| # taz.de -- Frauen an der Klagemauer: Neuer Streit um gleiche Rechte | |
| > Der bisherige Kompromiss über gemischte Abschnitte für Männer und Frauen | |
| > an der Klagemauer droht zu scheitern. Für Sonntag werden Proteste | |
| > erwartet. | |
| Bild: Geht es nach den Ultraorthodoxen, bleiben Männer an der Klagemauer weite… | |
| Jerusalem AFP | Auf ihrem Weg zur Klagemauer in der Jerusalemer Altstadt | |
| stoßen Gläubige und Touristen kurz vor dem Ziel auf eine strenge Anweisung: | |
| „Männer gehen nach links, Frauen nach rechts.“ Eine Bretterwand unterbindet | |
| jegliche Vermischung. Seit langem gibt es dagegen Widerstand. Ein | |
| Kompromiss schien gefunden, der nun aber den Fortbestand der rechten | |
| israelischen Regierung gefährdet. | |
| „Es geht um Gleichberechtigung an diesem heiligsten Ort für die Juden in | |
| Israel und aller Welt“, sagt Batia Kallus, Aktivistin der Gruppe Die Frauen | |
| von der Mauer. In vielen anderen Bereichen sei die „Zurücksetzung“ der | |
| Frauen genauso vorhanden, aber weniger offensichtlich. „Deshalb ist dieser | |
| Kampf symbolisch“, erklärt sie auf dem weitläufigen Platz vor der Westmauer | |
| des Tempelbergs. | |
| Dort schaukeln Männer beim lauten Morgengebet mit dem Oberkörper vor und | |
| zurück; andere stecken Papierbotschaften in die Spalten zwischen den | |
| mächtigen Steinquadern. Im Frauenareal wird nur leise gebetet. Gesänge oder | |
| das Vorlesen aus der Tora sind hier strikt verboten. | |
| Die westliche Stützmauer des Zweiten Jüdischen Tempels, der im Jahr 70 von | |
| den Römern abgerissen wurde, ist seit der Eroberung und Annektierung | |
| Ost-Jerusalems vor bald fünfzig Jahren der für Juden heiligste Ort, an dem | |
| sie beten können. Deshalb ist die Regelsetzung hier so bedeutsam. Im Januar | |
| schien endlich ein Kompromiss im langwierigen Streit zwischen | |
| Fundamentalisten und Modernisierern gefunden. | |
| ## Ultraorthodoxe sind entrüstet | |
| Nach Jahren des Streits im Parlament und vor Gerichten, der Hasstiraden und | |
| sogar des Anspuckens von Frauen, die sich über die Traditionen | |
| hinwegsetzten, wurde im Regierungskabinett eine Einigung verabschiedet. Der | |
| als „historisch“ gefeierte Kompromiss sah vor, dass südlich der von den | |
| Orthodoxen kontrollierten Sektionen für Männer und Frauen ein gemischter | |
| Abschnitt an der Klagemauer hergerichtet wird. | |
| Auch die Parteien der Strenggläubigen, Die Frauen von der Mauer und der | |
| örtliche Rabbiner hatten zugestimmt. Doch ein Sturm der Entrüstung unter | |
| den Ultraorthodoxen, die in Israel das Sagen in Religionsangelegenheiten | |
| haben und zehn Prozent der jüdischen Bevölkerung ausmachen, ließ ihre | |
| politischen Vertreter schwanken. Inzwischen drohen sie gar mit einem | |
| Austritt aus der Koalition, die in der Knesset nur einen Sitz Mehrheit hat. | |
| „Der heutige Zustand besteht seit vielen Jahren und soll nicht angetastet | |
| werden. Wir sind zu keinem Zugeständnis bereit“, verkündete | |
| Gesundheitsminister Jaakov Lizman von der Regierungspartei Vereinigtes | |
| Tora-Judentum. Die erneute Verhärtung liegt auch an anderen Streitpunkten, | |
| die weit über die Klagemauer hinausreichen. | |
| ## Jüdische Feministinnen wollen nicht neu verhandeln | |
| So wollen die Orthodoxen, die das Oberrabbinat stellen, den beiden | |
| liberaleren Strömungen der Reformjuden und der Konservativen Juden, die in | |
| den USA sehr stark sind, jegliche Zuständigkeit in Israel verwehren. Diese | |
| hatten sich mit den Frauen solidarisiert. Die Modernisierer streben | |
| Erleichterungen bei Eheschließung, Scheidung und Übertritt zum Judentum an | |
| und gefährden damit die Machtbasis der Strenggläubigen. | |
| Um die Koalition zu retten, beauftragte Ministerpräsident Benjamin | |
| Netanjahu seinen Bürochef David Scharan, bis Ende Mai mögliche neue | |
| Lösungsformeln auszuloten. Doch die jüdischen Feministinnen haben bereits | |
| erklärt, dass sie nicht zu neuen Verhandlungen bereit sind. | |
| Schon am Sonntag könnte es deshalb an der Klagemauer wieder zu hässlichen | |
| Auseinandersetzungen kommen. Eine weibliche Version des jüdischen | |
| Priestersegens, mit der Die Frauen von der Mauer anlässlich des | |
| Pessachfests gegen die Traditionalisten aufbegehren wollten, wurde am | |
| Donnerstag vom israelischen Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit | |
| verboten. Die Frauen kündigten prompt an, ihrem Streben nach | |
| Gleichberechtigung in anderer Form Ausdruck zu verleihen. | |
| 22 Apr 2016 | |
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