| # taz.de -- Die Wahrheit: Fiese kleine Biester | |
| > Wenn man am Görlitzer Park in Berlin von jugendlichen Taschendieben | |
| > belästigt wird, freut man sich über den Anblick alter Bekannter. | |
| So beginnen Überfälle wirklich: Irgendwas stimmt nicht. Warum steht mein | |
| rechter Arm waagerecht von meinen Körper ab und warum, zur Hölle, meine | |
| Tasche auch? Ah, weil jemand dran zieht. Das ist nicht schön, er sollte das | |
| lassen. Der Jemand scheint meine Tasche stehlen zu wollen, deswegen zieht | |
| er so stark daran. Bestimmt denkt er, dass ich sie gleich loslasse. | |
| Kurz zuvor hatte ich in einem Anfall von großem Mut beschlossen, auf dem | |
| Heimweg schnell das im Auto liegende Sixpack Cola zu holen. Der Wagen war | |
| zwar in einer unbeleuchteteren Ecke am Görlitzer Park in Kreuzberg geparkt, | |
| aber was sollte schon passieren? Nix. | |
| Und dann steht plötzlich dieser 16, 17 Jahre alte Junge neben mir, der mich | |
| in 1a Berliner Dialekt nach dem Weg zur U-Bahn fragt und lang und breit zu | |
| erklären beginnt, dass er sich ja hier üüüüberhaupt nicht auskenne und | |
| nicht aus Berlin sei, und was ein Glück, dass ich ihm jetzt weiterhelfen | |
| könne. | |
| Während er redet und redet, muss ich wohl instinktiv nach meiner auf dem | |
| Boden stehenden Tasche gegriffen haben. Denn an der zieht nun der Kumpel | |
| des fiesen kleinen Biests, das immerhin plötzlich aufgehört hat zu reden. | |
| Sie sollen weggehen. Das tun die beiden Jungs aber nicht, der eine zieht | |
| unverdrossen weiter an meiner Tasche, der andere steht relativ unbeteiligt | |
| auf meiner anderen Seite. Und mir fällt plötzlich auf, dass mein Handy – | |
| warum auch immer – fröhlich leuchtend auf dem Boden liegt, weswegen ich das | |
| Gewicht verlagere und meinen linken Fuß darauf stelle. | |
| Vielleicht ist es diese Bewegung, die den Taschenzieher verunsichert hat, | |
| vielleicht habe ich ihn aber auch kurz sehr genervt angeguckt, bevor ich | |
| das Mobiltelefon unter meinen im Übrigen sehr hübschen Stilettostiefeln | |
| verstecke, jedenfalls hängt mein Arm mitsamt Tasche plötzlich wieder so, | |
| wie es sich gehört, und das kleine Arschloch ist verschwunden. | |
| Dafür ist das andere noch da. „Hat der Ihre Tasche?“, fragt es, und ohne | |
| nachzudenken, antworte ich: „Nein, natürlich nicht.“ Dann ist auch er | |
| plötzlich weg, wahrscheinlich seinen Kumpel trösten, aber vielleicht | |
| formieren sie sich auch nur neu, man kennt das doch aus Kriegsfilmen. | |
| Jetzt schnell das Handy aufheben und, ach verdammt!, da steht ja noch das | |
| Sixpack Cola, das bekommen die fiesen Idioten sicher nicht. Leider reißt | |
| die Packung auf, und zwei der Flaschen kullern über den Asphalt. Da ich | |
| aber beschlossen habe, dass nichts zurückgelassen wird, sammle ich alles | |
| auf. Also Tasche festhalten. Handy festhalten. Cola festhalten. Und immer | |
| wieder umgucken, ob die Überfaller nicht zurückkommen. | |
| Der Weg über die Straße dauert ewig. Und dann passiert es: Aus dem Dunkel | |
| des Görlitzer Parks tauchen einige der ortsüblichen Dealer auf. Sie nicken | |
| kurz, wie sie das immer tun, wenn sie auf Anwohner treffen. Und ich bin | |
| plötzlich sehr erleichtert, denn sie gehen genau dort lang, wo ich hin | |
| muss. Ich folge ihnen, und dann bin ich endlich zu Hause. Was ein Glück, | |
| dass es die Dealer vom Görlitzer Park gibt. | |
| 14 Apr 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Elke Wittich | |
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