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# taz.de -- Kämpfe in Berg-Karabach: Blut spenden für den Frieden
> Die Menschen in Eriwan, der Hauptstadt Armeniens, stehen Schlange, um
> Blut zu spenden. Doch es gibt keine Spur von Kriegsbegeisterung.
Bild: Von Hurrapatriotismus ist in Eriwan auch bei Freiwilligen nichts zu sehen
Eriwan taz | Die Facebook-Parole der Stunde heißt: „Sei ein Held und spende
dein Blut“. Die Bürger von Eriwan, der Hauptstadt Armeniens, leisten ihr
Folge. Sie drängen sich im örtlichen Blutspende-Zentrum. Hunderte junge
Armenierinnen und Armenier folgen dem Aufruf in den sozialen Netzwerken,
Blut für die in den Kämpfen in Berg-Karabach verletzten armenischen
Soldaten zu spenden.
Bereits am frühen Morgen bilden sich erste Schlangen, darunter sind viele
Studenten. „Ich spende mein Blut für den Frieden“, sagt die 19-jährige
Armine. Und der Leiter des Spendenzentrums Smbat Daghbaschjan teilt mit,
dass seine Blutbank prall gefüllt sei. Trotzdem begrüßt er weitere Appelle,
Blut zu spenden. Eine Konserve könne zwei Jahre lagern.
In den seit Samstag aufgeflammten heftigen Kämpfen sind nach Angaben der
armenischen Behörden in Berg-Karabach bislang 18 armenische Soldaten
getötet worden, 37 wurden verletzt. Das Verteidigungsministerium erklärt,
dass die Gefechte anhalten. Die offiziellen Opferzahlen kommen stets
später.
Mehr als zehn Schwerverletzte sind aus Berg-Karabachs Hauptstadt
Stepanakert ins Militärhospital nach Eriwan gebracht worden. Stundenlang
warten Eltern und Verwandte von Soldaten vor dem Hospital, um sich über die
Lage der Verletzten und die Namen der Oper zu informieren.
Die Menschen hier sind eher still, besorgt. Keiner spricht von Krieg oder
Politik. „Ich will nur zu meinem Sohn“, sagt eine Frau, die seit gestern
vor dem Hospital auf eine Nachricht wartet. „Ob er wohl noch lebt?“ Nach
Angaben Berg-Karabachs beschießt aserbaidschanisches Militär die Stadt
Martakert und die umliegenden Dörfer, vor allem Talisch und Mataghis. Ein
zwölfjähriges Kind sei beim Einschlag einer aserbaidschanischen Rakete
getötet, zwei weitere Kinder seien verletzt worden. Diese Dörfer sind
inzwischen evakuiert.
## Mobilmachung an der Heimatfront
Die gesamte Bevölkerung Berg-Karabachs, rund 150.000 Menschen, sind
mobilisiert. Zudem bilden Männer aus unterschiedlichen Regionen des
Mutterlandes Armenien freiwillige Kampfgruppen. Seit zwei Tagen fahren
Hunderte, etwa 30- bis 60-Jährige, nach Berg-Karabach.
„Wie kann ich zu Hause schlafen, wenn unsere Jungs an der Grenze sterben?“,
sagt ein bewaffneter Mann in Eriwan, bevor er einen Bus nach Stepanakert
besteigt. „Für das Vaterland“, „Für den Frieden“, wiederholt ein ande…
immer wieder. „Die Aseris haben uns keine Alternative gelassen. Nun müssen
wir wieder schießen.“
Viele der Männer haben bereits Kriegserfahrung gegen Aserbaidschan
gesammelt, als Anfang der 90er Jahre Berg-Karabach seine Unabhängigkeit
erklärte und jahrelange Kämpfe die Folge waren. Seit Montag sammeln die
Bürger in Eriwan nun auch Essen und Kleidung für die Kriegsfront in
Berg-Karabach. Eine Freiwilligen-Initiative organisiert zudem humanitäre
Hilfe für die Familien in den beschossenen Regionen in Berg-Karabach.
Die Medien in Armenien berichten, dass es auf aserbaidschanischer Seite
fast zehnmal mehr Opfer gebe, 300 Soldaten seien ums Leben gekommen. In
Berg-Karabachs Hauptstadt Stepanakert herrscht keine Panik. Doch die
Menschen sind besorgt, weil sie nach dem Waffenstillstand von 1994 solche
Gefechte nicht mehr erlebt haben.
Die Namen der Toten werden nicht publiziert. Die örtlichen Journalisten
versuchen, sie herauszufinden. „Die christliche Bevölkerung ist wieder in
Gefahr“, sagt Anna aus Stepanakert. Ihre zwei Söhne kämpfen an der Front.
Ihren Mann hat sie schon vor zehn Jahren verloren.
5 Apr 2016
## AUTOREN
Tigran Petrosyan
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