# taz.de -- Immobilienanzeige für den Schillerkiez: Willkommen, Gentrifizierer! | |
> Ein Anbieter wirbt mit dreisten Phrasen um neue Mieter für eine Wohnung | |
> im Neuköllner Schillerkiez – und bildet damit die Wirklichkeit ab. | |
Bild: Mit der Öffnung des Tempelhofer Feldes begann die Aufwertung des Schille… | |
Wenn es für die Hipness des Neuköllner Schillerkiezes noch eines Beweises | |
bedurfte, dann ist er jetzt erbracht. Mit „Gentrification wellcome“ (ja, | |
das schreibt man eigentlich anders) wird auf Immoscout eine | |
[1][Ein-Zimmer-Wohnung] an der Schillerpromenade beworben. Sie sei „umgeben | |
von Szenekneipen, Galerien, Künstlern und Boheme“. Und ist laut Anbieter | |
„ganz nahe am Nerv der Zeit. Sehr viele Flüchtlinge fanden im | |
Flughafengebäude eine neue Heimat“. | |
Das kommt so dreist daher, dass man es nicht glauben mag. Ist die Anzeige | |
echt? Die als Anbieter firmierende Hausverwaltung gibt es; sie wollte sich | |
bis Freitagnachmittag aber nicht zu dem Inserat äußern. | |
In der stadtpolitischen Debatte ist der Begriff Gentrifizierung ein | |
Schimpfwort. Man denkt dabei sofort an den Siegeszug des Latte macchiato | |
über den Filterkaffee und die Verdrängung all derer, die sich die | |
steigenden Mieten nicht leisten können. Mit Gentrifizierung offensiv zu | |
werben ist schlicht krass. | |
Andererseits bildet es die Wirklichkeit ab. Denn natürlich gibt es unter | |
denen, die italienische Kaffeesorten bestellen und 10 Euro pro Quadratmeter | |
kalt bezahlen, Leute, die gerne unter sich bleiben. Sie würden es | |
vielleicht nicht laut sagen. Aber manch einer hat sicher nichts dagegen, | |
wenn die Armen aus dem Viertel nach und nach verschwinden. | |
Die Flüchtlinge wiederum werden in der Wohnungsanzeige reduziert auf die | |
Funktion als Lifestyle-Accessoires. Das ist einerseits geschmacklos. | |
Andererseits kann ihnen nichts Besseres passieren: Wie schön wäre es, wenn | |
die Präsenz der Flüchtlinge überall als großstädtisch, attraktiv und | |
werbewirksam angesehen würde. | |
Der Hausverwaltung – so sie denn hinter der Anzeige steht – muss indes | |
irgendwann aufgefallen sein, dass ihre Ortsbeschreibung für Irritationen | |
sorgt. Die Flüchtlinge und die Gentrification waren am Freitag jedenfalls | |
aus dem Inserat verschwunden. Dafür wird die Wohnung jetzt angepriesen mit: | |
„Fehlt nur noch der eigene Hubschrauberlandeplatz. Einfach mal beim | |
Berliner Senat nachfragen.“ Auf so eine verschraubte Idee muss man erst mal | |
kommen. | |
8 Apr 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://www.immobilienscout24.de/expose/87756957?referrer=RESULT_LIST_LISTIN… | |
## AUTOREN | |
Antje Lang-Lendorff | |
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