# taz.de -- Familiennachzug scheitert: Das Baby und die Bürokratie | |
> Der Syrer Majd Farekh ist gerade Vater geworden. Doch das Neugeborene und | |
> die Mutter stecken in Mazedonien fest. | |
Bild: Der Vater kennt sie nur von Bildern: Sham Farekh, geboren am 5. April in … | |
BERLIN taz | Eigentlich könnte Majd Farekh zuversichtlich sein. Der | |
32-jährige Syrer ist wohlbehalten angekommen in Deutschland, seit Mitte | |
September lebt er in Steinheim, einer kleinen Stadt in Nordrhein-Westfalen. | |
Dort fühlt er sich gut aufgehoben. Mit 16 anderen Geflüchteten wohnt er in | |
einem Haus. Nachbarn und Ehrenamtliche setzen sich für ntegrationskurse ein | |
und geben ihnen Deutschunterricht. Regelmäßig spielen alle zusammen | |
Fußball. | |
Aber Farekh kommt hier nicht zur Ruhe, denn bei seiner Flucht geht es nicht | |
nur um ihn. Seine Frau Hiba und seine am 5. April geborene Tochter Sham | |
stecken auf der Balkanroute fest. Sein Kind kennt er nur von Fotos. Vor | |
etwas mehr als zwei Monaten hat seine damals schwangere Frau die Grenze | |
zwischen Mazedonien und Serbien erreicht. Seitdem lebt sie mit rund 1.000 | |
anderen Flüchtlingen in einem Lager in Tabanovce, von wo es für sie weder | |
vorwärts noch zurück geht. | |
„Ich weine jede Nacht“, erzählt Farekh am Telefon. „Es geht ihr nicht gut | |
dort, ich mache mir viele Sorgen. Sie schläft in einem großen Zelt, mit 100 | |
oder 200 anderen. Es ist laut, die anderen rauchen. Im Lager ist das | |
Internet zu schwach, deshalb läuft sie jeden Tag einen Kilometer, um ein | |
besseres Signal zu bekommen.“ | |
Farekhs Papiere reichen für einen Antrag auf Familiennachzug nicht aus. | |
Bisher hat er nur eine „Büma“, die „Bescheinigung über die Meldung als | |
Asylsuchender“. Auf seinen Asylantrag und den Termin beim Amt wartet er | |
seit Oktober. Sie hätten sogar bei dem Ausländerbehörde in Bielefeld | |
nachgefragt und versucht, Druck zu machen, erzählt Albert Schnurbusch, ein | |
Nachbar, der Farekh unterstützt. „Dort hatten sie Verständnis, können aber | |
auch nichts ausrichten“, sagt er. „Es ist besonders bitter, weil alle, die | |
inzwischen neu ankommen, sofort registriert werden und direkt ihren Antrag | |
stellen können. Deren Verfahren gehen viel schneller.“ | |
„Ich wünsche mir, dass meine Familie in Sicherheit ist“, sagt Farekh. „D… | |
meine Tochter in Deutschland aufwachsen kann, dass sie Deutsch spricht, | |
sich hier integriert. Deutschland hilft uns mehr als andere Länder, wir | |
werden das nicht vergessen.“ | |
## Angst vor der Überfahrt | |
Bevor er sich auf den Weg über die Balkanroute gemacht hat, lebte Farekh | |
zwei Jahre mit seiner Frau in der Türkei. Sie hätten sich erst gemeinsam | |
auf den Weg gemacht, sagt er. Vor der Überfahrt im Schlauchboot habe seine | |
Frau große Angst bekommen, deshalb sei er allein weitergereist – in der | |
Hoffnung, sie schnell nachholen zu können. | |
„Hiba wollte das Kind nicht allein bekommen, ich sollte bei der Geburt in | |
der Nähe sein, deshalb hat sie sich mit einer Freundin auf den Weg | |
gemacht“, sagt Farekh. „Sie hätte auf legalem Weg nachreisen können, wenn | |
mein Asylantrag schon bearbeitet und entschieden wäre.“ | |
„In Mazedonien ist es für die Flüchtlinge noch weniger aussichtsreich als | |
in Griechenland“, sagt die Freiwillige Sylvia Hanslik. Sie hält seit | |
Monaten Kontakte in die Balkanländer und nach Griechenland und versorgt | |
Flüchtlinge über soziale Netzwerke mit Informationen. Die Bedingungen im | |
Lager von Tabanovce seien bedrückend. Während alle nach Idomeni guckten, | |
vergesse die Öffentlichkeit die Flüchtlinge in Serbien und Mazedonien. | |
„Hiba Farekh würde ich fast raten, umzudrehen nach Griechenland. Und dann | |
einen Asylantrag direkt mit einem Antrag auf Familienzusammenführung zu | |
stellen.“ | |
## Ständige Sorge | |
„Es gibt ein Grundrecht auf Familienleben und freie Partnerwahl, und das | |
wird bei Hindernissen im Familiennachzug verletzt“, sagt Sidonie Fernau vom | |
Verband binationaler Familien und Partnerschaften. Bei Geflüchteten sieht | |
sie ähnliche Probleme wie bei Familien, bei denen die Partner aus | |
unterschiedlichen Ländern kommen. „Die Menschen begleitet ständig die Sorge | |
um ihre Angehörigen. Die Frage, wie es den Anderen geht, wie und wann man | |
sich gegenseitig erreicht, ob der Akku aufgeladen ist. Das hindert sie | |
daran, anzukommen und sich auf ihren Alltag einzulassen. Und es übt einen | |
enormen psychischen Druck aus“, sagt sie. | |
Der psychische Stress könne die Integration verzögern. „Dabei sind die | |
Geflüchteten oft sehr motiviert, sich hier ein neues Leben aufzubauen“, | |
sagt Fernau. „Sie wollen für sich und ihre Familie sorgen.“ Ein weiteres | |
Problem sieht Fernau in der Definition von Familie. „Es gibt nur den | |
Nachzug der Kernfamilie, das ist eine große Einschränkung.“ Eine starke | |
Einschränkung des Familiennachzugs könne dazu führen, dass sich der im | |
Ausland lebende Teil der Familie mitunter auf sehr gefährlichen Wegen auf | |
die Reise nach Deutschland begibt. | |
28 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Uta Schleiermacher | |
## TAGS | |
Mazedonien | |
Schwerpunkt Flucht | |
Syrische Flüchtlinge | |
Familiennachzug | |
Familiennachzug | |
CSU | |
Schwerpunkt Flucht | |
Horst Seehofer | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Probleme beim Familiennachzug: Der Fluch der Papiere | |
Anerkannte Flüchtlinge, die ihre Familie nachholen wollen, kämpfen mit der | |
Bürokratie. Oft fehlen Papiere. Viele geben auf. | |
Die CSU im politischen Aufwind: Bayerisches Triumphgefühl | |
Monatelang kämpfte Horst Seehofer gegen die Flüchtlingspolitik der | |
Kanzlerin. Jetzt suggeriert seine Partei: Krise? Ach was! | |
Debatte Flüchtlingspolitik: Geht fürs Asyl auf die Straße! | |
Wer eine humanitäre Flüchtlingspolitik will, muss Druck auf Kanzlerin | |
Angela Merkel machen. Nur so löst sie ihr Versprechen ein. | |
Parteien in Deutschland: Verstehen Sie die CSU? | |
Die Grenzen sind dicht, Angela Merkel hat geliefert. Was kann die CSU jetzt | |
noch fordern? Tja. Eine Kurzanalyse zur aktuellen Lage. | |
Flüchtlingspolitik in Deutschland: Streit trotz Asylsrechtsverschärfung | |
Kanzlerin Merkel und CSU-Chef Seehofer konnten bei ihrem Treffen keine | |
Einigung finden. Das Asylpaket II tritt in Kraft, das das Asylrecht stark | |
einschränkt. |