# taz.de -- Politische Krise in Mazedonien: Die EU versucht sich als Vermittler | |
> Nach Protesten will die Politik über einen Ausweg aus der verfahrenen | |
> Lage beraten. Der Termin für Neuwahlen steht auf der Kippe. | |
Bild: Proteste gegen die Regierung am Montag in Skopje | |
SPLIT taz | Die Europäische Union unternimmt einen weiteren Versuch, um die | |
politische Krise in Mazedonien zu beenden. Nach den letzten militanten | |
Demonstrationen der Opposition in der vergangenen Woche hat die EU die | |
Spitzen der verfeindeten Parteien am 22. April zu Gesprächen mit dem | |
Kommissionsmitglied Johannes Hahn nach Wien eingeladen. Das Ziel sei, so | |
die Sprecherin Maja Kocijančič, „zu diskutieren, wie das Abkommen von | |
Pržino umgesetzt werden kann.“ Das 2015 geschlossene Abkommen wurde bisher | |
nicht implementiert. | |
Auslöser für die Unruhen der vergangenen Woche war die Entscheidung des | |
amtierenden Staatspräsidenten Gjorge Ivanov, 56 Repräsentanten der | |
Regierung und der seit 2014 regierenden nationalkonservativen Partei | |
VMRO-DPMNE zu amnestieren. | |
Die amnestierten Politiker und Staatsbeamten waren angeklagt, weil sie nach | |
Ansicht der Staatsanwaltschaft 20.000 Menschen, darunter Politiker, | |
Journalisten, Schriftsteller und andere Oppositionelle abhören ließen. Im | |
März 2015 hatte der Chef der Sozialdemokratischen Union, Zoran Zaev, ihm | |
zugespielte Tondokumente veröffentlicht und damit den Skandal aufgedeckt. | |
Die sich daraufhin entwickelnde Protestbewegung erreichte immerhin, dass | |
das von der EU vermittelte Abkommen von Pržino unterzeichnet wurde. Darin | |
wurde vereinbart, Neuwahlen auszuschreiben und weitreichende Reformen | |
durchzusetzen. Im Januar 2016 trat sogar der „starke Mann“, Regierungschef | |
Nikola Gruevski, zurück. | |
## Wahlfälschungen befürchtet | |
Doch der Reformprozess stockte. Auch die Wahlrechtsreform kam nicht | |
zustande. Die zunächst für den Februar angekündigten, dann auf den April | |
verschobenen und jetzt für den 5. Juni anberaumten Wahlen bleiben ein | |
Zankapfel zwischen den beiden politischen Lagern. | |
Noch ist unklar, ob der Termin Juni eingehalten werden kann. Denn die | |
Opposition geht davon aus, dass die Wahlen manipuliert werden könnten. Sie | |
wirft der Regierung vor, gefälschte Wählerlisten zu benutzen, und | |
befürchtet, dass die Regierung ihren Einfluss auf die Massenmedien weiter | |
gnadenlos ausnutzen wird. Vorschläge für die Demokratisierung der staatlich | |
gelenkten Massenmedien ignorierte die Regierungsseite. | |
In Hintergrundgesprächen hatten hohe Diplomaten der EU unlängst gegenüber | |
der taz erklärt, die EU hätte in den vergangenen Monaten versäumt, | |
weiterhin Druck auf die Regierung auszuüben. Nach der Unterstützung | |
Mazedoniens durch Österreich, Ungarn, die Slowakei und Kroatien bei der | |
Schließung der Grenzen für Flüchtlinge sei fraglich geworden, ob Brüssel | |
überhaupt noch mit einer Stimme sprechen könne. | |
Schon vier Jahre wird über die Integration Mazedoniens in die EU verhandelt | |
– seit 2005 besitzt das Land den Kandidatenstatus. Doch gerade die Frage | |
der Medienfreiheit, der Korruption, des Einflusses der Parteien auf | |
Gerichte und Staatsanwaltschaften deckten tiefgreifende Konflikte in der | |
Gesellschaft auf. | |
## Rückendeckung bei Wladimir Putin | |
Die Opposition fordert eine Beschleunigung der von der EU geforderten | |
Reformen, weil sie dann auf mehr Teilhabe im Staat hoffen kann. Die | |
regierende VMRO-DPMNE möchte genau dies verhindern. Denn sie kann nur | |
regieren, wenn sie ihre Klientel in der Gesellschaft entsprechend mit | |
Posten und Privilegien „bedienen“ kann. Um dem Druck der EU und der | |
Opposition zu entgehen, hatte Regierungschef Gruevski sogar damit begonnen, | |
Rückendeckung beim russischen Staatschef Wladimir Putin zu suchen. | |
Dabei steht das Land mit 2,1 Millionen Einwohnern vor großen | |
Herausforderungen, deren Lösung eine funktionsfähige Regierung | |
voraussetzen. Nach wie vor müsste eine Lösung mit Griechenland im | |
Namensstreit angestrebt werden. Zudem sind die Nationalitätenkonflikte mit | |
den Albanern, die ein Drittel der Gesamtbevölkerung stellen, nur | |
oberflächlich beigelegt. | |
Auch sitzen mehrere Tausend Flüchtlinge in Tabanovce an der serbischen | |
Grenze fest. Immerhin signalisierte die Regierung Zustimmung zu den | |
Gesprächen in Wien, die Opposition will bald entscheiden. Sie bezweifelt, | |
ob die Regierung bereit ist, in den wichtigsten Punkten, so bei den | |
Wählerlisten, nachzugeben. | |
19 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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