform passen wir den Mutterschutz an die heutigen Realitäten an“,
sagte Schwesig, die zum ersten Mal nach ihrer Babypause wieder an einer
Kabinettssitzung teilnahm. Das derzeitige Gesetz, das im Wesentlichen seit
1952 in der jetzigen Form gilt, sei „veraltet“. Mit der Reform, der der
Bundestag noch zustimmen muss, werde der Diskriminierung schwangerer und
stillender Frauen entscheidend entgegengewirkt.
So soll es künftig keine Arbeitsverbote mehr gegen den Willen der
Schwangeren geben, was in der Vergangenheit vor allem bei Ärztinnen häufig
vorkam. Stattdessen sollen ihre Arbeitsplätze umgestaltet werden, um
eventuelle Gefährdungen auszuschließen. Auch die Möglichkeit der
Sonntagsarbeit wird erweitert, wenn die Betroffene das möchte – und ein
Arzt die Unbedenklichkeit attestiert.
Das Verbot der Nachtarbeit für Schwangere soll hingegen weiter gelten. Bis
22 Uhr darf sie nur dann eingesetzt werden, wenn sich die Frau dazu
ausdrücklich bereit erklärt, nach ärztlichem Zeugnis nichts gegen die
Beschäftigung spricht und Alleinarbeit ausgeschlossen ist.
Die Schutzfrist, in der grundsätzlich nicht gearbeitet werden darf, beginnt
unverändert sechs Wochen vor der Entbindung und endet in der Regel acht
Wochen danach. „Besonders wichtig ist, dass wir den Mutterschutz für Mütter
von Kindern mit Behinderung verbessern“, sagte Schwesig. So soll für Mütter
behinderter Kinder die Acht-Wochen-Frist, in der die Frauen nach der Geburt
grundsätzlich nicht arbeiten dürfen, auf zwölf Wochen erhöht werden.
Neu geschaffen wird ein Kündigungsschutz für Frauen nach einer nach der
zwölften Woche erfolgten Fehlgeburt. Ein neu einzurichtender Ausschuss für
Mutterschutz soll Behörden und Betriebe bei der Umsetzung der Neuerungen
beraten.
## Ringen in der Koalition
Nach Angaben des Familienministeriums gibt es in Deutschland jedes Jahr
rund 20.000 schwangere Studentinnen und Schülerinnen. Das Vorhaben, den
Mutterschutz auf diesen Personenkreis zu erweitern, war bei
Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) auf Widerstand gestoßen. Deshalb
lagen die Gesetzespläne monatelang auf Eis.
Letztlich verständigte sich die große Koalition darauf, dass Ausnahmen von
den strengen Mutterschutzregelungen möglich sein sollen – etwa wenn eine
schwangere Studentin kurz vor der Entbindung freiwillig eine wichtige
Klausur schreiben möchte.
Der Deutsche Beamtenbund (dbb) begrüßte den Kabinettsbeschluss. Positiv
hervorzuheben seien insbesondere die verbesserten Regelungen für Frauen in
besonders sensiblen Lebenslagen. „Mit der Verlängerung der Schutzzeit bei
Geburten von behinderten Kindern und der Stärkung des Kündigungsschutzes im
Falle einer Fehlgeburt wird Frauen in einer solch schwierigen Situation
endlich mehr Respekt gezollt“, sagte Helene Wildfeuer, die Vorsitzende der
dbb-Bundesfrauenvertretung.
## Gewerkschaften fordern Nachbesserungen
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hält das Reformpaket für nicht
ausreichend. „Nach über sechs Jahrzehnten ist eine Novellierung des
Mutterschutzes überfällig“, sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke
Hannack. Allerdings fehle eine Verpflichtung der Arbeitgeber, während
Schwangerschaft und Stillzeit die Arbeitszeiten anzupassen. „Hier muss
dringend nachgebessert werden“, forderte die DGB-Frau.
Außerdem werde die Bundesregierung dem eigenen Anspruch nicjht gerecht,
einen umfassenden Schutz zu gewährleisten. So seien Beamtinnen,
Richterinnen und Soldatinnen nicht in das bundesgesetzliche
Mutterschutzrecht einbezogen. „Das ermöglicht ohne Not Abweichungen vom
einheitlichen Schutzstatus“, sagte Hannack.
Das Familienministerium wies diesen Vorwurf als unberechtigt zurück. Der
Mutterschutz für die genannten Berufsgruppen werde zwar aus
gesetzestechnischen Gründen in gesonderten Rechtsverordnungen geregelt,
doch bei der Umsetzung sei der gleiche Schutz gewährleistet wie für alle
schwangeren und stillenden Frauen.
Die Gewerkschaft Ver.di forderte, alle erwerbstätigen Frauen müssten in das
Mutterschutzgesetz einbezogen werden, nicht nur – wie jetzt vorgesehen –
die arbeitnehmerähnlich Selbstständigen. Schwesig versicherte, sie wolle in
den kommenden Jahren auch eine Lösung für selbstständige Frauen finden.
Dieses Vorhaben werfe allerdings neue Fragen auf.
## Minijobberinnen weiter benachteiligt
Auch der Linkspartei im Bundestag reichen die Reformen Schwesigs nicht aus.
„Es ist dringend notwendig, eklatante Gerechtigkeitslücken zu schließen“,
sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Cornelia Möhring.
Beispielsweise müsse die Benachteiligung von Minijobberinnen, die anders
als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte keine Beiträge in die
gesetzliche Krankenkasse zahlen, beendet werden. „Deshalb fordern wir ein
Mindestmutterschaftsgeld, das werdenden Müttern und Stillenden einen
Anspruch unabhängig von ihrem Erwerbsarbeitsstatus zusichert“, sagte
Möhring.
Die Grünen kritisierten, bei der Reform blieben die Väter auf der Strecke.
„Denkbar wäre deshalb eine einwöchige Vaterschaftszeit direkt nach der
Geburt zur Unterstützung der Mutter“, sagte die familienpolitische
Sprecherin Franziska Brantner.
4 May 2016
## AUTOREN
Pascal Beucker
## TAGS
Mutterschutz
Manuela Schwesig
Bundesregierung
Regretting Motherhood
Stillen
Familie
Bund
Elternzeit
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