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# taz.de -- Pfarrer über deutsche Männer in Thailand: „Denn er ist der Fara…
> Bernhard Liebe ist Pfarrer in Pattaya. Er betreut auch deutsche Männer,
> die in Thailand gescheitert sind. Arm und einsam sind sie dann am
> Schluss.
Bild: Nachtclub in einem Rotlichtviertel von Pattaya
taz: Herr Liebe, Sie sind evangelischer Pfarrer in Pattaya, dem „Bordell
des Westens“, wie die thailändische Stadt genannt wird. Ein ungutes Gefühl?
Bernhard Liebe: Eines der ersten Fotos, die ich nach meiner Ankunft in
Thailand gemacht habe, zeigt einen alten weißen Mann mit einer bildhübschen
jungen Thailänderin. Ein typisches Bild hier, an das man sich aber rasch
gewöhnt.
Nehmen Sie die Prostitution jetzt hin, weil Sie sich daran gewöhnt haben?
Nein, natürlich nicht. Aber die Männer, die sich mit Prostituierten
einlassen, möchte ich weder bewerten noch verurteilen. Die Prostitution ist
hier offensichtlich, aber genauso tabuisiert. Die Behörden tun so, als sei
das normal. Solange nichts Kriminelles passiert, nehmen sie die
Prostitution hin.
Schätzungen zufolge leben bis zu 15.000 Deutsche in Pattaya. Alles
männliche Sextouristen?
Nein. Es gibt deutsche Ehepaare, die sich im Ruhestand hier eine
Dauerresidenz eingerichtet haben: Sie fliehen vor dem europäischen Winter,
im Sommer sind sie zu Hause in Deutschland. Manche deutsche Männer haben
thailändische Frauen geheiratet und leben mit ihnen ganz bürgerlich
zusammen. Mitunter in den Orten, aus denen die Frauen ursprünglich stammen.
Andere sind mit ihren Ehen in Deutschland gescheitert und suchen nach
großer Enttäuschung in Thailand ein neues Leben. Aber viele Deutsche, die
hier dauerhaft leben, sind in der Tat Männer, die früher mal Sextouristen
waren. Viele von ihnen sind mittlerweile schon recht alt.
Wie funktionieren deutsch-thailändische Ehen?
Die Ehen beruhen vielfach auf einer simplen Geschäftsgrundlage: Die
thailändische Frau kümmert sich um den deutschen Mann. Sie führt den
Haushalt, kauft ein, kocht. Und er ist nicht allein. Dafür bezahlt er. Denn
er ist der Farang – so werden in Thailand weiße Ausländer genannt –, der …
den Augen der Einheimischen Geld hat. Die meisten Farangs kommen mit ihrem
Ersparten her.
Solche Ehen gehen so lange gut, solange er zahlen kann. Aber was geschieht,
wenn das Ersparte aufgebraucht ist? Und auch die Rente nicht mehr
ausreicht, um das Leben in Thailand zu bezahlen?
So billig, wie manche glauben, ist es in Thailand dann doch nicht. Viele
Männer wundern sich, dass sie plötzlich arm sind. Sobald das eintritt, sind
viele Frauen weg. Sie gehen zurück zu ihren Familien, in Armut mit einem
Deutschen wollen sie nämlich nicht leben. Da ist die familiäre Bande
stärker.
Was machen die Männer dann?
Sie versuchen zunächst, allein zu leben. Manche werden durch ein erneutes
Scheitern der Ehe krank und können meist die Arztkosten hier nicht
bezahlen. Es gibt in Thailand zwar eine Art Krankenversicherung, aber die
ist für Deutsche, die hier ohne Auslandskrankenversicherung leben, sehr
teuer. Und viele Deutsche, die hier ankommen, denken: Eine
Krankenversicherung brauche ich nicht, das Geld spare ich besser. Vor
Kurzem habe ich einen Mann betreut, der wegen eines Hirntumors operiert
werden musste. Innerhalb weniger Wochen hatte er über 100.000 Euro Schulden
durch die Behandlungen im Krankenhaus. Er musste das Haus verkaufen, das er
mal für sich und seine thailändische Frau gebaut hatte. Die Frau ist weg
und er ist allein.
Warum geht er nicht zurück nach Deutschland?
Was soll er dort? Er hat, so wie die meisten Männer, die nach Thailand
heiraten, sein Leben in Deutschland komplett aufgegeben. Diese Männer haben
keine Wohnung mehr in Deutschland und in der Regel auch keine Freunde und
keine Familie.
Aber die Männer könnten sich zu Hause zumindest medizinisch behandeln
lassen.
Manche sind am Ende so alt und krank, dass sie selbst den Flug in die alte
Heimat nur schwer überstehen würden oder keine
Flugtauglichkeitsbescheinigung bekommen. Das sind zum Teil tragische
Geschichten.
Sind die Männer nicht selbst schuld?
Von Schuld möchte ich nicht sprechen. Die Männer bedenken nicht, wenn sie
in jungen Jahren hierherkommen, dass sie auch mal alt und pflegebedürftig
werden. Sie glauben, ihr Leben hier ist sicher – in jeder Hinsicht.
Das ist naiv.
Sie kommen nicht auf den Gedanken, dass es ihnen mal schlecht gehen könnte.
So verhalten sich viele von ihnen auch. Manche schaffen es nicht einmal, in
den vielen Jahren, die sie hier leben, Thailändisch zu lernen. Damit gelten
sie als Analphabeten und stehen in der Hierarchie ganz unten.
Wie verständigen sich denn die Männer mit ihren thailändischen Frauen?
Mit Händen und Füßen. Der Alltag regelt sich häufig von selbst, weil die
Frau alles macht. Aber wenn sie weg ist, bricht für die verlassenen Männer
alles zusammen. Manche wären ohne Thailändisch nicht einmal in der Lage,
sich ein Flugticket zu kaufen.
Studien zufolge sind deutsche Männer, die thailändische Frauen heiraten,
schüchterner, fettleibiger, älter und weniger gebildet als andere. Ein
Klischee?
Sicher ein Klischee. Manche sind in der Tat nicht besonders gebildet und
einige sogar recht frauenfeindlich. Sie kommandieren ihre Frauen herum und
sprechen schlecht über sie, selbst wenn sie neben ihnen stehen.
Das lassen sich die Frauen gefallen?
Nicht alle. Viele Frauen hier sind sehr geschäftstüchtig und eben keine
hilfsbedürftigen, verschüchterten Wesen, wie sich das manche deutsche
Männer so vorstellen. Ohnehin stehen deutsche Männer hier nicht allzu hoch
im Kurs. Das wissen aber viele gar nicht so genau und erliegen der
Hoffnung, hier für Geld alles kaufen zu können, selbst die Frauen. Aber
sehr häufig wendet sich bald das Blatt.
15 May 2016
## AUTOREN
Simone Schmollack
## TAGS
Männer
Thailand
Südostasien
Honduras
Brasilien
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