| # taz.de -- Die Stichwortgeber der Rechten: Scheue Angstmacher | |
| > Innerhalb von zwei Jahren verdoppelte sich die Auflage: Das Monatsmagazin | |
| > „Compact“ ist auf Erfolgskurs – weit rechts außen. | |
| Bild: Der „Compact“-Stand auf der Leipziger Buchmesse war gut besucht | |
| Berlin/ Leipzig taz | „Sie wollen also über das Böse berichten“, sagt | |
| Andreas Abu Bakr Rieger zur Begrüßung. In seinem badischen Dialekt klingt | |
| der Satz weich, ja banal – dabei geht es auch um Riegers eigenen Anteil am | |
| „Bösen“. Denn ohne ihn, den deutschen Konvertiten und Herausgeber der | |
| Islamischen Zeitung, würde es das Magazin Compact, das zum wichtigsten | |
| Medium im Milieu von AfD und Pegida wurde, vielleicht gar nicht geben. | |
| Der blaue Schal über dem grauen Anzug, den Rieger auch in dem Berliner Café | |
| nicht ablegt, der akkurat gestutzte Vollbart und die randlose Brille | |
| zeichnen das Bild eines Intellektuellen. Die Frage ist dennoch, ob er nicht | |
| naiv gewesen sei, als er vor mehr als fünf Jahren zusammen mit dem Exlinken | |
| Jürgen Elsässer und Kai Homilius, Inhaber des gleichnamigen Verlags, | |
| Gründungsgesellschafter von Compact wurde. „Vielleicht war ich das“, sagt | |
| Rieger locker. Er habe auf eine „wirkliche Debatte zwischen Linken und | |
| Rechten, Gläubigen und Nichtgläubigen“ gehofft, sagt der Konservative mit | |
| einem Faible für Geldkritik. „Es war nicht absehbar, dass das so extrem | |
| wird.“ | |
| Was Rieger meint, zeigt sich exemplarisch in der Februar-Ausgabe, in der | |
| Jürgen Elsässer die Silvestervorfälle in Köln mit Begriffen kommentiert. Er | |
| schreibt: „Im Millionenstrom der Zuwanderer kamen Zigtausende Gewalttäter | |
| nach Deutschland, die selbst im kleinsten Provinzkaff auf Beute lauern: Es | |
| geht um unsere Handys, unsere Brieftaschen, unsere Frauen, im Extremfall | |
| unser Leben.“ Der Ton findet sein Publikum: in den Reihen der AfD, deren | |
| Vorsitzende Frauke Petry in der März-Ausgabe als „bessere Kanzlerin“ | |
| betitelt wird, und bei Pegida, auf deren Bühnen Elsässer unaufhörlich zum | |
| „Widerstand“ aufruft. | |
| ## Steigende Popularität | |
| Mit der Radikalisierung des Magazins, das im sechsten Jahr erscheint, stieg | |
| auch seine Bedeutung. Im Fahrwasser der Flüchtlingsthematik stieg die | |
| gedruckte Compact-Auflage von 40.000 Exemplaren Ende 2014 auf nun mehr | |
| 80.000. Auch zwei Millionen Webseitenbesucher im Monat, ausverkaufte | |
| Konferenzen und Zehntausende Aufrufe des YouTube-Kanals zeugen von | |
| steigender Popularität. | |
| Das Hochglanzheft bietet monatlich auf mehr als 60 professionell | |
| gestalteten Seiten Empörungsjournalismus. Die Autoren schreiben an gegen | |
| „Gender-Ideologie“, „gesteuerte Flüchtlingskrise“ und die „Neue | |
| Weltordnung“. Compact greift die millionenfache Wut aus den sozialen | |
| Netzwerken auf und ist für sie, als vermeintlich professionell | |
| recherchiertes Qualitätsprodukt, gleichzeitig Quelle und Anheizer. | |
| Andreas Rieger erinnert sich an den Beginn des Projekts: 2009 hatte er | |
| Elsässer für die Islamische Zeitung interviewt, danach saßen sie zusammen. | |
| „Wir waren uns einig: Es gibt zu wenige Magazine, die unterschiedliche | |
| Positionen vereinen“, erzählt Rieger. Die Idee für Compact war geboren. Mit | |
| Kai Homilius fand sich ein Verleger und dritter Gründer. Zusammen | |
| investierten sie 24.000 Euro, ein bescheidener Start, „ein absolutes | |
| Minusgeschäft“, wie Rieger sagt. Bis heute werben fast ausschließlich | |
| Kunden wie der für seine Verschwörungstheorien bekannte Kopp-Verlag oder | |
| das Vertriebenenblatt Preußische Allgemeine mit Anzeigen im Heft. In seiner | |
| Nullnummer beschäftigte sich Compact mit Thilo Sarrazin und fragte: „Der | |
| nächste Bundeskanzler? Was eine neue Volkspartei erreichen kann“. | |
| „Schon zu Beginn fand ich die Titelbilder zum Kotzen“, sagt Rieger heute. | |
| Dennoch schrieb er 30 Artikel, bis er 2014 mit dem Hinweis auf | |
| „rassistische und nationalistische Positionen“ im Heft ausstieg und seine | |
| Anteile für 7.000 Euro verkaufte. Seine Einbindung bis dahin war, glaubt | |
| man Rieger, kaum der Rede wert. Nur zweimal im Jahr seien die | |
| Gesellschafter zusammengetroffen, inhaltlich sei er quasi nicht beteiligt | |
| gewesen. Er sagt: „Es war ein Fehler, Elsässer die Position des | |
| Chefredakteurs zu überlassen.“ | |
| ## „Hetzer sind immer die anderen“ | |
| Der Journalist Jürgen Elsässer, der sich lange am ganz linken Rand | |
| tummelte, für fast alle namhaften linken Zeitungen und Zeitschriften | |
| schrieb, ist ganz rechts außen angekommen. Mitgenommen hat er seinen | |
| Geltungsdrang und seine Verve, mit denen er schon immer gern gegen den | |
| Strich bürstete. Das Leipziger Stadtmagazin Kreuzer schrieb jüngst über | |
| ihn: „Elsässer beherrscht die Klaviatur der deutschtümelnden Hetze, denn er | |
| hat jahrelang gegen sie angeschrieben.“ | |
| Hetzer sind für Elsässer immer die anderen. Nicht einmal der rechten Jungen | |
| Freiheit mochte er ein Interview geben, die Redaktionsräume seien tabu, | |
| teilte er mit. Das Impressum verweist lediglich auf ein Leipziger Postfach. | |
| Und auch Rieger weiß nur von der Herstellung des Heftes in Elsässers | |
| Wohnung zu berichten. Eine taz-Anfrage an die offizielle Kontaktadresse von | |
| Compact bescheidet Homilius, dessen Verlag im brandenburgischen Werder | |
| sitzt, negativ. Und Elsässer schreibt: „Wie allgemein bekannt sein dürfte, | |
| geben Compact-Mitarbeiter der Mainstreampresse keine Auskünfte.“ | |
| Anzutreffen ist Compact dagegen auf der Leipziger Buchmesse – für Elsässer | |
| und Co. ein Heimspiel. Er selbst lebt in der Stadt. In Halle 5 thront der | |
| Stand des Magazins wie ein eingeschlagener Meteorit. Schon von Weitem ist | |
| der schwarze Quader sichtbar, der über dem Messestand zu schweben scheint. | |
| „Mut zur Wahrheit“ steht darauf. Trotz der Bewachung durch ein halbes | |
| Dutzend grimmig dreinschauender Sicherheitsleute ist das Interesse des | |
| Publikums groß. | |
| ## Auf der Buchmesse | |
| Zwischen Deckenquader und Tresen schaut Peter Feist hinter dem Messestand | |
| hervor. Feist ist der Neffe von Margot Honecker – und mit Elsässer | |
| verbunden, seit beide 2009 die „Volksinitiative gegen das Finanzkapital“ | |
| ins Leben riefen, ein Projekt, das die Verbindung von radikalen Linken und | |
| extremen Rechten suchte und infolgedessen Elsässer seinen Job beim Neuen | |
| Deutschland verlor. Alsbald liefen die Linken der Initiative davon, Feist | |
| hingegen blieb und ist Dauerreferent auf Compact-Veranstaltungen. Dort | |
| lässt sich der Mann mit der stämmigen Statur, dem Schnauzer und dem grauen | |
| Vokuhila als Philosoph feiern. | |
| Zu den Stars des Compact-Universums gehören neben Putin, Marine Le Pen oder | |
| Assad auch deutsche Rechtsausleger wie Akif Pirinçci und Eva Herman – beide | |
| Hauptfiguren eines Sonderhefts zum Thema „Zensur“, das Feist und | |
| Compact-Chef vom Dienst, Martin Müller-Mertens, auf der Lesebühne | |
| vorstellen. Beide tragen schwarze Anzüge, geben sich zurückhaltend. Etwa 40 | |
| Gäste haben die Stuhlreihen besetzt, in der Mehrzahl ältere Männer. Von | |
| hinten betrachtet, sticht die Ansammlung kahler Hinterköpfe ins Auge. | |
| Hinterher fragt einer nach dem „drohenden Bürgerkrieg“. Müller-Mertens | |
| antwortet mit dem Hinweis auf den „tiefen Spalt in der Gesellschaft“, der | |
| einen „Dialog notwendig“ mache. Compact als Befriedungsmagazin – eine | |
| verquere Vorstellung. | |
| Später steht Peter Feist am Messestand: „Die meisten von uns sind Linke | |
| oder waren es zumindest mal“, sagt der Extrotzkist einem ahnungslosen | |
| Besucher. Im Hintergrund läuft auf einem Bildschirm der Auftritt des | |
| abwesenden Chefredakteurs bei einer Demo. „Mein Name ist Jürgen Elsässer | |
| und meine Zielgruppe ist das Volk“, pflegt er bei diesen Gelegenheiten zu | |
| sagen. Doch der Ton ist ausgeschaltet, der junge Besucher zieht von dannen. | |
| Womöglich wird er beim Stöbern im Heft mit Begrifflichkeiten in Berührung | |
| kommen, die ihm bislang unbekannt waren. | |
| ## „Extrem rechte Begriffe“, sagt der Soziologe | |
| Ein paar Tage nach der Buchmesse legt Thomas Wagner das aktuelle | |
| Compact-Heft auf einen Berliner Cafétisch. “Compact verbreitet extrem | |
| rechte Begriffe, die bislang nur in einem kleinen Kreis von wenigen hundert | |
| Leuten gepflegt wurden“, sagt der Soziologe, der sich schon viele Jahre mit | |
| dem Spektrum der extremen Rechten beschäftigt. Wagner benennt etwa den | |
| Begriff „Vorbürgerkrieg“, mit dem suggeriert werden soll, dass eine | |
| multikulturelle Gesellschaft in sich bürgerkriegsträchtig sei. Oder die | |
| Theorie des „großen Austauschs“, der die Abschaffung der einheimischen | |
| Bevölkerung durch Migration beschreiben soll. | |
| Wagner spricht über die Thematik leise und unaufgeregt, dennoch merkt man | |
| seinem Redeschwall den Reiz der intellektuellen Auseinandersetzung mit dem | |
| politischen Gegner an. Das ist für den Mann mit dem runden Gesicht und den | |
| stachligen Haaren vor allem die Neue Rechte, eine Strömung, die in | |
| Deutschland lange ein Schattendasein fristete, etwa in der Denkfabrik | |
| Institut für Staatspolitik (IfS) von Götz Kubitschek. Von dort stamme ein | |
| Großteil des Gedankenguts und der ganz eigenen Begrifflichkeiten des | |
| Magazins, sagt Wagner. | |
| Erst im Februar referierten IfS-Gründer Götz Kubitschek und seine Frau | |
| Ellen Kositza auf einer Compact-Veranstaltung in Dresden zum Thema | |
| „Wendepunkt Köln – Kommt der Widerstand endlich in Schwung?“ | |
| Austauschanzeigen, gemeinsame Autoren, sich angleichende Inhalte – die | |
| Verbindung von IfS und Compact ist unübersehbar. Für Elsässer ist sie | |
| vielversprechend. Seine Querfrontstrategie ist gescheitert, und nur mit | |
| Verschwörungstheorien lassen sich keine Massen gewinnen. | |
| ## Trautes Dreigespann | |
| Enge Verbindungen haben Kubitschek und Compact zudem zum rechtsnationalen | |
| Flügel der AfD geknüpft. Thomas Wagner analysiert: „Mittels der AfD hat | |
| Kubitschek die Möglichkeit gefunden, politisch wirksam zu sein.“ Zu sehen | |
| war dies auf der AfD-Party nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, als | |
| sich Elsässer, Kubitschek und AfD-Landeschef André Poggenburg als trautes | |
| Dreiergespann zeigten. Elsässer schien regelrecht berauscht. In einem | |
| Interview für Compact TV beschwor er Poggenburg: „Wir müssen doch einen Weg | |
| finden, dieses Regime vor 2017 loszuwerden.“ | |
| Für den ehemaligen Herausgeber Andreas Abu Bakr Rieger war es diese | |
| Zuspitzung der Radikalität, die zu seinem Bruch mit dem Magazin führte. | |
| Ausschlaggebend sei für ihn neben der einseitigen Darstellung des | |
| Heilsbringers Putin die Darstellung von Muslimen als sich „schlecht | |
| benehmende Ausländer“ gewesen. Ebenso befremdlich wurde ihm die Klientel | |
| rund um die Zeitschrift. „Auf die Konferenzen bin ich nicht gern gegangen“, | |
| sagt Rieger. „Nur alte Männer, die sich mit Familienpolitik befassen – das | |
| war nichts für mich.“ | |
| 10 Apr 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Erik Peter | |
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